Chaos auch in Hamburg: Darum droht Europas Airports ein „höllischer“ Sommer
Egal ob Dublin, London, Amsterdam, Brüssel, Düsseldorf, Köln – oder Hamburg: An vielen europäischen Flughäfen herrschte zuletzt blankes Chaos. Die Wartehallen waren völlig überfüllt, die Mitarbeitenden heillos überfordert, die Passagiere frustriert. Und das dürfte erst der Anfang gewesen sein: Experten erwarten einen „höllischen“ Sommer an Europas Airports.
Die Schlangen reichten bis auf die Straße: „Ich habe mehr Ordnung gesehen, als im vergangenen August Kabul evakuiert wurde“, schrieb ein Twitter-Nutzer Ende Mai vom Airport Dublin. „Hier herrscht Chaos“, berichtete ein anderer aus Brüssel. „Die Warteschlangen sind ein Monster. So etwas habe ich noch nirgendwo auf der Welt gesehen“, twitterte ein Dritter über den Flughafen in Amsterdam.
Auch in Hamburg brauchten Passagiere zuletzt viel Geduld: An den Sicherheitskontrollen lange Schlangen, verärgerte Reisende berichteten von verpassten Flügen. Einige warten zudem seit Tagen auf ihre aufgegebenen, aber nicht angekommenen Koffer. Gleichzeitig stapeln sich in der Ankunftshalle verspätet gelieferte Gepäckstücke.
Was ist da los? Wie kann es sein, dass gleich in mehreren Städten Europas derart massive Probleme herrschen?
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Egal ob Dublin, London, Amsterdam, Brüssel, Düsseldorf, Köln – oder Hamburg: An vielen europäischen Flughäfen herrschte zuletzt blankes Chaos. Die Wartehallen waren völlig überfüllt, die Mitarbeitenden heillos überfordert, die Passagiere frustriert. Und die jüngsten Szenen dürften erst der Anfang gewesen sein: Experten erwarten einen „höllischen“ Sommer an Europas Airports.
Die Schlangen reichten bis auf die Straße: „Drei Stunden Wartezeit bis hierher. (…) Ich habe mehr Ordnung gesehen, als im vergangenen August Kabul evakuiert wurde“, schrieb ein Twitter-Nutzer Ende Mai vom Eingang zum Airport in der irischen Hauptstadt Dublin.
„Hier herrscht Chaos“, berichtete ein anderer angesichts der Zustände in Belgiens Hauptstadt Brüssel. „Die Warteschlangen sind ein Monster.
So etwas habe ich noch nirgendwo auf der Welt gesehen“, twitterte ein Dritter über den Flughafen in der niederländischen Hauptstadt Amsterdam.
Auch in Hamburg brauchten Passagiere zuletzt viel Geduld: Bei Check-In, Sicherheitskontrolle und Gepäckausgabe mussten sie teils Stunden warten. Verärgerte Reisende berichteten von verpassten Flügen und Anschlusszügen. Einige warten seit Tagen auf ihre aufgegebenen, aber nicht angekommenen Koffer. Gleichzeitig stapeln sich in der Ankunftshalle verspätet gelieferte Gepäckstücke.
Was ist da los? Wie kann es sein, dass gleich in mehreren Städten Europas derart massive Probleme herrschen?
An Europas Airports braute sich ein „perfekter Sturm“ zusammen
Hauptgrund ist in allen Fällen eine verhängnisvolle Kombination, sozusagen ein „perfekter Sturm“: Nach gut zwei Jahren Corona-Pause herrscht nun Fernweh. Viele wollen nach Urlaub vor der Haustür endlich wieder weiter weg. Die meisten Airlines rechnen für diesen Sommer mit einem Fluggast-Aufkommen, das mindestens so hoch ist wie vor Corona. Der deutsche Carrier Eurowings etwa will laut eigenen Angaben in den kommenden Monaten sogar mehr Passagiere fliegen als im Sommer 2019.
Gleichzeitig haben Flughäfen, Airlines, Sicherheitsunternehmen und Co. pandemiebedingt Hunderttausende Mitarbeitende entlassen – und die verbliebenden werden dem Ansturm nicht gerecht.
Allein die größte deutsche Fluggesellschaft Lufthansa entließ nach eigenen Angaben um die 37.000 Angestellte. Europas größter Flughafen in London-Heathrow sowie die dortigen Auftragnehmer kündigten laut der Nachrichtenagentur „Bloomberg“ etwa 25.000 Menschen – einem Drittel der Belegschaft. Der Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport hat rund 4000 Leute entlassen.
Zwar konnten überall Mitarbeitende zum Teil zurückgeholt werden – aber allein in Deutschland fehlen immer noch „rund 20 Prozent Bodenpersonal im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Flughafenverbandes ADV, Ralph Beisel. Nach Schätzungen der deutschen Flughafenbetriebsräte bräuchte es bundesweit mindestens 5500 zusätzliche Arbeitskräfte an den Airports.
Es droht ein „höllischer“ Sommer an Europas Airports
Viel zu wenig Personal für viel zu viele Fluggäste: Experten warnen vor diesem Szenario schon länger. Bereits im März und April gab es Berichte von heillos überfüllten Airports etwa in den USA und Großbritannien. Der US-Sender CNN sprach daraufhin mit Verbraucherschützer Christopher Elliott, der von einem „Vorzeichen für die Zukunft“ sprach.
„Ich hasse es, wenn ich Recht habe“, sagte Elliott nun. „Das läuft ziemlich genau so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Und ich denke, es wird noch schlimmer.“ Er rät seinen Landsleuten explizit davon ab, in den kommenden Wochen nach Europa zu reisen. Dort drohe ein „verrückter Sommer“, sagte er zu CNN.
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Diese Einschätzung teilt der Wirtschaftsexperte und „Bloomberg“-Autor Chris Bryant, der in einer Analyse jüngst von einem Flugreise-Sommer sprach, der „schlimmer als höllisch“ werden könnte. Auch das Air Council International – Europas Handelsverband für Flughäfen – prognostizierte jüngst, dass Verspätungen in diesem Sommer auf zwei Dritteln der europäischen Airports unvermeidlich sein werden.
Darum ist die Personaldecke an den Flughäfen in Europa immer noch so dünn
Warum aber stellen die Firmen nicht mehr Personal ein? Das ist nicht so einfach: Zum einen gelten Jobs am Flughafen als nicht unbedingt attraktiv. Schwere Koffer schleppen, bei Wind und Wetter auf zugigen Rollfeldern schuften, nörgelnde Passagiere besänftigen, sich von gestressten Reisenden bei der Sicherheitskontrolle anpöbeln lassen müssen, dazu meistens Schichtdienst – und das alles bei oft schlechter Bezahlung.
Viele Angestellte haben sich wegen Corona andere Jobs gesucht – etwa in der Logistik – und wollen nun nicht mehr zurück. Andere wollen gar nicht erst dort anfangen.
Hinzukommt: Nicht jeder und jede ist für einen Job am Flughafen geeignet. Eingestellt werden kann nur, wer gewisse Sicherheitsstandards erfüllt. In Hessen zum Beispiel, wo Deutschlands größter Flughafen Frankfurt liegt, kann die Zuverlässigkeitsüberprüfung bei der Luftsicherheitsbehörde bis zu sechs Wochen dauern. In Großbritannien müssen potenzielle Bewerber derzeit sogar bis zu drei Monate auf eine Freigabe warten.
Mehr als 100 Leute pro Monat neu einzustellen, sei derzeit kaum möglich, sagte Fraport-Chef Stefan Schulte jüngst. Für die Angestellten, die noch da sind, steigt dadurch der Druck – was die Dynamik zusätzlich befeuert. Die Gewerkschaft Verdi beklagt, dass die angespannte Personallage die Mitarbeiter körperlich und psychisch sehr belaste. Schon jetzt gebe es deutschlandweit einen Krankenstand von mehr als 20 Prozent.
Chaos an Flughäfen: Auch der Brexit hat etwas damit zu tun
Nicht zuletzt sorgt auch der Brexit für Probleme: Durch die gestrichene Arbeitnehmerfreizügigkeit fehlen in Großbritannien Tausende Gastarbeiter etwa aus Osteuropa, die oftmals in Niedriglohnjobs auf dem Vorfeld oder der Gepäckabfertigung tätig waren. Sie können nur über komplizierte und teure Visa-Verfahren weiter in Großbritannien arbeiten – was viele nicht wollen. Dadurch fehlt noch mehr Personal!
Gleichzeitig müssen Airports in Europa nun britische Fluggäste gesondert kontrollieren. Letztere können seit dem Brexit nicht wie bisher über Schengen-Transit weitgehend ohne Grenzkontrollen reisen, sondern müssen durch aufwändige Passkontrollen. Vielen Flughäfen fehlt dafür das Personal, was zusätzlich zu langen Schlangen führt.
So reagieren Flughäfen und Airlines auf das Chaos
Und jetzt? Wie reagieren Flughäfen und Airlines auf den Schlamassel? Klar ist: Das fehlende Personal kann niemand auf die Schnelle aus dem Hut zaubern. Die niederländische Fluggesellschaft KLM, die in Amsterdam ihr weltweites Drehkreuz hat, stoppte daher bereits Ende Mai den Verkauf weiterer Flugtickets, weil es keine Beförderungskapazitäten mehr gab. Über Pfingsten strich sie dann sämtliche Zubringerflüge aus Europa nach Amsterdam. Unzählige Reisende strandeten ohne Hotelunterbringung oder Anschlussmöglichkeiten auf Airports weltweit.
Billigkonkurrent Easyjet sah sich wegen fehlender Flugbegleiter ebenfalls zu einem drastischen Schritt veranlasst: In der britischen Teilflotte wird in diesem Sommer bei sämtlichen Flugzeugen vom Typ Airbus A319 die hintere Sitzreihe ausgebaut. Sechs Sitzplätze weniger bedeuten, dass die Airline nach geltenden Sicherheitsschlüsseln für die verbliebenen 150 Passagiere nur noch drei statt bislang vier Flugbegleiter in der Kabine einsetzen muss.
Zusätzlich planen viele Airports, in Absprache mit den Fluggesellschaften, ihre Flugpläne im Sommer auszudünnen.
Das sagt der Airport Hamburg zur aktuellen Lage
Der Hamburger Flughafen zeigte sich angesichts der aktuellen Zustände wenig beunruhigt. Eine Sprecherin verwies auf MOPO-Nachfrage auf aktuelle Prognosen, wonach zum Beginn der Sommerferien in Hamburg rund 30 Prozent weniger Passagiere als 2019 erwartet würden.
Und was ist mit dem Koffer-Chaos der letzten Tage? Der Sprecherin zufolge läuft am Hamburg Airport „bei der Gepäckausgabe derzeit alles im Regelbetrieb. Dass es bei einzelnen, zum Beispiel deutlich verspäteten Flügen auch einmal etwas länger dauern kann, gehört zum Flughafenalltag seit jeher dazu.“