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  • Foto: picture alliance/dpa

„The Social Dilemma“ auf Netflix: Social Media als Bedrohung der Menschheit

Silicon-Valley –

„Die einzige Frage ist doch, checkst du dein Smartphone bevor oder während du morgens pinkeln gehst?“ Die neue Netflix-Doku „The Social Dilemma“ ist ein Film über die Abhängigkeit der Menschen von sozialen Medien. Regisseur Jeff Orlowski entwirft darin eine verstörende Dystopie, in der Facebook & Co. Für so ziemlich alle großen Probleme dieser Welt verantwortlich sind. Eine Aussicht auf Besserung besteht eigentlich nicht. 

Im Fokus der anderthalbstündigen Dokumentation stehen Silicon-Valley-Aussteiger, wie Tristan Harris, Roger McNamee und Jeff Seibert, die über ihre Zeit bei den heutigen Social-Media-Giganten berichten.

„The Social Dilemma“: Netflix-Doku warnt vor sozialen Medien

„All unser Verhalten wird genau aufgezeichnet“, erklärt Seibert, der bei Twitter gearbeitet hat. „Was man sich anschaut, für wie lange. Die Plattform weiß, ob du introvertiert oder extrovertiert bist, wann du dir Fotos von deinem Ex-Partner anschaust und welche Neurosen du hast.“ 

Für die Silicon-Valley Aussteiger steht fest: Soziale Medien verändern die Gesellschaft nachhaltig zum Negativen. „50 Designer in Kalifornien treffen Entscheidungen, die das Leben von zwei Milliarden Menschen betreffen“, warnt Tristan Harris, ehemaliger Designethiker bei Google. „Die sozialen Medien wetteifern um unsere Aufmerksamkeit, denn ihr Geschäftsmodell ist es, uns an die Bildschirme zu fesseln.“

„The Social Dilemma“: Silicon-Valley Aussteiger berichten auf Netflix

Der ehemalige Facebook-Investor Roger MacNamee bringt es auf den Punkt: „Seit zehn Jahren verkauft Facebook nur noch seine User.“ Das Ziel der Giganten? Geld verdienen, den Menschen genau analysieren und seine Handlungen vorhersagen. Und dann kommt es genau zu der Frage, die MacNamee ironisch stellt: „Checkst du vor oder während des Pinkelns dein Smartphone?“

Schaut man die Dokumentation, entsteht schon in den ersten Minuten ein ungutes Gefühl, das über die 90 Minuten nicht weggehen will. Der Film von Regisseur Jeff Orlowski zeichnet ein apokalyptisches Bild: Es ist düster ausgeleuchtet, die Musik macht unruhig und die Protagonisten schauen direkt in die Kamera. Damit wird der Eindruck erzeugt, als wären sie im direkten Gespräch mit dem Zuschauer und würden ihn persönlich warnen.

Dokumentation auf Netflix: „Sie wollen deine Identität verändern“

„Es ist ihr Ziel, dein Verhalten zu ändern, deine Gedanken und deine Identität“, sagt Jaron Lanier, Informatiker und Autor des Buches „Zehn Gründe, warum du deine Social-Media Accounts sofort löschen musst“. Er erklärt, dass die sozialen Medien eine Generation erschaffen haben, in der Kommunikation und Kultur im Wesentlichen Manipulation bedeuten. Täuschung und Heimlichtuerei seien das Zentrum unseres Handelns.

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Und doch ist die Dokumentation teilweise einseitig und erschafft an einigen Stellen ein ungenaues Bild. Sozialpsychologe Jonathan Haidt sagt, dass die Suizid- und Depressionsraten von US-Teenagern in den vergangenen Jahren sprunghaft angestiegen sind. Orlowski zeigt an dieser Stelle ein Mädchen, dem aufgrund eines Hasskommentars eine Träne die Wange herunterläuft.

„The Social Dilemma“ auf Netflix: Unsere zerbrechliche menschliche Psyche

Damit wird suggeriert, dass Mobbing oder psychische Krankheiten wie Angststörungen und Depressionen die Ursache von Social Media sind. Und das ist zu kurz gegriffen. Mobbing funktioniert zum Beispiel auch ohne die sozialen Netzwerke. Es kann durch diese allerdings verstärkt werden, sodass der Psycho-Terror nicht nur in der Schule stattfindet sondern zu Hause weitergeht.

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Die Dokumentation macht vieles richtig. Sie bringt genau die Menschen in den Vordergrund, die wissen, wie soziale Medien funktionieren. Sie macht darauf aufmerksam, wie die menschliche Schwachstelle — unsere Sucht nach Anerkennung — dafür ausgenutzt wird, Bildschirmzeit zu verlängern. Likes, Herzen und das Markieren auf Fotos sind dabei nur die Spitze des Eisbergs.

Löschen als einzige Möglichkeit: Netflix-Doku zeichnet düsteres Bild

Die einzige Lösungsmöglichkeit in „The Social Dilemma“ ist allerdings nur die Löschung unserer Accounts, um das „richtige Leben“ wieder genießen zu können. So einfach ist die Realität aber leider nicht. 

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