Noch ein „Todespfleger“? : Mordermittlungen im Krankenhaus
München –
Es klingt nach einem furchtbaren Albtraum: An dem Ort, an dem man gesund werden soll, wird man absichtlich in Lebensgefahr gebracht. Der Fall eines Pflegers, der in einem Münchner Krankenhaus versucht haben soll, drei Patienten zu töten, machte im vergangenen Jahr Schlagzeilen. Doch das war wohl nur die Spitze des Eisberges – wahrscheinlich ist es nicht nur beim Mordversuch geblieben.
Nach neuen Erkenntnissen haben sich die Ermittlungen gegen den Pfleger von versuchtem auf vollendeten Mord ausgeweitet. „Die Staatsanwaltschaft geht inzwischen nicht nur von drei versuchten, sondern auch von zwei vollendeten Tötungsdelikten aus“, sagte eine Sprecherin der Behörde. Und noch immer werden ihren Angaben zufolge weitere Verdachtsfälle geprüft: „Die Ermittlungen dauern an.“
Pfleger soll Patienten aus Geltungssucht in Gefahr gebracht haben
Bislang war nur bekannt, dass die Staatsanwaltschaft in drei Fällen wegen des Verdachts auf versuchten Mord ermittelt. Sie wirft dem bei seiner Festnahme 24-Jährigen vor, drei Patienten im Alter von damals 54, 90 und 91 Jahren aus reiner Geltungssucht mit Medikamenten in Lebensgefahr gebracht zu haben, um dann bei ihrer Rettung zu glänzen.
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Ein aufmerksamer Oberarzt am Klinikum rechts der Isar war stutzig geworden, weil sich der Zustand von zwei Patienten plötzlich und unerklärlich verschlechtert hatte. Interne Ermittlungen ergaben Hinweise auf einen ähnlichen Fall, bei dem auch der Beschuldigte Dienst hatte. Der Verdacht: Der Pfleger spritzte den Patienten eine Überdosis eines Medikaments, das ihnen nicht verabreicht werden sollte. Spuren dieser nicht verordneten Medikamente wurden im Blut der Patienten gefunden. Die Klinik zeigte den Pfleger an, er bestritt die Vorwürfe bei seiner Festnahme.
Der ausgebildete Altenpfleger war seit Juli 2020 über eine Zeitarbeitsfirma in die Klinik gekommen und dort vor allem auf der sogenannten Wachstation im Einsatz, einer Zwischenstation zwischen Intensiv- und normaler Station, auf der Kranke rund um die Uhr betreut wurden.
Chatverläufe des Angeklagten legen niedere Beweggründe nahe
Bevor er den Job in dem Münchner Krankenhaus annahm, hatte der aus Nordrhein-Westfalen stammende Mann laut Staatsanwaltschaft noch nicht in einer Klinik, sondern nur in Altenpflege-Einrichtungen gearbeitet und war dort nach bisherigen Erkenntnissen nicht auffällig geworden. „Hinsichtlich seiner Tätigkeit dort haben sich nach Auskunft der dortigen Ermittlungsbehörden keine Auffälligkeiten hinsichtlich etwaiger vergleichbarer Fälle ergeben“, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft.
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Chatverläufe legen nach Angaben der Behörde nahe, dass der junge Mann sich in München allerdings mit Reanimationsannahmen brüsten wollte und damit, Menschenleben gerettet zu haben. „Deswegen das Leben eines Menschen zu riskieren, um dann nachher als weißer Ritter dazustehen, das stufen wir natürlich als niedrige Beweggründe ein“, sagte die Sprecherin nach der Festnahme. Mit wem der Mann über die Reanimierungen chattete, wollte sie nicht sagen. Auch ob der Tatverdächtige sich inzwischen zu den Vorwürfen geäußert hat, sagte sie nicht.
„Todespfleger“ tötete 85 Menschen in Oldenburg und Delmenhorst
Der Fall erinnert an den als „Todespfleger“ bekannt gewordenen Patientenmörder Niels Högel, den das Landgericht Oldenburg 2019 wegen Mordes in 85 Fällen zu lebenslanger Haft verurteilt hatte. Er war in Kliniken in Oldenburg und Delmenhorst als Krankenpfleger in der Intensivmedizin tätig und tötete dort nach Feststellung des Landgerichts insgesamt 85 Patienten, indem er ihnen medizinisch nicht indizierte Medikamente verabreichte. Dabei soll es ihm in erster Linie darum gegangen sein, sich danach um die Reanimation der Patienten bemühen zu können und vor Kollegen zu glänzen.
Tötungsdelikte in der Pflege machen deutschlandweit immer wieder Schlagzeilen. Erst Anfang Oktober 2020 hatte das Landgericht München I einen Hilfspfleger wegen Mordes an drei Patienten zu lebenslanger Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Der Mann hatte alten Menschen, die er pflegen sollte, Insulin gespritzt, das als Überdosis tödlich sein kann.
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Das Klinikum rechts der Isar ist auch nicht die erste Münchner Klinik, die von einem solchen Fall betroffen ist. 2016 verurteilte das Landgericht München I eine Hebamme des Klinikums Großhadern wegen siebenfachen Mordversuches im Kreißsaal zu 15 Jahren Haft. Nach Überzeugung des Gerichtes hatte die Frau Patientinnen bei Kaiserschnitt-Geburten heimlich Blutverdünner gegeben. Ohne Notoperationen wären sie gestorben. (dpa)