• Die Polizei geht nicht gerade zimperlich gegen die Protestierenden vor.
  • Foto: picture alliance/dpa/AP

Nach Nawalny-Video: Erneut Massenproteste um Protz-Palast

Moskau –

Der Winter in Russland ist an den meisten Orten bekanntermaßen so kalt wie die Repressionen hart sind. Und dennoch: Am zweiten Wochenende in Folge gehen Tausende Menschen auf die Straße, um gegen das Regime, gegen Korruption und für die Freilassung des inhaftierten Oppositionellen Alexei Nawalny zu demonstrieren. Es scheint etwas in Bewegung zu kommen im „Reich des Zaren“ Putin. Indes meldet sich einer seiner Freunde und behauptet: Die Protz-Villa am Schwarzen Meer gehört mir! Die Meldungen rund um den Prunkbau hatten die Demonstrationen zuletzt noch befeuert.

Der Oppositionelle Alexei Nawalny und sein Team hatten das millionenfach geklickte Video zu der Protz-Villa, die sie Putin zuschreiben, um die Welt geschickt – Nawalny war indes direkt nach seiner Rückkehr nach Russland verhaftet worden. Offiziell wegen eines Verstoßes gegen Bewährungsauflagen. 

Laut Nawalnys Team finden Proteste in 100 russischen Städten statt. Bereits am Nachmittag mitteleuropäischer Zeit berichteten Bürgerrechtler von mehr als 4000 Festnahmen durch die Behörden, genau wie am vergangenen Wochenende. Auch da sollen Zehntausende an den landesweiten Protesten teilgenommen haben. Berichten zufolge setzten Polizisten Tränengas und Elektroschocker gegen Demonstranten ein, unter den am Sonntag Festgenommenen soll laut seinen Anhängern auch Nawalnys Frau Julia sein. 

Liberale und Konservative gemeinsam auf der Straße

Diese Masse ist ein gewaltiger Unterschied zu den gelegentlichen Protesten der vergangenen Jahre. Dort blieben die Demonstrationen meist regional begrenzt, wurden häufig von linksliberalen Kräften vorangetrieben. Diesmal aber gibt es ein breiteres Bündnis: Neben linken Akademikern gehen auch viele Menschen auf die Straße, die etwa das Forschungsinstitut „Carnegie Moscow Center“ als „urbanes Proletariat“ bezeichnet. Das vor allem frustriert sei wegen mieser Perspektiven und „nicht zwingend liberal, pro-westlich und pro-Demokratie“.

Was sie aber diesmal eint: Die Wut über das Vorgehen Moskaus gegen Nawalny, über seine Vergiftung und über die Korruption unter den Eliten. Besagte Schwarzmeer-Villa soll rund 1,1 Milliarden Euro wert sein, die zu großen Teilen aus Spenden einiger Oligarchen für Krankenhaus-Projekte stammen sollen. Auf dem 17.700 Quadratmeter-Gelände angeblich vorhanden: unter anderem ein Amphitheater, ein Casino und ein unterirdisches Eishockeyfeld.

Putin-Vertrauter: Die Villa gehöre ihm und er wolle dort ein Hotel eröffnen

Bereits 2011 war der Bau Umweltaktivisten aufgefallen. Nach der Recherche durch Nawalnys Team meldete sich nun der Putin-Vertraute Arkadi Romanowitsch Rotenberg (ein Pipeline-Fabrikant) und behauptete, dass das Gelände nicht Putin, sondern ihm gehöre. Er wolle daraus ein Hotel machen.

Zwar sagt auch Nawalnys Team, dass Putins Name in keinem der Verträge auftauche, die sie von Informanten bekommen haben wollen. Aber das Rotenberg-Bekenntnis wurde doch ziemlich spöttisch aufgenommen. Es sei doch sehr seltsam, hieß es auf Twitter, dass für ein Hotel Flugverbots-Zonen eingerichtet worden seien. Die Umwelt-Aktivisten, die 2011 versuchten, auf das Gelände zu gelangen, wurden vom Geheimdienst daran gehindert.

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Auch wenn Nawalnys Haltung gegenüber Homosexuellen oder Migranten aus dem Kaukasus hierzulande als mindestens konservativ gelten würde – sein unermüdlicher Kampf gegen Korruption scheint aktuell eine Teilzeit-Allianz aus liberalen und rechten, aus akademischen und proletarischen Protestierenden zu schmieden.

Protest-Symbolik: Blaue Unterwäsche, Klobürsten und Schneebälle

Und ihre Symbole haben eine große Medienwirksamkeit: blaue Unterwäsche für die blaue Unterhose Nawalnys, die der Inlandsgeheimdienst mit dem Nervengift Nowitschok behandelt haben soll. Oder Klobürsten, mit denen die Korruption entfernt werden soll – und Schneebälle, die auf Polizisten fliegen.

Ob diese Allianz durch Repression wieder  zerschlagen wird, werden die kommenden Wochen zeigen. Nawalny selbst erwartet Anfang Februar ein erster von etlichen Prozessen, die ihn jahrelang in Haft bringen könnten.

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