• Frankreichs Präsident Macron besucht den verwüsteten Ort der schweren Detonation im Hafen von Beirut.
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Nach Explosionen: Wut, Trauer und Verzweiflung: So schlimm ist die Lage in Beirut

Beirut –

Nach den verheerenden Explosionen im Hafen von Beirut ist die Lage nach wie vor unübersichtlich. Noch immer ist die Suche nach den Verletzten und Toten nicht abgeschlossen. Sicher ist jedoch, dass auch eine deutsche Diplomatin unter den Todesopfern ist. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron flog kurzfristig in das Katastrophengebiet, dort kam es zu Konfrontationen mit Überlebenden – doch auch zu berührenden Szenen.

Bisher forderte die Katastrophe in Beirut mehr als 130 Tote und tausende Verletzte. Doch die Suche nach den Opfern geht weiter, die Hoffnung treibt die Retter an.

Beirut: Deutsche Diplomatin unter den Todesopfern

Außenminister Heiko Maas bestätigte indes, dass unter den Todesopfern auch eine deutsche Diplomatin ist. „Unsere schlimmste Befürchtung hat sich bestätigt. Eine Angehörige unserer Botschaft in Beirut ist durch die Folgen der Explosion in ihrer Wohnung ums Leben gekommen“, erklärte Maas. „Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Auswärtigen Amts sind in tiefer Trauer um die Kollegin.“ 

Video: Beirut: Suche nach Verschütteten läuft

Beirut: Heftige Explosion legt Stadt in Schutt und Asche

In Beirut hatte eine heftige Detonation am Dienstag große Teile des Hafens zerstört und ganze Straßen im Zentrum in Scherben und Trümmer gelegt. Spekuliert wird, dass große Mengen an Ammoniumnitrat, die jahrelang im Hafen ohne Sicherheitsvorkehrungen gelagert wurden, explodierten. 

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Der Verdacht richtet sich dabei auf das unter moldauischer Flagge fahrende Frachtschiff „Rhosus“, das 2013 große Mengen der gefährlichen Substanz in den Hafen gebracht haben soll. Der russische Ex-Besitzer des Schiffes wies jegliche Verantwortung von sich. 

Libanon: Präsident Macron besucht Beirut

Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron flog kurzfristig nach Beirut. Er sprach dort von einer „historischen Verantwortung“ der politischen Führung. Das libanesische Volk sei Opfer einer „politischen, moralischen, wirtschaftlichen und finanziellen Krise“.

Macron wurde bei einer Tour durch ein zerstörtes Viertel teils wütend beschimpft. „Ihr seid alle Mörder“, schrie eine Frau unter Tränen von einem Balkon. „Wo waren Sie, als diese Bomben im Hafen gelagert wurden?“ Macrons libanesischer Amtskollege Michel Aoun wurde als „Terrorist“ beschimpft. Ein Mann näherte sich Macron und rief: „Bitte helfen Sie uns.“

Umringt von einer Menschenmasse versuchten die Sicherheitsmänner Macrons, den Präsidenten so gut wie möglich abzuschirmen. Immer wieder warnten sie ihn: „Es ist gefährlich.“ Doch Macron blieb stehen und hörte einer Frau zu, die ihm ihre Wut auf die libanesische Regierung entgegen schrie. „Wir sind nicht hier um denen zu helfen, wir sind hier, um Ihnen zu helfen“, rief Macron ihr mit Nachdruck zu. Am Ende der Begegnung kam es zu einem rührenden Moment. Die Frau und Macron umarmten sich – natürlich mit Maske. „Ich bin sehr verletzt“, hörte man sie an seiner Schulter flüstern. 

Erste Hilfsgüter treffen in Beirut ein

Auch die Hilfe Deutschlands sowie anderer Länder und internationaler Organisationen lief mit Hochdruck an. Die Weltgesundheitsorganisation brachte 20 Tonnen Hilfsgüter ins Land, um hunderte Menschen mit Brand- und anderen Verletzungen zu versorgen. Die EU sagte Nothilfe in Höhe von mehr als 33 Millionen Euro zu – um etwa medizinische Ausrüstung zu finanzieren.

Aus der Türkei, Griechenland, Zypern und Katar traf ebenfalls Hilfe ein. Auch Israel, das mit dem der Libanon keine diplomatischen Beziehungen pflegt, will bei der Versorgung von Opfern helfen. Viele Krankenhäuser sind überlastet. Coronavirus-Tests und -behandlungen wurden in mehreren großen Krankenhäusern eingestellt.

Deutschland: Bundeswehr beginnt Hilfseinsatz

Die Bundeswehr begann einen größer angelegten Hilfseinsatz. Die Luftwaffe sollte ein medizinisches Erkundungsteam der Streitkräfte nach Beirut fliegen, auch die Korvette „Ludwigshafen am Rhein“ nahm von Zypern aus Kurs auf die Küstenstadt. Nach dpa-Informationen wurde auch der Luftwaffen-Airbus A310 „MedEvac“ für den Transport Schwerverletzter bereitgestellt.

Geprüft wird zudem, ob ein schnell verlegbares Luftrettungszentrum des Bundeswehr-Sanitätsdienstes im Libanon aufgebaut werden kann. Ein 50 Mitarbeiter starkes Team traf ebenfalls ein, um mit der Bergung und Rettung zu beginnen.

Rettungshelfer suchten weiter nach Überlebenden – im Einsatz waren Armeesoldaten, Mitarbeiter des Roten Kreuzes und Freiwillige. Noch immer werden dem Roten Kreuz zufolge rund 100 Menschen vermisst. Die Menschen vor Ort sind völlig verzweifelt. „Ich warte hier, ich bewege mich nicht weg“, rief eine Frau in Nähe des abgesperrten Hafens. „Mein Bruder arbeitete im Hafen und ich habe von ihm nichts gehört, seitdem es die Explosion gab.“

Besitzer des Frachtschiffs weißt Verantwortung von sich

Der frühere Besitzer des Frachtschiffs „Rhosus“ wies jegliche Verantwortung zurück. Libanesische Behörden hätten der Besatzung 2013 die Weiterfahrt untersagt, die Ladung als gefährlich eingestuft und beschlagnahmt, sagte der russische Geschäftsmann Igor Gretschuschkin der Zeitung „Iswestija“.

Nach seiner Darstellung begründete der Libanon damals seine Entscheidung mit fehlenden Dokumenten. Zudem hätten die Behörden Bedenken beim Transport des Stoffes gehabt, sagte er. Er sei nach einer Strafzahlung bankrott gegangen und wisse nicht, wer anschließend für die „Rhosus“ verantwortlich gewesen sei.

Forderungen nach Untersuchung der Explosionen werden laut

Unterdessen werden die Rufe nach einer internationalen Untersuchung der Katastrophe lauter. Der führende drusische Politiker Walid Dschumblatt schloss sich entsprechenden Forderungen des früheren Regierungschefs Saad Hariri an. „Wir verlangen einen internationalen Ermittlungsausschuss, weil wir überhaupt kein Vertrauen in die herrschende Clique haben“, erklärte Dschumblatt nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur NNA.

Am Vortag hatten bereits Hariri und drei andere frühere libanesische Ministerpräsidenten gefordert, die UN oder die Arabische Liga müssten einen Ermittlungsausschuss aus unabhängigen Experten bilden. Auch Menschenrechtsorganisationen hatten eine unabhängige Untersuchung internationaler Ermittler gefordert.

Video: In Beirut wächst die Wut: „Wir haben keinen Staat“

Libanons Innenminister Mohammed Fahmi hatte am Mittwoch dagegen erklärt, dass internationale Experten vermutlich nicht notwendig seien. Die libanesischen Fachleute hätten die nötige Kompetenz für Ermittlungen. (dpa)

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