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  • Foto: dpa

Nach Explosion in Beirut: Darum ist Ammoniumnitrat so gefährlich

Beirut –

Mindestens 100 Menschen starben, Tausende wurden verletzt, die halbe Stadt liegt in Schutt und Asche: Die Explosion, die die libanesische Hauptstadt Beirut am Dienstag erschütterte, war gewaltig – um die 300 000 Menschen sind nun obdachlos. Die Behören vermuten, dass 2750 Tonnen Ammoniumnitrat, die im Hafen lagerten, für die Explosion verantwortlich waren. Dies würde vor allem die Schwere der Detonation erklären, denn aus dem Stoff werden Bomben gebaut. Auch in Deutschland gab es bereits eine verheerende Ammoniumnitrat-Katastrophe. 

Von der Explosion in Beirut gibt es mehrere Videos von Amateurfilmern, die derzeit im Netz kursieren oder auf Nachrichtenseiten veröffentlicht wurden. So war zunächst nur ein großes Feuer und eine riesige Rauchwolke zu sehen, im Bruchteil einer Sekunde erschütterte dann eine gewaltige Detonation die Stadt. Ein Feuerball schoss in den Himmel und eine Druckwelle sauste durch die Stadt – und sorgte für gewaltige Zerstörungen.

Dem Deutschen Geoforschungszentrum GFZ war die Erschütterung sogar mit einem Erdbeben der Stärke 3,5 vergleichbar. Selbst im 200 Kilometer entfernten Zypern soll sie noch zu hören und zu spüren gewesen sein. 

Ammoniumnitrat: Oft bauen Terroristen damit ihre Bomben

Nach Regierungsangaben sind für die Explosion 2750 Tonnen beschlagnahmtes Ammoniumnitrat verantwortlich, die detoniert seien. Das Material sei seit sechs Jahren ohne Vorsichtsmaßnahmen in einem Lagerhaus am Hafen untergebracht gewesen. Regierungschef Hasan Diab kündigte an, die Verantwortlichen würden „zur Rechenschaft“ gezogen. Weshalb das Ammoniumnitrat explodierte, ist noch unklar. Doch was ist eigentlich Ammoniumnitrat? 

Ammoniumnitrat ist ein farbloser, fester und kristalliner Stoff. Gebildet wird die Substanz aus Ammoniak und Salpetersäure. Die Herstellung des Salzes ist meist sehr preisgünstig und wird vor allem als Düngemittel – und Sprengstoff genutzt. So greifen Terroristen häufig bei Anschlägen auf den Stoff zurück. Auch der norwegische Rechtsextremist Andres Breivik soll die Substanz für die Bombe genutzt haben, die 2011 im Osloer Regierungsviertel detonierte. 

Ammoniumnitrat wird unter strengen Bedingungen gelagert

Ammoniumnitrat ist vor allem dann gefährlich, wenn besonders große Mengen dicht beieinander stehen – dann erhitzt sich die geruchslose Substanz und fängt Feuer. Sauerstoff wird freigesetzt und ein Feuer breitet sich aus. Bereits bei Raumtemperatur könne die Kristalle reagieren und zusammenbacken.

Unter normalen Lagerbedingungen und bei mäßigen Temperaturen entzünde sich Ammoniumnitrat nur schwer, erläutert die Chemie-Expertin Jimmie Oxley von der Universität in Rhode Island. 

„Ich gehe davon aus, dass es eine kleine Explosion gab, die die Reaktion des Ammoniumnitrats auslöste – ob diese kleine Explosion ein Unfall war oder beabsichtigt, weiß ich nicht“, sagt Oxley. Normalerweise wird die Chemikalie unter strengen Bedingungen gelagert: So muss sie etwa von Brennstoffen und Wärmequellen ferngehalten werden.

In vielen EU-Ländern muss Ammoniumnitrat zudem mit Kalk versetzt werden, um es sicherer zu machen. Das geruchlose Salz war in den vergangenen Jahrzehnten bereits für zahlreiche Explosionen verantwortlich – bei Unfällen und Anschlägen.

1921 kam es in Deutschland zu einer Ammoniumnitrat-Katastrophe

So detonierten am 21. September 1921 in einem Werk des Chemiekonzerns BASF in Oppau bei Ludwigshafen 4500 Tonnen Ammoniumsulfatsalpeter – eine als Düngemittel verwendete Mischung aus Ammoniumnitrat und Ammoniumsulfat.

Mehr als 500 Menschen starben, die genaue Zahl ist unklar. Die umliegenden Gemeinden wurden verwüstet, die Explosion war noch bis ins rund 75 Kilometer entfernte Frankfurt am Main zu spüren und richtete selbst über diese Entfernung Schäden an. Mehr als tausend Menschen wurden bei dem Vorfall verletzt, der zu den weltweit bisher größten Industrieunglücken gehört. 

Explosion bei BASF: Falsche Lagerung und Verarbeitung waren die Ursache

Beschreibungen und Zeichnungen, die damals von dem Geschehen entstanden, erinnern stark an aktuelle Bilder aus Beirut. Es kam direkt nacheinander zu zwei Detonationen, wobei die zweite viel stärker war. Es entstand ein riesiger Rauchpilz. Die Düngesalzmischung explodierte in einem Silo. Ursache waren späteren Untersuchungen zufolge Fehleinschätzungen bei Lagerung und Verarbeitung.

So wurde die zu Verklumpung neigende Masse durch kleine Sprengungen aufgelockert – was nur sicher ist, solange der Ammoniumnitratanteil unter einer bestimmten Schwelle liegt. Eine erste Detonation löste dann die weit größere zweite Explosion aus.

Trotz der Gefahren ist Ammoniumnitrat unverzichtbar

Auch der Attentäter des Anschlags in Oklahoma City 1995 mit 168 Toten verwendete beim Bau der Bombe zwei Tonnen der Substanz. In einer Chemiefabrik im französischen Toulouse kamen bei der Explosion von rund 300 Tonnen Ammoniumnitrat 2001 insgesamt 31 Menschen ums Leben.

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Trotz der Gefahren ist Ammoniumnitrat laut Oxley in der Landwirtschaft und für Sprengungen in der Bauindustrie unverzichtbar. „Ohne Sprengstoff wäre die moderne Welt nicht möglich, und ohne Ammoniumnitrat-Dünger könnten wir die heutige Bevölkerung nicht ernähren“, sagt sie. „Wir brauchen Ammoniumnitrat – wir müssen nur genau darauf achten, was wir damit machen.“ (dpa/alp)

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