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  • Demonstration gegen die „Ghetto-Liste” vor Christiansborg in Kopenhagen im Dezember 2020.
  • Foto: imago images/Ritzau Scanpix

Migrationshintergrund unerwünscht?: Was hinter Dänemarks „Ghetto“-Verschärfung steckt

Kopenhagen –

Dänemark kämpft seit Jahren gegen Parallelgesellschaften, bestehende sollen bis 2030 aufgelöst werden. Jetzt sei die Regierung bereit für den nächsten Schritt, so das dänische Innenministerium. Am Mittwoch wurde ein neuer Gesetzesentwurf vorgestellt. Das Ziel: In zehn Jahren soll in allen Wohngebieten nur noch ein Anteil von maximal 30 Prozent an Einwohnern mit „nicht westlichem“ Hintergrund leben.

Wenn sich viele „nicht westliche“ Einwanderer und ihre Nachkommen in bestimmten Wohngebieten niederließen, erhöhe sich das Risiko, dass religiöse und kulturelle Parallelgesellschaften entstünden, so das Ministerium. „Wir haben viel zu viele Jahre die Augen vor der Entwicklung verschlossen, die auf dem Weg war, und erst dann gehandelt, als die Integrationsprobleme zu groß geworden sind“, sagte der sozialdemokratische Innen- und Wohnungsminister Kaare Dybvad Bek. Die Regierung wolle deshalb daran arbeiten, dass gemischte Wohngebiete geschaffen würden.

Dänemark: Strikte Ausländerpolitik der Sozialdemokraten

Das ist nicht das erste Mal, dass eine solche Obergrenze in Dänemark angestrebt wird: 2018 brachte die damalige konservative Regierung ein Maßnahmenpaket gegen Parallelgesellschaften mit einer 50-Prozent-Grenze auf den Weg. Mittlerweile hat Dänemark eine sozialdemokratische Minderheitsregierung – doch an der restriktiven Ausländerpolitik des Landes hat sich nicht viel geändert. Auch die jetzige Ministerpräsidentin Mette Frederiksen hatte im Wahlkampf 2019 harte migrations- und integrationspolitische Positionen eingenommen.

Mette Frederiksen, Premierministerin von Dänemark

Mette Frederiksen, Ministerpräsidentin von Dänemark.

Foto:

dpa/Ritzau Scanpix/AP

Von der Gesetzesänderung wären besonders die „Ghetto-Gebiete“ betroffen. Nach dem umstrittenen sogenannten Ghetto-Gesetz gelten Stadtteile ab 1000 Einwohnern dann als „Ghetto-Gebiete“, wenn sie einen Einwohneranteil von Menschen mit „nicht westlicher Herkunft“ über 50 Prozent aufweisen und zusätzlich zwei von vier Kriterien erfüllen: Einen hohen Anteil von Bewohnern mit keinem oder niedrigem Bildungsabschluss, eine dreimal so hohe Kriminalitätsrate wie der Rest des Landes, einen hohen Arbeitslosenanteil und ein vergleichbar niedriges Durchschnittseinkommen. In diesen Stadtteilen müssen Kinder ab einem Jahr in die Kita gegeben werden. Erfolgt das nicht, können Sozialleistungen gestrichen werden. Zudem können Straftaten wie Vandalismus oder Diebstahl dort härter geahndet werden als im Rest Dänemarks. Aktuell gibt es 15 „Ghetto-Gebiete“ in Dänemark, 25 weitere gelten als „gefährdet“.

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Der problematische Begriff „Ghetto“, der zu einer Stigmatisierung der Bewohner beiträgt, soll nun gestrichen werden. Er sei „irreführend“, sagte Dybvad Bek. Ansonsten würde das Gesetz durch die Änderung aber eher verschärft werden: Es soll die neue Kategorie „Präventionsgebiet“ eingeführt werden, um schneller eingreifen zu können. Außerdem sollen künftig eben nicht mehr maximal 50, sondern nur 30 Prozent Menschen mit „nicht westlicher“ Herkunft in dänischen Wohngebieten leben dürfen. 

Deutsche Grüne kritisieren: „Rhetorik bildet Nährboden für Rassismus“

„Für uns geht es darum, den Bewohnern zu helfen und Chancengleichheit für alle Kinder zu schaffen, unabhängig davon, wo sie in Dänemark aufwachsen“, sagte der Minister. Dass aber eine „nicht westliche Herkunft“ als das entscheidende Kriterium definiert wird, wird scharf kritisiert: „Eine Gesetzgebung wie in Dänemark wäre in Deutschland verfassungsrechtlich höchst problematisch“, so etwa Filiz Polat, migrationspolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion zur MOPO. „Wir lehnen ein solches Gesetz aber auch inhaltlich ab, da es ganze Bevölkerungsgruppen stigmatisiert. Die diskursive Betonung auf „nicht westliche Herkunft“ halten wir für brandgefährlich, diese Rhetorik bildet den Nährboden für Rassismus. Eine solche Aufteilung der Welt ist ein Relikt der ewig Gestrigen und gehört nicht in das 21. Jahrhundert, erst recht nicht in moderne Einwanderungsländer.“

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Zudem wird kritisiert, dass eine reine Umsiedlung von Menschen mit Migrationshintergrund nicht zwangsläufig zu einer gelungenen Integration führt. Auch an der praktischen Umsetzbarkeit gibt es Zweifel – wie der „Spiegel” berichtet, werden in den „Ghettos“ teilweise Familien ihre Mietwohnungen gekündigt, um sie zum Umziehen zu bewegen.

Zum weiteren Vorgehen wollen sich die Sozialdemokraten nun mit den anderen Parteien abstimmen. In dem skandinavischen Land haben rund 14 Prozent der Bevölkerung einen Migrationshintergrund.

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