Wann entschuldigt sich die Union bei Frau Brosius-Gersdorf?
Wie lange muss die untadelige Top-Juristin Frauke Brosius-Gersdorf noch warten, bis CDU und CSU sich bei ihr in aller Form entschuldigen und sie rehabilitieren? Bundeskanzler Merz hat sich in der Bundespressekonferenz zwar voll vor die Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht gestellt; er hat die teilweise üblen Verleumdungen, Beleidigungen und Herabwürdigungen zwar verurteilt; mehr aber auch nicht. Der CDU-Vorsitzende Merz hätte Frau Brosius-Gersdorf um Verzeihung bitten müssen für all das, was seine Partei der Juristin angetan hatte. Und er hätte der SPD versprechen müssen, dass die Union mitmacht, wenn Frau Brosius-Gersdorf zur Richterin am Bundesverfassungsgericht gewählt werden soll. Hätte, hat er aber nicht.
So kann ein übles Kapitel noch immer nicht geschlossen werden; ein Kapitel, das davon handelt, wie schnell und leicht sich CDU und CSU von rechten und AfD-nahen Hetzern ins Bockshorn jagen und instrumentalisieren lassen. Ein Kapitel, das zeigt, dass die AfD mithilfe der Union den Kurs vorgeben und den Diskurs bestimmen kann, ohne die förmliche Mehrheit im Bundestag zu haben.
Medienkampagne gegen Brosius-Gersdorf ohne Legitimität
Noch mal kurz zur Erinnerung: Die anerkannte Juristin Frauke Brosius-Gersdorf war eine von drei KandidatInnen, die laut vorheriger Absprache zwischen Union und SPD neue Richterin am Bundesverfassungsgericht werden sollte. Ihre Wahl durch den Bundestag schien nur noch Formsache zu sein.

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Dann aber setzte eine bösartige Kampagne gegen sie ein: Social Media und ganz vorneweg das Rechts-Außen-Portal des früheren Bild-Chefredakteurs Julian Reichelt warfen die Dreckschleudern an. Wahrheitswidrig unterstellten sie Frau Brosius-Gersdorf unter anderem extreme freizügige Positionen zu Schwangerschaftsabbrüchen. Zudem trat ein fragwürdiger Plagiatsjäger auf den Plan und zog die wissenschaftliche Qualifikation der Spitzenjuristin in Zweifel. Auch der Erzbischof von Bamberg, Herwig Gössl, befeuerte die Schmutzkampagne gegen die wehrlose Juristin: Sie bestreite mit ihren Positionen zum Abtreibungsrecht das Lebensrecht ungeborener Menschen. Ihre Wahl zur Verfassungsrichterin wäre ein „Abgrund an Intoleranz und Menschenverachtung“.
Plagiatsvorwürfe widerlegt, Informationsgrundlage mutmaßlich falsch
Diese Kampagne beeindruckte die Union dermaßen, dass im Bundestag die Richterwahl für Karlsruhe von der Tagesordnung genommen werden musste. Die CSU-Größen Alexander Dobrindt und Markus Söder legten Frau Brosius-Gersdorf nahe, sie solle doch auf ihre Kandidatur verzichten. Andere Unionspolitiker streuten Zweifel an ihrer wissenschaftlichen Qualifikation.

Alles inzwischen widerlegt: Die Positionen von Frau Brosius-Gersdorf zur Abtreibung liegen im Mainstream juristischer Meinungen. Man muss sich nur die Mühe machen, ihre Texte zu lesen. Gutachterlich wurde festgestellt, dass der Juristin kein Plagiat vorzuwerfen sei. Der dubiose Plagiatsjäger selbst ruderte zurück, und der Erzbischof von Bamberg widerrief seine schlimmen Vorwürfe gegen die Juristin. Sie hätten auf falschen Informationen beruht.
Causa Brosius-Gersdorf – eine Geschichte voller Verlogenheiten
Die üble Kampagne ist also in sich zusammengebrochen. Aber die Union hat sich noch immer nicht entschuldigt, hat noch immer nicht angekündigt, die qualifizierte Juristin Brosius-Gersdorf mitzuwählen. Was, bitte sehr, hindert sie noch?
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Und schließlich ein Randaspekt: Vor einiger Zeit hatte die wackere CDU-Bundestagspräsidentin Julia Klöckner von den Kirchen verlangt, sie sollten sich aus der Politik heraushalten. Damals ging es um Migrationspolitik und Tempolimit. Der Frau Klöckner waren einige Kirchenpositionen augenscheinlich zu links. Wo, möchte man die gar nicht so verehrte Frau Klöckner fragen, wo waren Sie, als sich der Bamberger Erzbischof mit üblen Verleumdungen, die er inzwischen zurücknehmen musste, in den politischen Prozess einer Richterwahl einmischte? Die ganze Geschichte um die Juristin Brosius-Gersdorf ist eben voller Verlogenheiten.
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