Die Fahne Palästinas auf einer Demonstration.

Die Fahne Palästinas auf einer Demonstration. Foto: picture alliance/dpa/Zuma Press | Ashraf Amra

Palästina anerkennen? Nicht jetzt und nicht so!

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Der Frust der internationalen Gemeinschaft über Israels Vorgehen im Gazastreifen ist riesig. Immer mehr Länder gehen deshalb dazu über, den Staat Palästina offiziell anzuerkennen. So soll die Idee einer Zweistaatenlösung neuen Auftrieb erhalten. Die aktuelle Bundesregierung folgt dem Trend nicht. Das wird kritisiert – ist im Kern aber richtig.

Nachdem Japan, Frankreich, Großbritannien sowie weitere europäische Staaten die Anerkennung Palästinas angekündigt haben, steht Deutschland inzwischen weitgehend isoliert da. Von den größeren Ländern bleiben fast nur die USA beim bisherigen Kurs. Mehr als 150 Länder (von 193 insgesamt) haben dies nun aber vollzogen.

Befürworter wollen Perspektive für die Menschen

Beide Seiten haben Argumente, die durchaus nachvollziehbar sind. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron begründet seinen Kurswechsel mit der Starrköpfigkeit der israelischen Regierung und vor allem mit der anhaltenden Gewalt im Gazastreifen – obwohl die terroristische Hamas bereits erheblich geschwächt sei. Andere Befürworter einer Anerkennung argumentieren, die Palästinenser bräuchten eine realistische Perspektive für die Zukunft. Nur die Aussicht auf eine Selbstbestimmung könne dem blinden Vernichtungswahn der Hamas politisch etwas entgegensetzen. Im Lager der Befürworter ist man grundsätzlich überzeugt, dass nur die Zweistaatenlösung einen dauerhaften Frieden in der Region bringen kann.


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Diese Überzeugung teilt man auch in der Bundesregierung. Allerdings erklärt CDU-Außenminister Johann Wadephul („Gaza ist die Hölle auf Erden“) immer wieder, eine Anerkennung Palästinas könne erst am Ende eines Friedensprozesses stehen. Nicht am Anfang. Die Gegner einer Anerkennung weisen darauf hin, dass vor allem die Hamas von einem solchen Schritt profitieren würde. Die Terror-Organisation hatte den Anschlag vom 7. Oktober 2023 und die Entführung israelischer Geiseln damit begründet, sie wolle die „Palästina-Frage“ wieder auf die internationale Tagesordnung bringen. Belohnt man mit der Anerkennung also diesen Terror-Akt? In gewisser Weise schon.

Die Hamas wurde zum Weiterkämpfen ermutigt

Dazu kommen praktische Probleme: So hat u. a. Briten-Premier Kier Starmer ursprünglich die Anerkennung Palästinas angekündigt, wenn es in Gaza nicht zu einem Waffenstillstand kommt. Die Hamas konnte daraus schließen (und hat dies wohl auch getan), dass sie nur weiterkämpfen und in Verhandlungen im Zweifel unerfüllbare Forderungen stellen muss, um sich vor der eigenen Bevölkerung damit brüsten zu können, welchen Nutzen sie für einen eigenen Palästinenserstaat gebracht hat – eine größere Anerkennung.

Was in Berlin kaum einmal offen thematisiert wird, in Wahrheit aber eine große Rolle spielt, ist die Frage, ob die palästinensische Nationalbewegung überhaupt reif für einen eigenen Staat ist. Als Ansprechpartner der internationalen Gemeinschaft gibt es momentan nur die Hamas, die weiter die Auslöschung Israels verfolgt, sowie die Fatah von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas. Dieser hat sich allerdings seit 20 Jahren keiner Wahl mehr gestellt, sein Rückhalt in der lokalen Bevölkerung liegt wegen der ausufernden Korruption der Fatah nahe null. Zudem: Gaza war zwar kein vollständig souveräner Staat, aber nach dem Rückzug Israels aus dem Küstenstreifen 2005 verwalteten sich die Palästinenser selbst. Was haben sie daraus gemacht? Wenig, außer einer untertunnelten Terror-Basis, um Israel anzugreifen!

Die Palästinenser müssen in Vorleistung treten

Es ist also keineswegs abwegig, von den Palästinensern eine Vorleistung zu verlangen, die eine offizielle Anerkennung auch rechtfertigen würde. Zu dieser Vorleistung sollte es beispielsweise gehören, nun eine neue Führung zu präsentieren, die sich klar zum Existenzrecht Israels bekennt und die der Gewalt abschwört.

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Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass sich die Politik in Israel selbst ändern muss. Dass das Land momentan international so isoliert ist wie nie zuvor, hat sich die Regierung von Premier Benjamin Netanjahu selbst zuzuschreiben. Denn Netanjahu und seine rechts-nationalistischen Koalitionspartner erklären inzwischen völlig offen, dass es einen Palästinenserstaat mit ihnen nicht geben wird. Die Regierung in Tel Aviv hat angekündigt, sie wolle im Fall einer Anerkennung Palästinas das Westjordanland annektieren, um eine Staatsgründung zu verhindern. Das verstieße klar gegen das Völkerrecht und ist eine inakzeptable Haltung. Jeder würde es verstehen, wenn Netanjahu harte Bedingungen formulieren würde, unter denen er zu einem Frieden bereit ist. Aber selbst dieses Minimum lehnt seine Regierung inzwischen ab.

Eine Anerkennung jetzt verhärtet die Fronten nur

Es muss deshalb auch das Ziel Deutschlands sein, Netanjahu zu Verhandlungen zu bringen. Die sofortige Anerkennung Palästinas ist dazu aber erkennbar ein ungeeignetes Mittel. Es verhärtet die Fronten eher noch und ist am Ende nur Symbolpolitik. Cleverer – aber auch politisch riskanter – wäre es, die Boykott-Schrauben im militärischen Bereich gegenüber Israel weiter rasch anzuziehen.

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