Auf dem Nato-Gipfel in Den Haag drehte sich alles um die Launen von US-Präsident Donald Trump.

Auf dem NATO-Gipfel in Den Haag drehte sich alles um die Launen von US-Präsident Donald Trump. Foto: picture alliance / ANP | Koen van Weel

Fünf Prozent fürs Militär: Europa erkauft sich Trumps Gunst

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Ein Bündnis-Treffen wie ein schlechter Kindergeburtstag: Beim NATO-Gipfel in Den Haag drehte sich praktisch alles um die Launen des US-Präsidenten. Dieser sollte keinen Anlass finden, die Militär-Allianz erneut öffentlich infrage zu stellen. Europa hat sich die Gunst Donald Trumps fürs Erste erkauft – durch die Zusage, in Zukunft fünf Prozent des Bruttoinlandprodukts für militärische Zwecke auszugeben. Unter Gesichtspunkten der Sicherheit ist dieses Vorhaben allerdings jeden Euro wert!

US-Präsidenten haben schon lange von Europa gefordert, ihre eigene Sicherheit und Freiheit stärker selbst zu verteidigen und entsprechend in ihr Militär zu investieren. Passiert ist das aber nie. Trump wird sich nun damit brüsten, dass er es war, der die Europäer endlich über die Hürde gezwungen hat. Bestärkt wurde er in dem Glauben auch von NATO-Generalsekretär Mark Rutte, der ihm vor dem Treffen in Den Haag eine unterwürfig-schleimige SMS schickte (die Trump sofort veröffentlichte), in der er ihn für sein Handeln im Iran lobpreiste und ankündigte: „Europa wird zahlen“.

Merz: „Es geht nicht darum, jemandem zu gefallen“

Die europäischen Staats- und Regierungschefs versuchten den Beschluss mit einem etwas geraderen Rücken zu verkaufen als Rutte: Man gebe nicht mehr Geld aus, um „irgendjemandem zu gefallen“, erklärte beispielsweise der deutsche Kanzler, sondern „aus eigener Einsicht“. Die Europäer wissen inzwischen, dass sie im Ernstfall ihre Sicherheit nicht effektiv ohne die USA verteidigen können. Und dass sie wohl auch die Ukraine ohne die Fähigkeiten des amerikanischen Militärs und der US-Geheimdienste vorerst nicht über Wasser halten könnten.

Um Trump das Gefühl zu geben, er habe sich mit seiner Fünf-Prozent-Forderung durchgesetzt (die die USA selbst nicht erfüllen), haben die Europäer sogar etwas getrickst: Tatsächlich soll nur 3,5 Prozent ihres Bruttoinlandprodukts in neue Waffensysteme fließen. Die fehlenden 1,5 Prozent sollen in Infrastruktur investiert werden. Schließlich nutzt der schönste Panzer nichts, wenn er nicht über strategisch wichtige Brücken fahren kann, weil diese marode ist. Derlei Taschenspielertricks scheinen Trump nicht weiter zu stören – er nutzt sie selbst ausgiebig.

Europa muss seine Fähigkeitslücken schließen

Die 3,5 Prozent entsprechen ziemlich genau der Größenordnung, die im NATO-Hauptquartier als notwendig erachtet werden, um die militärischen Fähigkeitslücken der Europäer in den kommenden Jahren zu schließen. Allerdings wollen nicht alle EU-Länder bei der Aufrüstung mitmachen. Spanien und Belgien meldeten Bedenken an. Dabei dürften zwei Faktoren eine Rolle spielen: Für viele Volkswirtschaften in Europa ist es nicht so einfach wie für die Deutsche,

Die 3,5 Prozent entsprechen ziemlich genau der Größenordnung, die im NATO-Hauptquartier als notwendig erachtet wird, um die militärischen Fähigkeitslücken der Europäer (vor allem bei der Luftverteidigung) in den kommenden Jahren zu schließen. Allerdings wollen nicht alle EU-Länder bei der Aufrüstung mitmachen. Spanien und Belgien meldeten Bedenken an. Dabei dürften zwei Faktoren eine Rolle spielen: Für viele Volkswirtschaften in Europa ist es nicht so einfach wie für die deutsche, mal eben mehr Geld für Rüstung auszugeben. Und natürlich spielt auch die Geografie eine Rolle: In Polen und dem Baltikum denkt man über die Abschreckung von Wladimir Putins Russland anders nach als in Spanien.

Deutschland soll das neue Nato-Ziel 2029 erreichen

Die Bundesregierung will allerdings keine Abstriche machen: Aus dem gerade im Kabinett verabschiedeten Haushaltsentwurf geht hervor, dass Deutschland bereits im Jahr 2029 die 3,5 Prozent erreichen will. Konkret bedeutet dies: Schon in diesem Jahr steigt der Haushalt für die Bundeswehr (ohne Sondervermögen) auf 62,4 Milliarden Euro.

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Doch einfach nur Geld zur Verfügung zu stellen genügt nicht. Es braucht auch eine gute Industriepolitik und Menschen, die ihr Land und das Bündnis im Ernstfall verteidigen. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) bringt gerade ein Wehrdienstgesetz auf den Weg, das auch die Möglichkeit eines verpflichtenden Wehrdienstes beinhaltet. Deutschland soll mittelfristig 60.000 zusätzliche Soldaten stellen. Auf freiwilliger Basis wird das schwierig.

Ein neuer Realismus auf dem Kontinent

In der Rüstungspolitik achten die Europäer bisher eifersüchtig auf ihre eigenen Interessen. Man kämpft um Aufträge für die eigene Rüstungsindustrie – das macht die Prozesse teuer und langsam. Die Europäer haben untereinander also noch einiges zu bereden.

Trotzdem kann man insgesamt einen neuen Realismus auf dem alten Kontinent ausmachen. Das ist gut, denn die USA dürften sich schon bald verstärkt China zuwenden. Dann muss Europa seine Angelegenheiten selbst regeln können. Die europäischen Politiker wären allerdings gut beraten, ihren Weg in der NATO der Bevölkerung noch besser zu erklären. Denn die Sache ist vertrackt: Der Maßstab für einen Erfolg europäischer Aufrüstungspolitik ist ein „Nicht-Ereignis“ – Russland dauerhaft von einem Angriff auf NATO-Mitglieder abzuschrecken.

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