CDU wittert Faulheit: Mehr arbeiten? Das lohnt sich meist kaum!
Gefühlt kann man keine Talk-Sendung mehr ansehen, ohne dass nicht irgendwann ein Unions-Politiker erklärt, die Deutschen müssten wieder mehr arbeiten. Kanzler Friedrich Merz (CDU) hat das Thema bereits in seiner ersten Regierungserklärung aufgegriffen. Es hat auch einen realen Kern. Doch statt mit hochtrabenden Appellen daherzukommen, sollte die Politik lieber die richtigen Anreize setzen.
„Mit der Viertagewoche und Work-Life-Balance werden wir den Wohlstand dieses Landes nicht erhalten können“, sagt Merz immer wieder. Bekanntlich geht es der deutschen Wirtschaft nicht sonderlich gut. Die „Wirtschaftsweisen“ haben die Wachstumsprognose für das laufende Jahr gerade auf null gesenkt. Die allermeisten Ökonomen sind sich auch einig: Würde mehr gearbeitet, würde es auch wieder ein stärkeres Wachstum geben.
Die Deutschen arbeiten tatsächlich relativ wenig
Laut Europäischer Statistikbehörde arbeiten die Deutschen mit durchschnittlich 34,8 Stunden in der Woche in Europa am drittwenigsten. Nur in Dänemark (33,5) und den Niederlanden (31,6) wird noch weniger gearbeitet. Natürlich sagt dies nichts über die durchschnittliche Effizienz einer Arbeitsstunde aus. Am meisten arbeiten offiziell die Griechen mit 41 Stunden in der Woche.
Der Grund für die vergleichsweise niedrige Wochenarbeitszeit ist die hohe Teilzeit-Quote. Hierzulande arbeiten doppelt so viele Frauen in Teilzeit wie im EU-Durchschnitt. Der Grund liegt auf der Hand: Die Kinderbetreuung ist in Deutschland noch immer unterentwickelt.
Bei Mehrarbeit bleiben netto oft nur Kleckerbeträge übrig
Und es gibt noch ein weiteres politisches Versäumnis: Vor allem für kleinere und mittlere Einkommen rechnet sich Mehrarbeit meistens gar nicht – vor allem in Städten mit hohen Mieten wie Hamburg. Laut Clemens Fuest, Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts ifo, bleibt beispielsweise einer Familie mit zwei Kindern bei einem Sprung von 3000 auf 5000 Euro brutto im Monat netto manchmal nicht mehr als 32 Euro übrig. Grund: Es werden nicht nur mehr Steuern und Sozialabgaben fällig, sondern gleichzeitig können bei Lohnsteigerungen auch staatliche Transferleistungen wie Wohngeld komplett entfallen. Die meisten Menschen verstehen das sehr genau. Umfragen zum Thema zeigen immer wieder, dass Arbeitnehmer davon ausgehen, dass von ihrer Mehrarbeit vor allem die Unternehmen profitieren würden, die ihre Gewinne steigern können – bei ihnen selbst aber wenig hängen bleibt.
Trotzdem reift wohl insgesamt die Erkenntnis, dass weniger arbeiten in der jetzigen kritischen wirtschaftlichen Lage auch keine Lösung ist. So hat beispielsweise die Gewerkschaft IG Metall ihre langjährige Forderung nach einer Viertagewoche bei vollem Lohnausgleich inzwischen offiziell fallen lassen.
Rentner sollen steuerfrei arbeiten dürfen
Die schwarz-rote Bundesregierung hat zwei zentrale Vorhaben zum Thema Arbeitszeit angekündigt: Zum einen soll es künftig eine wöchentliche statt einer täglichen Höchstarbeitszeit geben. Diese Flexibilisierung soll denn Unternehmen helfen. In Umfragen erfreut sich das Projekt einer gewissen Beliebtheit: Viele Arbeitnehmer spekulieren wohl auf eine Art verlängertes Wochenende, wenn freitags weniger gearbeitet wird, dafür an anderen Wochentagen mehr.
Ab 2026 sollen Rentner zudem bis zu 2000 Euro pro Monat steuerfrei dazuverdienen dürfen. Die Hoffnung: Vor allem heiß begehrte Fachkräfte arbeiten in irgendeiner Form nach dem offiziellen Renteneintritt weiter.
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Man muss aber wohl kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass dies nicht das Ende der Diskussion sein wird. Über die Streichung eines Feiertags wird beispielsweise weiter geredet. Solange es aber keine bessere Kinderbetreuung oder weitere Anreize im Steuersystem gibt, wird Merz’ Forderung nach mehr Ärmelhochkrempeln wohl ein frommer Wunsch bleiben.
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