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  • Statt ihrer Klasse sahen die Kinder plötzlich Pornos.
  • Foto: picture alliance/dpa

Mehrere Fälle: Distanz-Unterricht gehackt – Grundschüler sehen Pornos

Berlin/Mainburg/Florsbach –

Eigentlich sollten sie per Videokonferenz Unterricht machen. Doch der Distanzunterricht von Grundschülern in mehreren Orten wurde gehackt – und statt Mathe und Deutsch gab es auf einmal Pornografie auf dem Bildschirm.

Im niederbayerischen Mainburg bekam eine Achtjährige während des Online-Unterrichts plötzlich Bilder eines nackten Mannes angezeigt. Im hessischen Florstadt zeigte ein Unbekannter einer zweiten Klasse Pornografie. Und in Berlin sahen Drittklässler minutenlang einen Porno.

Folgen für Kinder sind gravierend

Zwar sind solche Fälle noch selten, doch Experten sind besorgt. Denn die Folgen für die Kinder sind gravierend. „Egal, wie aufgeschlossen ein Kind erzogen ist, es ist für jedes Kind eine Schocksituation, wenn es im Schonraum Schule, im Schonraum Distanzunterricht, im Schonraum der Gruppe, die es kennt, plötzlich eine solche Begegnung hat“, sagt die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands, Simone Fleischmann. „Das ist eine neue Gefahr für den Unterricht.“

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Thomas G. Rüdiger, Kriminologe von der Polizeihochschule Brandenburg, geht noch einen Schritt weiter: „So viele Kinder kommen gerade jetzt in der Corona-Situation erstmals ins Netz. Die sollen jetzt alle irgendwelche E-Learning-Video-Geschichten machen, oder die Eltern setzen sie vor Endgeräte, um im Homeoffice in Ruhe arbeiten zu können. Aber wenn man die Kinder ins Netz lässt – das ist ein globaler Interaktionsraum ohne Grenzen – kann ihnen das überall passieren, dass sie mit übergriffigen Inhalten konfrontiert werden.“

Einstellungen werden nicht richtig vorgenommen

„Das ist kein Thema nur im Zusammenhang mit Schule“, bilanziert Rüdiger deshalb – und sieht dennoch die Lösung des Problems auch im Bildungssystem. „Wir haben in ganz Deutschland noch immer nicht verpflichtend Medienkompetenz ab der ersten Klasse, und das fällt uns jetzt auf die Füße.“ Zudem müssten die Eltern unbedingt mit ihren Kindern über die Gefahren reden. Der Polizei sind Fälle von gesprengten Videokonferenzen durchaus bekannt, ähnliches habe es schon beim ersten Lockdown gegeben, sagt etwa Ludwig Waldinger vom Bayerischen Landeskriminalamt. „Es kommt vereinzelt vor.“ Oft liege das Problem daran, dass die Einstellungen nicht richtig vorgenommen wurden und der Chat darum öffentlich war. „Die wollen ja nicht immer etwas Böses. Manchmal schaut da einer rein und geht dann wieder raus.“

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„Das ist schon ein neues Phänomen“, urteilt Christian Schorr von der Zentralstelle Cybercrime Bayern. Bei gesprengten Videokonferenzen generell seien es häufig Täter aus dem Umfeld der Betroffenen, im Schulumfeld oft auch andere Kids, die sich schlicht einen schlechten Scherz erlaubten. „Aber wenn Kinder mit sexuellen Inhalten konfrontiert sind, ist man gleich bei einem deutlich schwereren Tatvorwurf, das ist sexueller Missbrauch.“ Ob man den Täter erwische, „hängt davon ab, was an Logs, an Zugriffsdateien vorhanden ist“, erläutert Schorr. „Ob die einzelne Plattform mitschneidet, von wo dieser Zugriff kam.“

Flickenteppich bei Videokonferenz-Tools

Das Problem: Gerade bei den Videokonferenz-Tools herrscht in Deutschlands Schulen ein absoluter Flickenteppich. Vielerorts haben die Schulen oder einzelne Lehrer zu Beginn der Pandemie für den plötzlich über sie hereinbrechenden Distanzunterricht auf individuell gewählte Lösungen zurückgegriffen – und nicht bei allen ist die Datensicherheit gewährleistet. „Bei vielen Tools, die die Schulen nutzen, reicht es, wenn man den Link kennt“, berichtet Schorr. „Wenn man dann mit einem einfachen Klick in den Chat gelangt, ist natürlich die Versuchung, harmlosen oder nicht harmlosen Unfug zu treiben, gravierend.“

Lehrerverbände fordern geschützte Plattformen 

Lehrerverbände fordern deshalb schon seit längerem vehement, datenschutzkonforme, rechtssichere und gut geschützte Plattformen von den Kultusministerien zur Verfügung gestellt zu bekommen. Martin Löwe vom Bayerischen Elternverband will wegen des persönlichen Kontakts zwischen Kindern und Lehrkräften dennoch nicht auf Videokonferenzen im Distanzunterricht verzichten. „Die Gefahren des Distanzunterrichts sehen wir eher woanders“, betont er. „Nämlich darin, dass Schüler nicht adäquat beschult werden, weil sie nicht teilnehmen können aufgrund technischer Rahmenbedingungen.“ (dpa/wb)
 

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