x
x
x
  • Finanzminister Olaf Scholz (SPD) musste am Donnerstag vor dem Untersuchungsausschuss aussagen.
  • Foto: dpa

Krimi um das Milliarden-Desaster: Olaf Scholz zu Wirecard: Nicht meine Schuld

Nicht vorhandene Milliarden, Lobbyisten, Geheimdienste, ein Drahtzieher auf der Flucht: Die Aufarbeitung des Mega-Finanzskandals rund um das Unternehmen Wirecard geht weiter – längst steht auch Finanzminister Olaf Scholz unter Druck. Er wies am Donnerstag im Untersuchungsausschuss alle Verantwortung von sich.

Es ist die Woche der Politik-Promis im Kreuzverhör: Am Donnerstag musste sich Olaf Scholz (SPD) dem Untersuchungsausschuss stellen, am Freitag kommt die Kanzlerin, zuvor waren schon Wirtschaftsminister Peter Altmaier und Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) da.

Es geht um einen der größten Finanzskandale, den Deutschland je gesehen hat, und um die Frage, welche Verantwortung dabei führende Politiker trugen, dass ein Unternehmen jahrelang Prüfungsbehörden und Öffentlichkeit täuschen konnte und hofiert wurde.

Wirecard – was hätte verhindert werden können?

Es ist auch eine Geschichte, die zeigt, wie eng mitunter Verflechtungen von Politik und Wirtschaft sein können – und wie sehr das schiefgehen kann. In den Rollen sind lobbyierende Ex-Politiker, staatliche Finanzprüfungsstellen, deren Mitarbeiter mit Aktien von Unternehmen handeln, die sie eigentlich überprüfen sollen, windige Wirtschaftsbosse und sogar Geheimdienste finden Erwähnung.

Das Unternehmen Wirecard, um das sich der Skandal entfaltet, galt in Deutschland lange Zeit als das große Zukunftsversprechen. Die Politik war stolz darauf, dass ein Unternehmen aus dem eigenen Land sich in der Digital-Branche durchsetzen konnte. Der Zahlungsdienstleister legte einen kometenhaften Aufstieg hin, landete 2018 im DAX und war zwischenzeitlich mehr wert als die Deutsche Bank. Doch es gab schon in der Vergangenheit immer wieder Hinweise darauf, dass bei Wirecard nicht alles sauber war.

Journalisten berichten über Auffälligkeiten – Anzeige

Die „Financial Times“ berichtete seit 2015 über mögliche Unstimmigkeiten bei den Bilanzen des Unternehmens. Doch die Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), die dem Finanzministerium unterstellt ist, nahm die Journalisten daraufhin wegen Marktmanipulation und irreführender Angaben in der Finanzberichterstattung ins Visier – später gab es sogar eine Anzeige. Ebenfalls ist heute bekannt, dass Mitarbeiter der BaFin selbst mit Wirecard-Aktien handelten, was zwar nicht illegal ist, aber Fragen aufwirft.

Ermittelt wurde aber in alle Richtungen, auch Verantwortliche von Wirecard waren nicht ausgenommen.

Olaf Scholz wusste von Ermittlungen – Kanzlerin setzte sich für Wirecard ein

Am 19. Februar 2019 wurde dann Finanzminister Olaf Scholz darüber informiert, dass die BaFin wegen Marktmanipulation rund um Wirecard ermittelt und die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) die Bilanzen des Unternehmens genau unter die Lupe nimmt. Trotzdem setzte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel noch im Herbst 2019 auf einer Reise nach China für Wirecard ein, das in dem Land expandieren wollte. Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hatte vorher im Kanzleramt reichlich für das Unternehmen lobbyiert.

2020 wendete sich dann das Blatt für das Unternehmen endgültig. Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young  verweigerten Wirecard am 18. Juni das Testat für die Bilanz von 2019, weil das Unternehmen unter anderem 1,9 Milliarden Euro in seiner Bilanzsumme auswies – aber nirgends belegen konnte, dass das Geld überhaupt existierte. Es kam zu Panikverkäufen an der Börse – das Unternehmen verlor in nur sieben Tagen 90 Prozent seines Werts und vermeldete Insolvenz, Kleinanleger traf es hart.

Wirecard-Boss Markus Braun trat zurück, das Unternehmen räumte ein, dass die 1,9 Milliarden Euro „mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht bestehen“. Braun wurde festgenommen, im Visier der Fahnder ist seitdem auch seine rechte Hand Jan Marsalek, der als Drahtzieher gilt – doch der ist untergetaucht. Laut verschiedenen Medienberichten pflegte Marsalek Kontakte zum österreichischen und russischen Geheimdienst. Er wurde bereits in Belarus, Russland und auf den Philippinen vermutet und wird mit internationalem Haftbefehl gesucht.

Finanzminister Olaf Scholz weiß vermutlich auch nicht, wo sich Marsalek derzeit aufhält. Dafür wollte die Opposition dann am Donnerstag von ihm wissen, was er sonst so alles über den Wirecard-Komplex wusste und welche Verantwortung er beim Versagen der BaFin trägt. Doch der SPD-Kanzlerkandidat wies alle Kritik zurück. „Die Verantwortung für den groß angelegten Betrug trägt nicht die Bundesregierung“, sagte er, auch er persönlich trage keine Verantwortung dafür, dass der Skandal nicht früher aufgefallen sei. Auch die ihm unterstellte BaFin nahm er in Schutz. Es sei ein „absurdes Märchen“, dass die BaFin oder das Bundesfinanzministerium ihre schützende Hand über das Unternehmen gehalten hätten. Allerdings will er die Behörde neu aufstellen, der ehemalige Chef musste bereits gehen.

Das könnte Sie auch interessieren:  Der Wirecard-Krimi – oder: die verschwundenen Milliarden

Die Opposition ist unzufrieden mit dem Auftritt des Finanzministers. Sie warf Scholz mangelnde Transparenz vor. Grünen-Obmann Danyal Bayaz sagte, das Finanzministerium versuche, seine Rolle unter den Teppich zu kehren. FDP-Obmann Florian Toncar bemängelte, Scholz sei seiner Aufgabe nicht so gerecht geworden, wie es gut gewesen wäre. Unions-Obmann Matthias Hauer erhob den Vorwurf, das Ministerium habe beim Versagen von Behörden im Fall Wirecard weggeschaut. Der Finanzminister müsse die politische Verantwortung für den Bilanzskandal mit Milliardenschaden für viele Kleinanleger übernehmen. (fkm)

Email
Share on facebook
Share on twitter
Share on whatsapp