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  • Bundeskanzlerin Angela Merkel (2.v.r., CDU) kommt zusammen mit Olaf Scholz (l, SPD), Bundesfinanzminister, Markus Söder (r, CSU), Ministerpräsident von Bayern, und Peter Tschentscher (M, SPD), Erster Bürgermeister von Hamburg.
  • Foto: picture alliance/dpa

Kommentar: Gegen die Ministerpräsidenten hat Merkel keine Chance

Berlin –

Bundeskanzlerin Merkel hat sich bemüht, in dieser Krise die Kontrolle zu behalten. Doch statt einheitlichem Vorgehen geht es nun wild durcheinander in den Bundesländern. Gegen das Selbstbewusstsein der Ministerpräsidenten kommt Merkel nicht an. Ein Kommentar.

Es ist nur ein Wort, aber dieses Wort zeigt, wie auch die Kanzlerin in dieser Krise mal die Geduld verliert. Keine „Öffnungsdiskussionsorgie” dürfe es geben, hat Angela Merkel in einer Schaltkonferenz des CDU-Präsidiums gewarnt.

Es war der Ausdruck maximaler Genervtheit einer sonst so meist in sich ruhenden Politikerin und gleichzeitig das Bemühen, eine Debatte unter Kontrolle zu bekommen, in der in den vergangenen Tagen die Bundesländer so munter durcheinander purzelten: Maskenpflicht in Bayern und Sachsen versus Zooöffnungen in Brandenburg und offene Möbelläden in Nordrhein-Westfalen. Beerdigungen in etwas größerem Rahmen hier, offene Mussen anderswo. Und dazu kam ein kunterbuntes Datumskarussell bei den Schulen.

Eigentlich hatte man am vergangenen Mittwoch ein einheitliches Vorgehen vereinbart. Davon blieb nur eine Ahnung – die Ministerpräsidenten warfen sich das Päckchen mit dem Kanzlerinnenaufkleber „zerbrechlicher Erfolg” zu wie einen Ball.

Corona-Krise: Angela Merkel setzt auf Einsicht statt auf Gehorsam

Es reicht, bedeutete nun die Kanzlerin intern. Es ist ein flapsiges Basta – und ein einigermaßen hilfloses gleichermaßen. Das zeigt die mitgelieferte Warnung vor einem allgemeinen Shutdown bei wieder steigenden Infektionszahlen.

Merkel setzt auf Einsicht statt auf Gehorsam. Es ist in dieser Lage auch das einzige, was ihr zu tun bleibt.

Denn die Kanzlerin kann ja auch nur warnen, vor der Unberechenbarkeit des Virus und dessen Rückkehr. Drohen kann sie nicht, zumindest nicht mit persönlichen Konsequenzen. Ihren Rückzug hat sie ja bereits angekündigt. Und sie wird nicht beleidigt den Kanzlersessel räumen, nicht mitten in einer Krise, schon gar nicht vor der Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft.

Merkel hat sich bemüht, in dieser Krise, die möglicherweise ihre letzte sein wird als Kanzlerin, die Kontrolle zu behalten. Sie setzte auf Präsenz, mit häufigen Pressekonferenzen und einer Fernsehansprache. Selbst aus der Quarantäne zu Hause verzichtete sie nicht darauf, die Ansagen zu machen – bei allen technischen Umständlichkeiten. Sie verwies auf Experten, sie rechnete Ansteckungsraten persönlich vor.

Corona-Regelungen: Unübersichtlichkeit liegt am Föderalismus

Die Unübersichtlichkeit der Lage liegt nicht vornehmlich an Merkel, sondern am Föderalismus. Die Lage ist deutlich anders als in der Euro-, der Finanz- oder der Flüchtlingskrise. Der Bund kann Milliarden-Finanzhilfen bereitstellen – was er auch getan hat. Für den Katastrophenschutz, für die Krankenhausplanung, für die Schulpolitik sind die Länder zuständig. Der Bund kann da nur versuchen, zu koordinieren und zu einen.

Die Entscheidung aber bleibt bei den Ländern. Gegen das Selbstbewusstsein der Ministerpräsidenten, das zuweilen auch in Eitelkeit und Selbstgefälligkeit abdriftet, kommt Merkel nicht an – umso weniger, als die Krisenbewältigung gleichzeitig ein Wettstreit um ihre Nachfolge geworden ist.

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Es gehört zu den Besonderheiten der Lage, dass Merkel in dieser Krise ausgerechnet mit dem auf einer Wellenlänge scheint, der lange einer ihrer ärgsten Widersacher war. Und dass der lockerungsaffine Armin Laschet für sie nur noch „der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen ist”, den es halt auch noch gibt.

Stünde am Samstag wie ursprünglich geplant der CDU-Sonderparteitag an, auf dem über den neuen CDU-Vorsitzenden hätte entschieden werden sollen, gäbe es nun wohl die Debatte, ob im Duo Laschet/Jens Spahn nicht doch lieber der Bundesgesundheitsminister die Hauptrolle übernehmen sollte.

Länder wie Spanien und Italien brauchen dringend Finanzhilfen

Alle das allerdings rückt in den Hintergrund, wenn der Blick sich etwas über die Grenzen hinweghebt, auch wenn die nun zum ersten Mal seit Langem wieder kontrolliert werden. Wenn die EU schwankt, werden Fragen wie Öffnungszeiten von Zoos und Baumärkten zwischen Garmisch-Partenkirchen und Kiel zu einer Nebensache, und sei sie noch so ärgerlich.

Besonders von Corona gebeutelte Länder wie Italien und Spanien brauchen dringend Finanzhilfen. Beide Seiten, auch die potenziellen Geberländer wie Deutschland, versteifen sich auf ihre Vorstellung. Der zentrale Beleg für die Führungsfähigkeit und die Umsicht der Kanzlerin wird die Frage sein, ob das ohnehin fragile Europa an Corona zerbricht. (RND)

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