• Sängerin Lilly Allen spricht offen über Missbrauchserfahrungen.
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Immer mehr Fälle werden bekannt: Das nächste große „MeToo“-Beben

London –

Ausgelöst durch US-Schauspielerinnen rollte die „MeToo“-Bewegung 2017 wie eine Welle durch die Welt und machte sexuelle Übergriffe und Machtmissbrauch einflussreicher Männern sichtbar. Jetzt könnte die Bewegung neue Fahrt aufnehmen: In der britischen Musikindustrie häufen sich die Anschuldigungen – Medien sprechen von einer „tickenden Zeitbombe“.

Schwere Fälle von Mobbing und missbräuchlichem Verhalten, die „erschütternd“ sein sollen: Immer mehr Frauen werfen mächtigen Männern in Großbritannien massives Fehlverhalten vor. Die Täter: angeblich Top-Führungskräfte der besten britischen Plattenlabels. Die Opfer: bekannte Künstlerinnen und Mitarbeiterinnen der Branche, berichtet die „Daily Mail“. Das Blatt zitiert eine nicht näher genannte Quelle, wonach der Skandal „eine tickende Zeitbombe“ sei.

Künstlerinnen berichten von Mobbing und Missbrauch

Ein aktueller Fall: Die britische Sängerin Rebecca Ferguson, die 2010 Zweitplatzierte der Castingshow „X-Faktor“ wurde und seitdem als erfolgreiche Solokünstlerin unterwegs ist, soll Anfang Mai Vorwürfe der Belästigung und Zwangskontrolle gegen eine hochrangigen Mann aus der Musikindustrie bei der Polizei gemeldet haben. Zu den Vorfällen soll es nach „X-Faktor“ gekommen sein, als sie dabei war, ihre Karriere aufzubauen.

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Das Thema sexuelle Gewalt und Machtmissbrauch in der Musikindustrie, speziell auch in der britischen, ist nicht neu: Der britische Sender BBC brachte bereits im Januar die umfassende Dokumentation „Music’s Dirty Secrets: Women Fights Back“ heraus, in der zahlreiche Frauen davon erzählen, wie sie angegriffen wurden – von anderen Künstlern, Managern oder Produzenten. Unter anderem kommt hier auch die Ex-Freundin des UK-Rappers Octavian zu Wort, die davon berichtet, dass man ihr Schweigegeld angeboten habe, damit sie über den mutmaßlichen Missbrauch innerhalb der Beziehung nicht öffentlich spricht.

Viele Opfer trauen sich nicht über Erfahrung zu sprechen

Eine Umfrage der Musicians Union fand 2019 heraus, dass neun von zehn Menschen, die sexuellen Missbrauch in der Musikindustrie erfahren haben, nicht darüber gesprochen oder gar zur Polizei gegangen sind. Die Angst davor, nie wieder einen Job in der Branche zu kriegen oder – noch schlimmer – erst gar nicht als glaubhaft zu wirken, schrecke sie ab.

Anwältin Gloria Allred, die unter anderem Opfer von R. Kelly, Harvey Weinstein und Jeffrey Epstein vertritt, sagte zur BBC, dass, solange die Machtdynamik zwischen Männern und Frauen in der Branche anhalte, sich das „räuberische Verhalten“ fortsetzen werde.

Lilly Allen will in nächstem Album Männernamen nennen

Am eigenen Leib hat das auch Sängerin Lilly Allen erlebt, die schon länger öffentlich über ihre Missbrauchserfahrungen spricht. In ihrer 2018 erschienenen Biografie „My Thoughts exactly“ beschreibt sie, wie sie von einem einflussreichen Mann aus der Musikindustrie in einem Hotel missbraucht wurde. Doch bei einem Buch wird es nicht bleiben: Auf dem neuen Album der 36-Jährigen soll jeder Titel den Vornamen eines Mannes aus der Musikindustrie tragen, der sie missbraucht oder schlecht behandelt haben soll.

Dass sowohl Allens Album als auch Fergusons Gang zur Polizei noch mehr Frauen in Großbritannien dazu ermutigten könnte, über Missbrauch in der Musikindustrie zu sprechen, gilt als wahrscheinlich. Wie ein Insider der „Daily Mail“ sagt, sollen bereits Krisengespräche stattgefunden haben, um zu erörtern, wie mit den Auswirkungen eines möglichen „MeToo“-Skandals in der Branche umgegangen werden kann. (alp)

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