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  • Hunderte Menschen demonstrierten Ende August in den USA gegen Polizeigewalt.
  • Foto: imago images

Gewalt und Rassismus: US-Ausbilderin: „Viele Polizisten haben eine kurze Zündschnur“

Rodney King, Michael Brown, George Floyd – drei Namen, drei Jahrzehnte, drei Opfer. Alle von Polizisten brutal traktierte oder getötete Schwarze. Doch sie sind nur einige von vielen. Hunderte sterben jährlich in den USA durch die Hände und Waffen von Polizisten, 2019 waren es sogar 1001. Die meisten von ihnen sind dunkelhäutig. US-Polizei-Ausbilderin Maria Haberfeld (63) spricht im MOPO-Interview über Fehler im System.

„Wir haben definitiv das dezentralisierteste Polizei-System auf der gesamten Erde“, sagt Haberfeld. Die US-Amerikanerin ist Professorin am John Jay College of Criminal Justice in New York – der renommiertesten Polizei-Akademie des Landes. „Fast 18 000 Dienststellen, und alle haben unterschiedliche Standards – das ist der Ursprung allen Übels.“

In manchen Staaten dauert die Ausbildung nur zehn Wochen

Als Grund sieht Haberfeld die Entstehungsgeschichte der Vereinigten Staaten, als jeder Bundesstaat für sich alleine stehen wollte. Also auch deren Polizei – mit eigenen Gesetzen.

Maria Haberfeld ist Professorin am John Jay College of Criminal Justice in New York.

Maria Haberfeld ist Professorin am John Jay College of Criminal Justice in New York.

Foto:

Privat/Hfr

Weiterer System-Fehler nach Haberfelds Ansicht: Die oberflächliche Ausbildung. Denn während in Deutschland Bewerber einen guten Schulabschluss benötigen, und dann entweder drei Jahre Ausbildung oder Studium vor sich haben, bevor sie in den Dienst gelassen werden, können in manchen Staaten der USA Schul-Abbrecher in nur zehn Wochen Polizisten werden. Mit Pistole und Schlagstock, Blaulicht und Streifenwagen. Also mit allen Befugnissen.

„Sie sind einfach nicht gut ausgebildet, die Lehrinhalte sind mangelhaft. Man darf auch nicht vergessen, dass amerikanische Polizisten viel häufiger mit bewaffneten Menschen und schweren, brutalen Verbrechen zu tun haben. Das hat einen Einfluss auf deren Verhalten“, so die 63-Jährige.

Oft bewerben sich Menschen ohne Perspektive und Ex-Soldaten

Oft, so sieht es auch Haberfeld, sind die Bewerber Menschen ohne große Perspektive oder etwa Armee-Abgänger. Menschen mit Wut über ihre eigene Hilflosigkeit, die die Autorität der Dienstmarke als Ventil zum Entladen der Wut sehen. Sie verleiht ihnen plötzlich große Macht. Viele können damit nicht umgehen.

Außerdem sagt Haberfeld: „Die meisten US-Polizisten sind nicht gut genug in der Kommunikation ausgebildet. In vielen Dienststellen beträgt der Anteil der Ausbildung, der sich mit Kommunikation befasst, unter ein Prozent. Der Weg von verbaler zu physischer Gewalt in der Polizeitaktik ist gewöhnlich sehr kurz. Viele haben eine kurze Zündschnur.“

„Die amerikanische Gesellschaft ist geprägt von Rassismus“

Dass die amerikanische Polizei mit Rassismus in den eigenen Reihen zu kämpfen hat, sei nicht abzustreiten, so Haberfeld. „Die amerikanische Gesellschaft ist geprägt von Rassismus und es wäre leichtsinnig zu sagen, dass das keinen Einfluss auf die Polizei hätte.“ Ein unlösbares Problem, also? „Nein“, betont sie. „Man muss es nur richtig angehen.“

Die Politik, die landesweite sowie die lokale, müsse endlich Geld in die Hand nehmen, um die Ausbildungen zu vereinheitlichen und zu verbessern. Rassismus entstehe oft, weil Menschen weniger tolerant seien. „Oft Menschen mit weniger Bildung“, so Haberfeld.

„Wir müssen unsere Bewerber besser selektieren“

Am allerwichtigsten: „Die Mittel dürfen nicht weiter gekürzt werden. Auch mehr Einstellungen, um die Truppenstärke zu erhöhen, bringen nichts. Wir müssen unsere Bewerber besser selektieren, sie für den Beruf sensibilisieren. Auch im Umgang mit Menschen und Waffen.“

Gutes Beispiel: die New Yorker Polizei, für die Haberfeld auch zuständig ist. „Viele meiner Studenten gehören Minderheiten an und haben einen Migrationshintergrund. Wir fordern von unseren Bewerbern mehrjährige Uni-Erfahrung, und die Ausbildung dauert mehr als ein halbes Jahr.“ Dazu lege man das Augenmerk verstärkt auf Kommunikation und Deeskalation.

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Die Professorin sieht übrigens die kürzlich in Washington vorgeschlagene Reform, die vorsieht, eine Datenbank für polizeiliches Fehlverhalten einzuführen und Entschädigungen für Opfer zu erleichtern, als falschen Ansatz, weil es Haberfelds Meinung nach dem  Problem nicht gerecht wird.   „Ein Vorschlag von Leuten, die die Polizei-Arbeit nicht verstehen“, sagt sie. Nötiger seien einheitliche Standards für Ausrüstung, für die Auswahl der Kandidaten – und für die Ausbildung. “

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