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  • Kai Wiesinger ist einer der populärsten Schauspieler Deutschland. Mit unserem Reporter sprach er übers Altern, Arztbesuche, peinliche Filme und Medienabstinenz.

Ganz ehrlich: Deutscher Schauspiel-Star: „Ich habe auch mal Mist gedreht”

Köln –

Einer der populärsten Schauspieler Deutschlands – und einer, der immer Neues wagt: Kai Wiesinger (53) mischt mit in großen deutschen und internationalen Filmproduktionen, gibt in der Serie „Der Lack ist ab“ (bei Amazon Prime) den Blick auf seine eigene Beziehung (mit Schauspielerin Bettina Zimmermannn, 43) frei und hat jetzt ein Buch veröffentlicht, in dem er die Probleme eines Mannes in den besten Jahren – also seine eigenen – offenlegt.

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Kai Wiesinger und Reporter Horst Stellmacher.

Foto:

Peter Rakoczy

Wann haben Sie gemerkt, dass bei Ihnen der Lack auch angekratzt ist, so wie es ihr Buchtitel nahelegt?
Kai Wiesinger:
Bei mir war es die Lesebrille, wie fast bei jedem in der Mitte seines Lebens. Ich hatte mir eine teure Gleitsichtbrille besorgt, merkte aber, dass es für einen Anfänger schwer ist, sich daran zu gewöhnen. Also beschaffte ich mir eine Billigbrille aus einer Drogerie, damit waren plötzlich alle Buchstaben gestochen scharf. Dafür sagten mir alle, eine billige Brille würde meinen Augen Schaden zufügen.

Hätte Ihnen da ein Buch wie Ihres geholfen?
Ganz sicher. Da zeige ich einen Test, mit dessen Hilfe man innerhalb von zwei Sekunden feststellen kann, ob die billige Brille gut für einen ist oder nicht.

Klingt nicht wie ein Riesenproblem…
Es geht mir vor allem um andere Dinge. Hätte ich so ein Buch mit 40 gehabt, wäre mir manch peinlicher Gang erspart geblieben. Denn ab dem Alter gibt es Veränderungen und Herausforderungen im Leben eines Mannes, die ihn – wenn überhaupt – nur schambelastet zum Arzt treiben. Vieles schieben Männer lieber vor sich her. Sie machen sich was vor, was sie später eventuell bereuen. Hätte ich gewusst, was bei Vorsorgeuntersuchungen passiert, welche Abführmittel ich warum brauche, hätte ich Prostata-Untersuchung und Darm-Spiegelung viel früher machen lassen.

Sie schreiben auch über die erlöschenden Leidenschaften im Leben eines Mannes, nachlassende Sex-Freuden und wenig erfreuliche Beschwerden unterhalb der Gürtellinie. Keine Probleme damit?
Nein. Ich spreche ja nicht immer von mir, sondern über Themen, die uns alle angehen. Nach meiner Schulzeit war ich als Zivi zwei Jahre im Rettungsdienst. Es war mein absoluter Lebensinhalt, ich wäre sehr, sehr gerne Arzt geworden. Ich habe viele schlimme Situationen erlebt, die kann man nicht erleben, wenn man Berührungsängste hat. Ich habe keine Hemmschwelle, keinen Ekel vor Dingen, die den menschlichen Körper betreffen. Ich sehe das nicht emotional, sondern völlig medizinisch.

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Mit Lebensgefährtin Bettina Zimmermann nimmt Kai Wiesinger sich und seine Beziehung in der Serie „Der Lack ist ab“ aufs Korn.

Foto:

pa/obs/7NXT GmbH

Wer sich intensiv wie Sie mit dem Leben „im besten Alter“ befasst, befasst sich sicher auch mit dem „richtigen Alter“ des Lebens. Wie bereiten Sie sich auf diese Zeit vor?
Aus der Perspektive, die ich früher hatte, bin ich schon alt. Ich kann von mir nicht mehr behaupten, dass ich ein junger Shooting-Star bin. Ich bin an jedem Set, an das ich komme, langsam der Älteste. Aber ich stelle auch fest, dass ich davor keine Angst zu haben brauche, es ist nicht schlimm – wenn man es annimmt.

Es sieht in unserer Gesellschaft so aus, als sei Alter ein Lebensabschnitt, den alle am liebsten totschweigen möchten – oft heißt es, das große Ziel sei es, für immer jung zu bleiben…
Stimmt. Obwohl Deutschland demografisch voller alter Menschen sein soll, habe ich den Eindruck, dass ich von jungen Leuten umzingelt bin. Ich werde überall geduzt, kann in einigen Restaurants nur auf Englisch bestellen, muss im hippen Café meinen Spitznamen angeben, um ein Getränk zu bekommen. Wir sind alle flott, alle fit, ob wir es wollen oder nicht. Wir müssen noch als 75-Jährige ein iPad auf dem Schoß und einen Ghettoblaster unterm Stuhl haben. Respekt vor dem Alter ist verloren gegangen.

Wie ist Ihre persönliche Wunsch-Vorstellung für Ihr Leben in der letzten Etappe?
Ich lobe das Schicksal, das Peter Fox im „Haus am See“ besingt: Ich sitze im Kreis meiner 20 Kinder am Ufer, alle reden miteinander. Ich freue mich auf die ganze Sippe, sie freuen sich auf Opa, der fit im Kopf ist und mit seiner Lebenserfahrung immer einen guten Rat hat.

Wie halten Sie sich fit?
Mir ist Bewegung sehr wichtig, am liebsten schwimme ich. Vier Mal pro Woche, 2000 bis 3000 Meter. Wenn ich unterwegs bin, habe ich immer eine Trainingsband dabei. Ich achte auf gutes Essen. Wichtig ist mir eine ausgewogene Mischung mit möglichst viel Frischem.

Obwohl Sie davon geträumt haben Arzt zu werden, sind Sie Schauspieler geworden. War’s der richtige Beruf?
Ja, klar, ich habe großes Glück mit meinem Beruf. Ich habe Dokumentarfilme gedreht, Regie geführt, für die Serie „Der Lack ist ab“ 50 Drehbücher geschrieben und ein neues Finanzierungssystem entwickelt. Mein erstes Sachbuch ist seit über elf Wochen unter den Top 10 der Spiegel-Bestsellerliste.

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Im Kultfilm „Kleine Haie“ (hier mit Gedeon Burkhard und Jürgen Vogel) feierte er sein Debüt.

Foto:

picture-alliance / obs

Wenn Sie zurückblicken – welcher Film war am wichtigsten für Sie?
Ich habe nicht einen wichtigen, sondern zwei wichtigste Filme. Der eine ist „Kleine Haie“ von Sönke Wortmann, es war 1992 nach zwei Jahren Theater mein erster Film. Er hat mir die Türen geöffnet. Wäre es ein anderer gewesen, wäre vielleicht alles anders verlaufen. Und der andere war „14 Tage lebenslänglich“ von Roland Suso Richter, der mich auf eine für mich neue, heute so wichtige Schiene gebracht hat.

Waren alle Ihre Filme toll?
Nein. Ich habe auch mal Mist gedreht und mich dann gefragt: »Warum hast du das bloß gemacht?« Es geht eben nicht immer nur gerade bergauf.

Obwohl Sie ein Mann der Öffentlichkeit sind, stehen Sie dem Netz sehr kritisch gegenüber, haben sogar drei Jahre in völliger Medien-Abstinenz gelebt. Wie kam es?
Ich habe mich bei Dreharbeiten in Afrika entschlossen, mal auf alle Medien zu verzichten – kein Fernsehen, kein Radio, kein Internet. Ich habe sogar im Taxi darum gebeten, keine Nachrichten einzuschalten. Ich habe mich in der Zeit fast ausschließlich mit Quantenphysik und Gehirnforschung befasst, also Dingen, die mein tatsächliches Leben betreffen.

Was hat das bei Ihnen bewirkt?
Ich habe festgestellt, dass mir das sehr, sehr gut tut. Ich fand, dass die vielen negativen Nachrichten, mit denen wir bombardiert und zugemüllt werden, einen negativen Einfluss auf meinen Körper und meine Psyche haben. Es ist für mich sehr heilsam, nicht dauernd über Dinge informiert zu werden, die mit meinem echten Leben nichts zu tun haben.

Kai Wiesinger zwischen Top-Rollen und Schicksalsschlägen

Kai Wiesinger (geboren am 16. April 1966 in Hannover) hatte sein erstes Engagement 1990 am Bayerischen Staatsschauspiel, Prinzregententheater München.

1992 dann sein Kinodebüt in Sönke Wortmanns „Kleine Haie“. Filmerfolge mit „Comedian Harmonists“ (1997), „14 Tage lebenslänglich“ (1997), „Nichts als die Wahrheit“ (1999), „Dresden“ (2006), „Die Gustloff“ (2008). Hauptrolle in der Serie „Die Anwälte“ (2008).

Von 1998 bis zu ihrem Tod 2013 mit Schauspielerin Chantal de Freitas verheiratet (zwei Töchter). Lebt jetzt mit Schauspielerin Bettina Zimmermann zusammen (die beiden haben ein gemeinsames Kind, 3).

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