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  • Bereits Ende Dezember 2019 berichtete China von der Häufung einer unbekannten Lungenkrankheit, im Februar 2020 waren schon zahlreiche Erkrankte auf den Intensivstationen. 
  • Foto: dpa/XinHua

Experten-Bilanz: WHO und Länder haben bei Corona zu langsam reagiert

Genf –

Die Bilanz der Experten ist schonungslos: Sowohl die Weltgesundheitsorganisation (WHO), als auch die einzelnen Länder haben zu langsam auf die Corona-Pandemie reagiert. Das eigens von der WHO eingesetzte Expertengremium zeigt auf, wo dringend nachgebessert werden muss – auch im Hinblick auf kommende Pandemien.

Die von der Weltgesundheitsorganisation bestellte unabhängige Expertenkommission kommt zu dem Schluss, dass die WHO im vergangenen Jahr zu langsam auf erste Alarmzeichen einer möglichen Gesundheitsbedrohung reagiert hat.

Auch Regierungen kommen in ihrem am Mittwoch in Genf veröffentlichten Bericht nicht gut weg: Viele Länder hätten den Monat Februar 2020 vertrödelt, statt Vorkehrungen gegen die Ausbreitung des Virus Sars-CoV-2 zu treffen, die global die Corona-Gesundheits- und Wirtschaftskatastrophe mit weitreichenden sozialen Folgen ausgelöst hat.

WHO rief „Notlage“ aus – Länder reagierten nicht 

„Die Kommission kommt zu dem Schluss, dass das System, wie es zurzeit besteht, nicht dazu geeignet ist zu verhindern, dass sich mit einem neuen und hochansteckenden Erreger, der jeden Augenblick auftauchen könnte, eine Pandemie entwickelt“, heißt es in dem Bericht.

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China hatte Ende Dezember 2019 über die Häufung einer unbekannten Lungenkrankheit in Wuhan berichtet. Die WHO erklärte erst am 30. Januar eine „Notlage von internationaler Tragweite“, die höchstmögliche Alarmstufe. Dies verpflichtet Länder, Vorkehrungen zu treffen. Die WHO sprach aber erst am 11. März von einer Pandemie.

Das hat nach den WHO-Gesundheitsvorschriften anders als die Erklärung der „Notlage“ eigentlich keine Konsequenzen. Im Rückblick war das aber erst der psychologisch notwendige Schub, um Regierungen richtig in Alarmbereitschaft zu versetzen.

WHO: Das fordern die Experten bei Pandemien

Um die Corona-Pandemie sofort schärfer zu bekämpfen, stellen die Expertinnen und Experten drei Forderungen auf: Erstens sollen reiche Länder mit genügend Impfstoff bis September zusammen eine Milliarde Impfdosen für 92 ärmere Länder zur Verfügung stellen.

Zweitens sollen Pharmafirmen freiwillig mehr Lizenzen zur Impfstoffherstellung vergeben. Wenn die Produktion damit in den nächsten drei Monaten nicht angekurbelt wird, soll unmittelbar eine Aufhebung der Patente in Kraft treten. Drittens sollen die reichsten Länder (G7) sofort 60 Prozent der fehlenden 19 Milliarden Dollar für das Programm ACT Accelerator bereitstellen, das die Erforschung und globale Verteilung von Impfstoffen, Medikamenten und Tests organisieren soll.

Die WHO-Mitgliedsländer hatte die Expertenkommission 2020 unter Leitung der früheren Regierungschefinnen Helen Clark aus Neuseeland und Ellen Johnson Sirleaf aus Liberia einberufen. Sie sollte Erfahrungen aus dem Umgang mit der Pandemie zusammentragen und Vorschläge für Verbesserungen machen.

Für schnelleres Handeln: WHO fordert globales Überwachungssystem von Krankheiten 

Um auf neue Pandemien besser vorbereitet zu sein, schlägt die Kommission unter anderem einen Rat für Globale Gesundheitsbedrohungen vor. Mitglieder sollen Staats- und Regierungschefinnen und -chefs sein, die das Thema Pandemievorbereitung im weltweiten Fokus halten.

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Ein neues globales Überwachungssystem von Krankheiten soll der WHO die Möglichkeit geben, bei Bedarf sofort und ohne Rücksprache mit betroffenen Ländern Alarm zu schlagen. Der WHO wird vorgeworfen, zu Beginn der Pandemie zu sehr auf China gehört zu haben, das die Schwere der Bedrohung heruntergespielt hatte.

Das wird teuer: WHO fordert Pandemie-Fonds 

Statt bei der Erforschung etwa von Impfstoffen und Medikamenten auf Marktkräfte zu vertrauen, sei ein Programm nötig, das globale öffentliche Güter schafft, zu denen alle Länder Zugang haben.

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Schließlich schlägt die Kommission einen Pandemie-Fonds vor, der pro Jahr fünf bis zehn Milliarden Dollar, umgerechnet rund 8,2 Milliarden Euro, einsammelt, um Vorkehrungen gegen eine neue Pandemie zu finanzieren. (dpa)

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