• Gabriel Felbermayr in der WDR-Talkshow „Maischberger.die Woche”.
  • Foto: WDR/Oliver Ziebe

Experte mit Schauder-Prognose: Verdient jeder von uns bald monatlich 1600 Euro weniger?

Köln –

Wie lange werden wir die Beschränkungen, zu denen die Ausbreitung des Coronavirus uns zwingt, noch aufrechterhalten müssen? Über welchen Zeitraum kann unsere Gesellschaft den Stillstand überhaupt aushalten?

Und welche Folgen wird die Corona-Krise für unser Land haben – sowohl auf wirtschaftlicher, als auch auf sozialer Ebene?

Experten-Diskussion bei „Maischberger“: Wie wird es weitergehen?

Bei „Maischberger.die Woche” ging ein Expertenteam diesen Fragen am Mittwochabend auf den Grund. Folgende Gäste hatten sich dafür im WDR-Studio versammelt:

  • Hubertus Heil (SPD), Bundesarbeitsminister
  • Margot Käßmann, Theologin
  • Gabriel Felbermayr, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft (IfW)
  • Georg Mascolo, Investigativ-Journalist
  • Jonas Schmidt-Chanasit, Virologe

Zwei Fragen waren es, auf die Moderatorin Sandra Maischberger immer wieder zurück kam: Wie lange wird der Stillstand in Deutschland noch andauern? Und wie werden die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Krise aussehen?

„Maischberger“ zu Corona-Krise: Wann wird das öffentliche Leben fortgesetzt?

Die Antworten der Experten fielen gemischt aus: Während Bundesarbeitsminister Hubertus Heil immer wieder betonte, dass die Gesundheit der Menschen nun im Vordergrund stehe und die Wirtschaft im Prinzip erst einmal zweitrangig sei, erklärte Wirtschafts-Experte Felbermayr, wie verheerend die wirtschaftlichen Folgen der Virus-Krise für unsere Gesellschaft sein könnten.

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Moderatorin Sandra Maischberger mit ihren Gästen bei „Maischberger.die Woche”.

Foto:

WDR/Oliver Ziebe

„Wer die Bilder in Italien, Frankreich und Spanien sieht, der weiß, wir müssen alles tun, um das Leben von uns selbst und von unseren Angehörigen zu schützen”, so Bundesarbeitsminister Heil.

Die Beschränkungen in unserer Gesellschaft müssten so lange gelten, wie es eben notwendig sei. Ein konkretes Datum für die Aufhebung der Beschränkungen zu nennen, davon rate er grundsätzlich ab.

Bundesarbeitsminister bei „Maischberger“: Corona-Krise ist „Menschheitsherausforderung“

„Ich kann nicht garantieren, dass man jeden Arbeitsplatz retten kann, aber ich kann garantieren, dass man um jeden Arbeitsplatz kämpfen wird“, so der Politiker. Er betont: Bei der Corona-Krise handle es sich nicht um eine nationale Katastrophe, sondern um eine „Menschheitsherausforderung“.

Dass diese Herausforderung uns wirtschaftlich extrem zu schaffen machen wird, das ging aus den Worten von Wirtschafts-Experte Gabriel Felbermayr deutlich hervor.

Der IfW-Chef sprach von einem „starken Einbruch, wie wir ihn in der Nachkriegsgeschichte noch nicht gesehen haben.“ 

„Maischberger“: Wirtschafts-Experte sagt, dass die Krise uns alle ärmer machen wird

Man gehe von einer Schrumpfung der Wirtschaft zwischen insgesamt 4 und 9 Prozent aus. Zum Vergleich: Die Finanzkrise 2008/2009 verschaffte uns eine Schrumpfung um rund 4 Prozent.

Laut Felbermayr wird uns die Corona-Krise alle ärmer machen – „da helfen auch die Pakete der Bundesregierung nicht.“

Die Berechnungen seines Instituts in Kiel hätten ergeben, dass eine Schrumpfung der Wirtschaftsleistung, wie sie aktuell schon stattfinde, langfristig zu deutlichen Einbußen im Einkommen der Menschen führen könnten.

„Wenn wir heute einen Monat lang nur 50 Prozent der Dienstleistungen erbringen wie sonst oder 50 Prozent der Waren produzieren, dann heißt das einfach, dass Konsum zurückgehen muss.“

Wirtschafts-Experte bei „Maischberger“: 1600 Euro weniger Einkommen für jeden Menschen

Umgerechnet auf den einzelnen Bundesbürger hießen eine Woche 50 Prozent etwa 400 Euro weniger Einkommen. Je länger der Stillstand, desto schlimmer.

Auf einen Monat hochgerechnet bedeute das also: 1600 Euro weniger Einkommen pro Bundesbürger. Und in diesem Durchschnitt seien die ganz Kleinen und die Rentner, also Menschen, die sowieso kein eigenes Einkommen haben, noch mit einberechnet.

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„Es handelt sich um große Einbußen, die da jetzt anfallen, die man auch nicht wegretuschieren kann“, so Felbermayr.

Der Vorteil der Bundesrepublik: Man komme gerade aus einer Periode, in der es beinahe keine Arbeitslosen gegeben hätte. Die Bundesagentur für Arbeit habe in dieser Zeit hohe Rücklagen gesammelt.

Bei der Arbeitslosigkeit werde man daher keine großen Anstiege sehen. Aber: „Die Rücklagen werden aufgebraucht werden. Und es wird Insolvenzen geben.“

Wirtschafts-Experte bei „Maischberger“: „Es wird sehr tief runter gehen“

„Es wird sehr tief runter gehen, tiefer als in jeder Rezession in der Nachkriegszeit. Die große Frage ist, ob wir nach einem starken Einschnitt wieder hochkommen“, so der Wirtschafts-Experte.

Und das hänge wiederum von verschiedenen Faktoren ab – etwa der Tatsache, wann und wie sehr der US-amerikanische Markt wegen der Krise schwächeln werde. Und von der Frage nach Hysterieffekten („dass Unternehmen, die jetzt pleite gehen, im Aufschwung nicht zur Verfügung stehen“). Die Situation sei ungewiss, und werde das auch erst einmal bleiben.

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Was sich Felbermayr jetzt am meisten wünscht: ein Licht am Ende des Tunnels. Er hoffe, dass man schon bald Antworten auf Fragen finden wird und die Einschränkungen möglicherweise schon rund um Ostern gelockert werden können.

Investigativ-Journalist Georg Mascolo teilt diese Hoffnung. Seiner Meinung nach sei die sinnvollste Lösung, die Maßnahmen, wie sie jetzt gelten, noch eine Woche laufen zu lassen und dann zu schauen, wohin sie tatsächlich führen.

„Maischberger“: Journalist erklärt, wie ungewiss die Lage ist

Im aktuellen Stadium könne noch niemand sagen, „ob die Maßnahmen, die getroffen worden sind, übertrieben und überzogen oder absolut unzureichend sind, sondern wir befinden uns in völlig unkartiertem Gelände, nicht nur für die Politik, sondern für alle Bereiche.“

Seine realistische Antwort auf die Frage, wie wir jetzt am besten mit der Situation umgehen: „Wir werden lernen müssen, mit Ängsten, Ungeduld und Sorgen umzugehen und dann den nächsten Schritt der Diskussion zu führen, wenn der Boden ein bisschen weniger schwankt und wir besser verstanden haben, womit wir es zu tun haben. Im Angesicht von so wenigen verlässlichen Fakten schwankt der Boden zu stark, um diese Diskussion jetzt schon auf eine gute Art und Weise zu führen.“ (ta)

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