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  • Bisher nur in heutigen Steinzeit-Events vorstellbar: Die Steinzeit-Frau als Jägerin.
  • Foto: picture alliance/dpa

Ende des patriarchalen Mythos: Frauen gingen in der Steinzeit sehr wohl auf die Jagd!

Davis (Kalifornien) –

Wer heutzutage sein reaktionäres Bild von Frauen und Männern rechtfertigen will, bemüht gerne die alte Geschichte vom Jäger und der Sammlerin: Schon während der Steinzeit sei die Frau für Beeren und Kinder zuständig gewesen, der Mann für die Jagd. Das Jagen jedweder Art liege dem Mann demnach im Blut. Einparken kann er deswegen auch besser. Doch nun fanden Archäologen heraus: Unser Bild der Arbeitsteilung in der Steinzeit stimmt nicht.

Eine klare Rollenverteilung bestimmte bisher unser Bild des Zusammenlebens der Geschlechter in der Steinzeit: Während sich der Mann mit Speeren bewaffnet mutig auf die Jagd macht und allen möglichen Gefahren trotzt, sammelt die Frau Beeren und Kräuter und kümmert sich um Kinder und den Unterschlupf.

Forscher entdecken: Frauen gingen in der Steinzeit auf die Jagd

Dieses Rollenbild dürfte jedoch mehr mit der eigenen Vorstellungswelt der männlichen Archäologen zu tun haben, als mit der Wirklichkeit in dieser Phase der Menschheitsgeschichte, so berichtet nun der „Stern“. Dass auch Archäologen im ersten Moment mit ihrer eigenen Vorstellung von Welt auf ihre Funde blicken, zeigt ein Fall vor einigen Jahren: Umgeben von Klingen und Geschossspitzen, auf fast 4000 Metern Höhe in den Anden begraben, fand man die 9000 Jahre alten Knochen eines Jägers – und man glaubte sofort, dass es sich hierbei um einen Mann handeln müsse.

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Dennoch fielen den Archäologen die kleinen und leichten Knochen auf, die die Vermutung nahe legten, dass es sich bei dem Jäger nicht um einen Mann, sondern doch um eine Frau handeln könnte. Eine Zahnschmelz-Analyse bestätigte dies nun – und es stellte sich heraus, dass sie kein Einzelfall war.

Denn die Forscher untersuchten weitere Knochen und Zähne, die sie in Jägergräbern entdeckten. Und tatsächlich: In 26 Gräbern mit Jagdwaffen in Amerika fanden sie 16 Männer und zehn Frauen – fast eine paritätische Verteilung.

Steinzeit: Frau als Jägerin kein Einzelfall

Diese Entdeckung bringt nicht nur einen anderen Blick auf die Steinzeit mit sich, sie verändert auch die Grundidee einer immer schon existierenden Rollenverteilung. „Diese Entdeckung und unsere Analyse früherer Bestattungspraktiken hebt die lang gehegte Hypothese ‘Mann der Jäger‘ auf“, so Randy Haas, Assistenzprofessor für Anthropologie und Hauptautor der Studie „Female hunters of the early Americas“.

Jahrzehnte lang wurde diese Idee einer Arbeitsteilung  dazu verwendet, bestimmte Geschlechterstereotype zu verteidigen und „wissenschaftlich“ zu untermauern. Der Mann jagt Frauen oder Geld hinterher, ist mutig, abenteuerlustig und risikobereit, während Frauen es eher heimelig mögen und gerne den sorgenden, zusammenhaltenden Part übernehmen wollen.

„Diese Ergebnisse haben unser Verständnis der grundlegendsten Organisationsstruktur in Jäger-Sammler-Gesellschaften und damit der Evolutionsgeschichte unserer Spezies verändert“, so Haas. „Die sexuelle Aufteilung der Arbeit scheint in der Vergangenheit unter Jägern und Sammlern viel abgeschwächter oder gar nicht vorhanden gewesen zu sein.“ Bislang ist noch nicht viel darüber bekannt, wie das soziale Leben in den Gruppen damals organisiert war. Es könne sogar sein, dass nicht jede biologische Mutter ihre Kinder auch versorgt habe.

Zahnuntersuchung sorgt für Aufklärung

Bei der ersten gefundenen Jägerin, deren versteinerte Überreste die Forscher an der archäologischen Stätte Wilamaya Patjxa bargen, konnte an den Zähnen ebenfalls nachgewiesen werden, dass sie ihr Leben lang eine typische Jägernahrung aus tierischem Fleisch und Pflanzen gegessen hatte.

Doch nicht nur bei der Jägerin kamen die Forscher erst durch die Analyse der Überreste darauf, dass es sich hierbei um eine Frau handelte. Lange galt es als abwegig, dass bei den Wikingern auch Frauen zu den Kämpfern gehörten. Auch hier konnte die Überzeugung der Forscher erst durch eine Analyse des Erbgutes gebrochen werden. Zunächst hieß es dann, dass sie die Waffen nur zur Zierde bei sich hatte. Doch als man Anzeichen von Verletzungen an ihr fand, musste auch diese Argumentation ad acta gelegt werden.

Bisher existierten Frauen als Kriegerinnen für viele Forscher nur bei den Skythen, dem kriegerischen Reitvolk, das vermutlich als Vorbild für den Amazonen-Mythos herhielt. Die Idee der Amazone ist die Femme fatale zu Pferd: schön, verführerisch und absolut tödlich. Eine Gefahr für den Mann – auf vielen Ebenen.

Die Skythengräber wurden im Gebiet der ehemaligen UdSSR gefunden. Möglich, dass man hier politisch aufgeschlossener für die Tatsache war, dass Frauen als Kriegerinnen lebten und kämpften. (vd)

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