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  • Vertrackte Lage: Der bayrische Staatsminister für Gesundheit Klaus Holetschek (CSU, v.l.), RKI-Präsident Lothar Wieler und Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bei ihrer Pressekonferenz am Freitag.
  • Foto: picture alliance/dpa

Druck auf dem Kessel: Wie lange geht das noch gut mit dem Dauer-Lockdown?

Berlin –

RKI-Chef Lothar Wieler und Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wirken besorgt, als sie am Freitag vor die Presse treten: Wochenlang fiel die Inzidenz-Kurve in Deutschland deutlich –  doch nun stagniert sie. Die Männer mahnen, die Rede ist von einem „möglichen Wendepunkt“. Sie warnen vor verfrühten Öffnungen – auch wegen der Virus-Mutationen. Gleichzeitig steigt die Unzufriedenheit in der Bevölkerung, sinkt nach wochenlangem Dauerlockdown die Akzeptanz für die Einschränkungen. Forderungen nach Öffnungen werden laut: aus der Bevölkerung, der Wirtschaft, der Kommunalpolitik. Für die Entscheider in der Hauptstadt eine vertrackte Situation.

„Je mehr Leute in die gleiche Richtung steuern“, resümierte RKI-Präsident Wieler am Freitag in Berlin, „desto schneller drängen wir dieses Virus zurück“. Doch was einfach klingt, wird zunehmend zur echten Herausforderung: Denn während im Frühjahr noch große Teile der Bevölkerung an einem Strang zogen und die Einschränkungen ohne Murren über sich ergehen ließen, wird die Kritik am Lockdown-Kurs der Bundesregierung lauter.

Zustimmung zu Corona-Maßnahmen sinkt

Zwar steht noch immer die Mehrheit der Deutschen hinter den Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie. Doch wie der aktuelle „ARD-DeutschlandTrend“ zeigt, halten inzwischen 27 Prozent der Deutschen die Maßnahmen für zu einschneidend – Tendenz steigend. Noch Anfang Februar lag der Wert fünf Prozentpunkte darunter bei 22 Prozent.

Gleichzeitig wächst allerdings auch die Gruppe der Befürworter: So halten 54 Prozent der Befragten die Maßnahmen für angemessen. Anfang Februar waren es noch 51 Prozent. Noch strengere Maßnahmen fordern acht Prozent der Deutschen.

Frühling, und trotzdem Lockdown?

Doch was passiert, wenn am Wochenende die Temperaturen auf wohlige 16 Grad steigen, die Menschen nach draußen strömen, Freunde und Verwandte treffen wollen? Wenn sich die Mutation ausbreitet, die Infektionszahlen womöglich wieder steigen, gleichzeitig aber auch der Lockdown-Frust immer stärker um sich greift?

Am 3. März findet der nächste Bund-Länder-Gipfel statt. Frisöre öffnen bald, doch auch Forderungen aus dem Einzelhandel werden lauter, je näher das Treffen rückt. Zu spüren bekam das zuletzt Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), als er am Donnerstag den CDU-Wirtschaftsrat von Baden-Württemberg zum Online-Date traf.

Kretschmann: „Ich hör immer nur öffnen, öffnen, öffnen“

Der Vorsitzende des Rates und Einzelhändler, Joachim Rudolf, polterte: „Das zähe Hin und Her zwischen Lockdown und Lockerungen raubt unsere Kräfte.“ Kretschmann reagierte dünnhäutig: „Ich hör immer nur öffnen, öffnen, öffnen.“ Aber dass mal wer Verschärfungen fordere, „das hör ich nie!“ Die Politik schließe die Geschäfte ja nicht weil sie „autoritäre Gelüste“ hätte. Ein bemerkenswerter Vorgang, zeigt er doch recht eindrücklich die Verzweiflung, die sich auch in den Reihen der politischen Entscheider breit macht.

Lokalpolitiker wie Tübingens Bürgermeister Boris Palmer (Grüne) fordern längst lautstark Perspektiven für Innenstädte. Mit den Bürgermeistern von Schwäbisch Gmünd und Schorndorf schrieb Palmer einen Brandbrief an die Kanzlerin (MOPO berichtete).

Die Angst vor der dritten Welle

Doch dann ist da auch die Angst vor der dritten Welle. Palmers Landesvater Kretschmann äußerte nach seinem Ausbruch zwar Verständnis für die Einzelhändler, sagte aber auch: Eine dritte Welle könne auch nicht in ihrem Interesse sein. „Dann machen wir einen richtigen Lockdown – den gab es bisher ja gar nicht.“

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Jens Spahn und Lothar Wieler äußerten ähnliche Befürchtungen, zumal die ansteckendere und vermutlich gefährlichere britische Variante B.1.1.7 sich zusehends ausbreite. 22 Prozent der aktuellen Fälle werden der Mutation zugerechnet. Und auch hier gilt leider ganz eindeutig: Tendenz steigend.

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