• Gesundheitsminister Jens Spahn
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Corona-Zoff im TV: Medizin-Blogger redet, da reagiert Spahn ziemlich gereizt

Berlin –

Aktueller geht es kaum. Kurz bevor die Runde bei „Maybrit Illner“ beginnt, ruft die Weltgesundheitsorganisation (WHO) wegen der rasanten Verbreitung des neuartigen, aus China stammenden Coronavirus‘ den weltweiten Notstand aus. Und während die Sendung noch läuft, wird ein fünfter Infektionsfall in Bayern bestätigt.

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Das alles überschattet den TV-Talk an diesem Donnerstagabend bei Illner, in dem es um den Erreger, das Krisenmanagement, begründete und unbegründete Sorgen geht. Es wird ein facettenreicher Abend, eine Art Nachhilfestunde für alle, die sich bisher noch nicht intensiv mit dem Erreger beschäftigt haben.

Die Gäste:

Professor Melanie Brinkmann, Leiterin der Forschungsgruppe Virale Immunmodulation am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung

Jens Spahn (CDU), Bundesminister für Gesundheit

Felix Lee, bis 2019 China-Korrespondent der taz

Dr. Johannes Wimmer, Arzt und Medizin-Blogger

Die schnellste Reaktion…

…kommt von Gesundheitsminister Spahn, der zur WHO-Entscheidung für den Gesundheitsnotstand Stellung nimmt. „Es ist erst einmal die Möglichkeit für die Weltgesundheitsorganisation, Maßnahmen zu empfehlen“, sagt der CDU-Politiker. Deutschland sei sehr gut vorbereitet. Der Schritt der Genfer Behörde – aus Spahns Sicht ein Signal an viele Länder in der Nachbarschaft Chinas und in Afrika, die Aufmerksamkeit zu erhöhen. Die Weltgemeinschaft müsse zusammenarbeiten, das sei die Lehre aus ähnlichen Krisenfällen wie etwas Sars, das 2002/2003 sich ebenfalls von China aus rund um den Globus verbreitete.

Die ehrlichste Antwort…

… gibt es, als Moderatorin Illner die Frage aufwirft, wie ansteckend der Erreger ist. „Eine gute Frage“, antwortet Immunologin Brinkmann.

„Das wissen wir noch nicht.“ Zumindest noch nicht genau. In jedem Fall gebe es Hinweise, dass der Erreger weniger ansteckend sei als das Grippevirus. Man wisse auch nicht, fährt Brinkmann fort, wann jemand ansteckend ist. Auffällig sei jedoch gewesen, dass viele Infizierte zunächst keine Symptome gehabt hätten, aber sehr wohl andere anstecken könnten. Forscherin Brinkmann formuliert bewusst offen. Es ist wie das Eingeständnis, dass manchmal selbst Experten nicht alles wissen.

Das hitzigste Rededuell…

… liefern sich Gesundheitsminister Spahn („Wir sind gut vorbereitet“) und Medizin-Blogger Wimmer. Der 36-Jährige führt die Tatsache, dass es hierzulande nicht bereits mehr Infektionen gebe, auf „Dusel“ zurück: „Momentan haben wir das Glück auf unserer Seite.“ Wenn nicht nur ein Patient, sondern mehrere isoliert werden müssten, könne das eine Notaufnahme „in die Knie zwingen“. Man dürfe nicht vergessen, dass es inzwischen mehr Infizierte gebe als seinerzeit bei Sars. Das könne man nicht abtun.

Während Wimmer spricht, sieht man, schüttelt Spahn mehrfach den Kopf. „Hier wird nichts abgetan. Wir gehen sehr angemessen mit der Situation um“, sagt er. Der CDU-Politiker bittet Wimmer energisch um eine andere Wortwahl: „Dafür finde ich die Situation zu ernst.“

Die spannendsten Lageeinschätzungen…

… stammen von den Journalisten in der Sendung, zunächst vom früheren China-Korrespondenten Lee, der überzeugt ist, dass die Führung in Peking die Lehren aus dem Sars-Desaster vor 17 Jahren gezogen hat. „Der Peak ist noch nicht erreicht“, meint Lee jedoch, was die Ausbreitung der Seuche angeht. Und solange dies der Fall sei, hält er drastische Maßnahmen wie das Abriegeln von Millionen-Städten für gerechtfertigt. Der aus Peking zugeschaltete ZDF-Korrespondent Ulf Röller pflichtet bei, schildert, dass die Bevölkerung in der Volksrepublik die Anti-Krisenmaßnahmen ihrer Führung akzeptiere. Anzeichen von Panik oder Aufruhr sieht er nicht: „Es gibt ein totales Vertrauen in die Kommunistische Partei.“

Die optimistischste Prognose…

… steuert gegen Ende der Sendung ausgerechnet Johannes Wimmer bei, der sich noch zu Beginn von Spahn den Vorwurf eingefangen hatte, die Lage zu dramatisieren. Man müsse zwar abwarten, aber grundsätzlich könne die Volksrepublik den Erreger schon beherrschen, so der Medizin-Blogger. „Das Problem wird nicht auf lange Sicht in China sein, sondern in Ländern mit einem schlechteren Gesundheitssystem“, so Wimmer. Ob „in einem despotischen Land“ wie China eine Seuche leichter zu bekämpfen sei, will Moderatorin Illner schließlich von Gesundheitsminister Spahn wissen. Vielleicht, entgegnet der, werde dort schneller entschieden als „im föderalen Miteinander“ in Deutschland, allerdings: „Mindestens so wichtig ist Vertrauen.“ (RND)

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