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Corona-Krisenherd Nummer 1: Unglaubliche Zahl zeigt das Drama, das die USA erleben

Washington –

Lange Zeit hat das neuartige Coronavirus einen Bogen um die USA gemacht – zumindest gab es in dem Land erst relativ spät einen Anstieg der bestätigten Fallzahlen. Dieser verläuft dafür nun umso dramatischer. Die USA haben Italien und China überholt, sind inzwischen der Corona-Krisenherd Nummer eins.

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Bis Freitagvormittag (10.10 Uhr, MESZ) gab es laut Johns-Hopkins-Universität in den USA knapp 86.000 bestätigte Infektionen – mehr als in China (81.800) und Italien (80.600). Die Corona-Krise hat die USA im Griff, die Supermacht wirkt schwach und verletzlich. Gleich mehrere Punkte zeigen, warum das Land besonders heftig unter dem Virus leidet.

Coronavirus USA: Jobs brechen massenhaft weg

Die größte Volkswirtschaft der Welt befindet sich im steilen Sinkflug – trotz eines vom Kongress auf den Weg gebrachten Konjunkturpakets ohne Gleichen. Damit sollen rund 2 Billionen Dollar in die Wirtschaft gepumpt werden. Dennoch rechnen viele Analysten inzwischen mit einem erheblichen Einbruch im zweiten Quartal und einer Rezession auf das ganze Jahr betrachtet.

Besonders krass: Die Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe stieg in der Woche bis 21. März etwa um das Zehnfache (!) von 282.000 auf nunmehr rund 3,3 Millionen.

Die USA erleben einen schlagartigen Stimmungsumschwung. Eben noch war von Küste zu Küste beinahe Vollbeschäftigung gemeldet worden – was viele Amerikaner dazu verleitet hatte, mit Krediten Häuser, Autos und auch Urlaube zu finanzieren. US- Präsident Donald Trump, der sich im November um eine Wiederwahl bewirbt, schrieb das seiner Wirtschaftspolitik zu.

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Jetzt kommt die komplette Wirtschaft zum Erliegen, fast die Hälfte der rund 330 Millionen Amerikaner unterliegen von Bundesstaaten verhängten Ausgangsbeschränkungen. Viele Geschäfte sind geschlossen, Restaurants und Hotels bleiben leer, Reisen wurden abgesagt. Viele Mitarbeiter geschlossener Unternehmen müssen daher Arbeitslosenhilfe beantragen. Trump verspricht derweil, die Wirtschaft werde nach dem Ende der Epidemie wieder «wie eine Rakete» durchstarten.

Soziale Absicherung in den USA nicht wie in Deutschland

In Deutschland sind dieser Tage Krankschreibungen abermals erleichtert worden. In den USA dagegen gibt es – auch nach jahrzehntelangen Debatten – bis heute kein nationales Gesetz, das eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall vorschreibt. Dass dies im Fall von Seuchen die Probleme steigert, wird erst jetzt entdeckt: Viele Amerikaner sind es gewohnt, auch im Fall von Infekten zu arbeiten – und Viren weiterzutragen –, bis sie wirklich nicht mehr können.

Entlassungen sind in den USA in der Regel wesentlich schneller möglich als etwa in Deutschland. In den USA gab es bislang auch keine Regelung wie das deutsche Kurzarbeitergeld, das den Arbeitsmarkt in Krisensituationen stabilisiert.

Mit dem riesigen Konjunkturpaket wird die bislang sehr begrenzte Arbeitslosenhilfe aber ausgeweitet. Zudem soll es Arbeitgebern möglich sein, Angestellte für bis zu vier Monate zu beurlauben anstatt sie zu entlassen. In dieser Zeit würde der Staat für das Gehalt aufkommen.

Coronavirus-New-York-leere-Straßen

Die Skyline von New York strahlt weiterhin, auf den Straßen ist wegen des Coronavirus aber fast kein Auto mehr unterwegs.

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In dieser Woche hat der US-Kongress als Teil seines Hilfspakets Maßnahmen beschlossen, die zumindest vorübergehend den finanziellen Absturz von Kranken dämpfen sollen. Für virologisch noch wirksame Verhaltensänderungen aber kommt dies zu spät.

Krankenversicherung in den USA: Problem in der Corona-Krise

Das Coronavirus stellt viele US-Bürger vor große Probleme. Nämlich die ohne Krankenversicherung. Das Gesundheitssystem droht an der Krise zu scheitern.

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Klar: Die Reichen können sich die beste Krankenversicherung und damit die beste Behandlung leisten. Viele weitere Bürger sind über ihre Firmen versichert, kämpfen aber mit Eigenbeteiligungen und zittern wegen der Corona-Krise um ihre Jobs – und damit dann auch um ihre Versicherung.

Und wieder andere – rund 30 Millionen Amerikaner – sind gar nicht krankenversichert, können es sich deshalb gar nicht erst leisten, zum Arzt zu gehen, und tauchen dort erst auf, wenn es womöglich schon zu spät ist – und sie bereits viele andere Menschen angesteckt haben.

Wo das hinführt, ist im Moment noch nicht abzusehen. Vieles wird auch davon abhängen, wie lange die Ausgangsbeschränkungen in Kraft bleiben. Die US-Regierung hatte zuletzt bereits angekündigt, so schnell wie möglich wieder zum Alltag zurückkehren zu wollen, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Passiert das zu schnell, ist zu befürchten, dass die Infektionszahlen weiter durch die Decke schießen.

Coronavirus: steile Infektionskurve in den USA

Die Tests wurden jetzt, nach langem Zögern, endlich ausgeweitet. Sie unterstreichen aber nur das alarmierende Bild eines dynamischen Geschehens: Die Zuwachsraten steigen, die Zeitspannen bis zur Verdopplung sinken.

Die USA melden aktuell knapp 1300 Corona-Tote. Damit liegen sie immer noch hinter China (3291), Italien (8215), Spanien (4365), Frankreich (1698) und dem Iran (2234). Zu befürchten ist jedoch auch an dieser Stelle ein steiler Anstieg der Zahlen.

Donald-Trump-Corona-Krise

Durch sein beherztes Durchgreifen profitiert Donald Trump aktuell von der Corona-Krise. Doch wenn die Fallzahlen weiter steigen und die Wirtschaft einbricht, könnte der US-Präsident auch schnell wieder an Zustimmung verlieren.

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US-Präsident Donald Trump sagte vor Journalisten im Weißen Haus, die hohe Zahl bestätigter Infektionen in den USA liege daran, dass im Land so viele Tests durchgeführt würden. In anderen Ländern wie China wisse man zudem nicht, was die wirklichen Zahlen seien, sagte Trump.

USA: Tiefe Spaltung im Inneren setzt in Corona-Krise zu

In den europäischen Staaten hat der Parteienstreit Pause. In den USA jedoch herrscht auch nach der überparteilichen Verabschiedung des Hilfspakets im Kongress eine Polarisierung, wie es sie nie zuvor gegeben hat. Dies hat zu tun mit der näher rückenden Präsidentschaftswahl am 3. November.

Hinzu kommt aber eine tiefe Spaltung der politischen Kulturen: Ein Teil der Amerikaner gibt Trump eine große Mitschuld an der Krise. Allzu lange habe der Präsident Warnungen in den Wind geschlagen. Andere wiederum scharen sich trotzig um Trump und sagen: Gerade in Krisenzeiten brauchen wir einen starken Mann.

In aktuellen Umfragen legt Trump zumindest ordentlich zu. In einer Erhebung des Meinungsforschungsinstitut Gallup erreicht er 49 Prozent Zustimmung, das sind fünf Punkte mehr als noch Anfang des Monats und Trumps zweithöchster Wert, den er je erreicht hat.

Problematisch könnte es für Trump werden, wenn er die Corona-Beschränkungen lockert, um die Wirtschaft zu pushen. Schießen dann die Fallzahlen und Todesopfer in die Höhe, wird er sich vorwerfen lassen müssen, die Wirtschaft über die Gesundheit der Menschen zu stellen.

Auf der anderen Seite ist der Wirtschaftsboom einer der Punkte, die sich Trump auf seine Fahnen geschrieben hat – geht die Wirtschaft zugrunde, scheitert er an einem seiner großen Versprechen an die Wähler.

Viele Amerikaner machten Schulden und haben jetzt großes Problem

Die Corona-Krise trifft die USA in einem Moment, in dem die Fröhlichkeit von Land und Leuten über den Aufschwung der letzten Jahre zu finanziellem Leichtsinn geführt hat. Allzu viele Amerikaner haben ihren Lebensstil auf Pump finanziert. Jetzt droht, wie zuletzt im Jahr 2008, eine Wiederkehr der Finanzkrise.

Auch der Staat hat sich in eine heillose Verschuldung manövriert. Schon vor der Corona-Krise hatte Trump es fertiggebracht, mit 1,5 Billionen US-Dollar die größte Staatsverschuldung aller Zeiten hinzulegen. Viele zuletzt an der Börse bejubelte Steuererleichterungen waren durch Kredite erkauft worden, deren Rückzahlung man kommenden Generationen überlässt.

Eine solche Politik in Boomzeiten gilt unter Finanzexperten als unseriös. Trump aber bestand darauf. Jetzt addieren sich das Trump-Defizit und das Corona-Paket zu schwindelerregenden 3 Billionen US-Dollar. (dpa, RND, so)

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