Auf offener Straße: Deutsche in Bagdad entführt – schritt Polizei nicht ein?
Bagdad –
In Bagdad ist offenbar eine deutsche Staatsbürgerin entführt worden. Die Kuratorin und Kulturvermittlerin Hella Mewis soll am Montagabend nach Verlassen ihres Büros im Zentrum der irakischen Hauptstadt von Unbekannten verschleppt worden sein.
Bewaffnete Männer hätten Mewis in ihre Gewalt gebracht, schrieb Ali al-Bajati, Mitglied der vom Parlament gewählten Menschenrechtskommission, am Montag bei Twitter.
Sicherheitskräfte hätten die Suche nach ihr aufgenommen, sagte ein Aktivist, der namentlich nicht genannt werden wollte, der Deutschen Presse-Agentur in der Nacht zum Dienstag. Das Auswärtige Amt bestätigte die Entführung der deutschen Staatsbürgerin zunächst nicht – anders als eine Freundin der Verschleppten: „Wir wissen nicht, wer sie entführt hat. Wir haben die Sicherheitsbehörden informiert“, sagte Sirka Sarsam der Deutschen Presse-Agentur.
Polizisten sollen Mewis nicht zur Hilfe geeilt sein
Mewis soll auf ihrem Fahrrad unterwegs gewesen sein, als sich ihr zwei Fahrzeuge näherten. Danach hätten Zeugen beobachtet, wie sie aus den Wagen heraus aufgegriffen worden sei. Die mutmaßliche Entführung soll sich laut einer Quelle aus den Sicherheitsdiensten nahe einer Polizeiwache ereignet haben. Dennoch hätten keine Polizisten einzugreifen versucht.
Bei einem der Fahrzeuge, welche sich der Deutschen genähert hätten, habe es sich um einen weißen Kleintransporter mit offener Ladefläche gehandelt, wie er von manchen Sicherheitskräften benutzt werde, hieß es weiter. Die Deutsche leitet ein Kunst-Programm in Bagdad. Sie war am Montag nicht auf ihrem Handy erreichbar.
Hella Mewis war bei regierungskritischen Protesten engagiert
Die deutsche Botschaft wollte sich auf Anfrage der Nachrichtenagentur AFP zunächst nicht zu dem Fall äußern. Eine Freundin der verschwundenen Deutschen sagte zu AFP, diese sei seit der Ermordung des irakischen Politikexperten Hischam al-Haschemi vor zwei Wochen „nervös“ gewesen.
Dieser war vor seinem Haus in Bagdad von Unbekannten erschossen worden. Der international bekannte Al-Haschemi hatte sich mit den regierungskritischen Protesten des vergangenen Jahres solidarisiert. Auch die mutmaßlich verschleppte Deutsche war nach Angaben ihrer Freundin in den Protesten engagiert. Die Fälle von Entführungen ausländischer Staatsbürger im Irak haben in diesem Jahr deutlich zugenommen.
Mutmaßliches Entführungsopfer soll nur selten Kopftuch getragen haben
Mewis wurde in Berlin geboren und lebt seit mehreren Jahren in Bagdad. Sie arbeitete dort am Aufbau des Kulturinstituts Bait Tarkib, das die Arbeit junger irakischer Künstler fördern will. Zeitweise arbeitete sie auch für das Goethe-Institut.
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Der in Deutschland lebende irakische Schriftsteller Najem Wali beschrieb Mewis gegenüber dem Magazin „Spiegel“ im Jahr 2017 als Frau, die entgegen irakischer Konventionen in Cafés geht, ihr Haar offen trägt und nur selten zum Kopftuch greift. An der Uferstraße am Tigris habe sie 2016 eine Frauenfahrrad-Demonstration organisiert. Mewis habe Kontakte in die Politik und sei gut vernetzt. (dpa/alp)