Günter Zint
  • Günter Zint in seinem Haus in der Kommune Behrste
  • Foto: Quandt

„Freie Republik Behrste“: Zuhause bei Kiezfotograf Günter Zint

Mehrgenerationenhäuser, Senioren-WGs, Tiny House-Dörfer, kollektive Wohnprojekte – gemeinschaftliches Leben ist angesagt. Auf einem alten Hof zwischen Stade und Bremervörde wird das Zusammenleben schon seit vielen Jahren praktiziert. Hier wohnen zwölf Erwachsene, sechs Kinder, vier Pferde, zwei Hunde, vier Katzen und unzählige Hühner in der „Freien Republik Behrste“. Dem Zuhause von Kiez-Urgestein und Foto-Legende Günter Zint (81).

Lachend steht Günter Zint im orangefarbenen Kapuzenpulli in der alten, schweren Hellholztür des Bauernhauses und füttert die Hühnern mit Körnern aus einem Plastikbecher. Das bleibt dem Rest der Schar nicht verborgen. Gackernd kommt das Federvieh herbeigeflattert. „War ja klar, dass ihr auch was wollt“, sagt Zint und holt grinsend neues Futter. Nach drei Fuhren ist es genug. Er schließt die Tür, neben der auf dem Briefkasten drei Winkekatzen stehen. Dahinter ein selbstgebasteltes Ortsschild: „Freie Republik Behrste“. Der Name – eine Reminiszenz an das 1980 von Atomkraftgegnern errichtete Protestdorf „Republik Freies Wendland“, an dem auch Zint beteiligt war.

Auch Hühner leben in dem alternativen Wohnprojekt nahe Estorf. Quandt
Günter Zint und Hühner
Auch Hühner leben in dem alternativen Wohnprojekt nahe Estorf.

Der Kiez-Chronist schlendert über das insgesamt rund zweieinhalb Hektar große Grundstück. Vorbei an einer selbstgebauten Sauna mit Holzofen. „Die wird viel von den Bewohnern genutzt“, sagt er. Dahinter drei Tiny Häuser. Über Wiese vorbei an Bäumen geht es zum Nachbarhaus. Im Garten schubst Inge Kramer (67) ihren anderthalbjährigen Enkelsohn in der Schaukel an. Günter Zint begrüßt sie herzlich. Die Beiden sind seit vielen Jahren befreundet.

Inge Kramer war es, die damals mit ihrem Partner Detlef Wiedeke den Anfang machte. 1986 kauften sie die alte Dorfschule auf dem Grundstück. Günter Zint übernahm anfangs das Hausmeisterhäuschen nebenan als Wochenenddomizil. Heute wohnt dort Inges Tochter mit Freund und Sohn. Sie und ihr Partner leben in der alten Schule. Unten befindet sich das Tonstudio des Musikers, in dem schon so manche Platte aufgenommen wurde, unter anderem von Albert Hammond („It Never Rains In Southern California“).

Günter Zint zu Besuch bei Nachbarin Inge Kramer und ihrem Enkel. Sie lebt seit 1986 hier. Quandt
Günter Zint u8nd Inge Kramer
Günter Zint zu Besuch bei Nachbarin Inge Kramer und ihrem Enkel. Sie lebt seit 1986 hier.

Vor zwölf Jahren, nach der Scheidung von seiner zweiten Frau, die ihm erst sehr lieb und dann sehr teuer gewesen sei, zog Günter Zint ganz auf den Hof. Der Fotograf baute den alten Heuboden im Dachgeschoss des Bauernhofs aus – mit finanzieller Unterstützung seines alten Kollegen und Freundes Günter Wallraff. Heute lebt der Fotograf auf 100 Quadratmetern in einem Raum, unterteilt durch Schränke und Regale. Die Möbel – zum Teil von Kiez-König Willi Bartels. Über dem Essplatz ein Holzschild aus dem Frühstücksraum des „Hotel Hafen Hamburg“ mit der Aufschrift „Belegte Brote“.

Hier sitzt er morgens und wird beim Frühstückmachen von einer Nachbarin unterstützt, die mit ihrem Mann und den drei Kindern in den Tiny Häusern im Garten lebt. „Die Kinder haben ihre Spielzeugkiste bei mir stehen und kommen gerne her.“ Auch die anderen Kinder, die in der „Freien Republik Behrste“ leben, gehen bei Günter ein und aus. Machen Hausaufgaben am Küchentisch, spielen in seinem großen Zimmer. Für Günter sind sie wie Familie. „Wir kennen uns hier alle seit vielen Jahren. So lange, dass es keinen Grund mehr zum Streiten gibt.“

Die „Freie Republik Behrste“ aus der Luft Quandt
Luftbild Freie Republik Behrste
Die „Freie Republik Behrste“ aus der Luft

Es läuft harmonisch. Auch weil jeder seinen eigenen Bereich hat. „Manchmal essen wir alle zusammen. Aber nur, wenn es passt. Jeder wie er mag“, sagt Günter Zint, der vier Töchter und einen Sohn von drei Frauen hat. Er ist mit sieben Geschwistern aufgewachsen, hat sein Leben in WGs und Kommunen verbracht. Alleine leben – das kennt er nicht und wollte es auch nie. „Ich weiß gar nicht wie das geht.“ Eine Gemeinschaft, in der jeder für jeden da ist und trotzdem sein eigenes Leben hat – das ist für ihn und seine Hofgemeinschaft ein erfülltes Zusammenleben.

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