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  • Foto: picture alliance / ZB

„Zukunftsgefährdend“: Rutscht der Norden wegen Corona in die Schuldenkrise?

Kiel –

Es geht um eine Riesensumme: Schleswig-Holstein plant eine weitere Neuverschuldung von fast sechs Milliarden Euro zur Bewältigung der Corona-Pandemie. Der Rechnungshof hat dazu kritische Fragen.

Schleswig-Holsteins Rechnungshof warnt in der Corona-Krise vor einer zukunftsgefährdenden Verschuldung. Wenn der Landtag am Donnerstag wie erwartet weiteren Krediten in Höhe von 5,7 Milliarden Euro zustimme, steige die Gesamtsumme als Reaktion auf die Corona-Krise auf gewaltige 6,7 Milliarden Euro, sagte Präsidentin Gaby Schäfer. Damit gehöre der Norden bei der Neuverschuldung im Zuge der Pandemie gemessen an Bevölkerung, Wirtschaftskraft und Haushaltsvolumen zum Spitzentrio unter den Ländern. Erforderlich seien Schwerpunktsetzungen. „Schleswig-Holstein muss den Tatsachen ins Auge blicken und seine Ausgaben in den nächsten Jahren an die niedrigeren Steuereinnahmen anpassen.“

Schleswig-Holstein: Dauerverschuldung gefürchtet

Für 2020 habe der Rechnungshof Verständnis dafür, dass die hohen Ausgaben und Mindereinnahmen nicht im laufenden Haushalt eingespart werden können. Schäfer stellte aber infrage, ob mit der Pandemie begründete Kredite für die kommenden Jahre zum Beispiel für Kitas, Radwege, Digitalisierung oder Klimaschutz tatsächlich corona-bedingt sind. Der Rechnungshof übt als oberste Landesbehörde die Finanzaufsicht über die Landesregierung, die Ministerien und sämtliche Landesbetriebe aus.

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Schäfer kritisierte auch die Absicht der Jamaika-Koalition, über einen Zeitraum von zehn Jahren die Modernisierung der Infrastruktur mit 2,5 Milliarden Euro neuen Schulden zu finanzieren. „Das geht zu weit, weil damit die Schuldenbremse-Regel zu sehr überspannt wird.“ Die Rechnungshöfe des Bundes und der Länder hatten im September einhellig gefordert, notlagenbedingte Kredite im jeweiligen Haushaltsjahr nur in der Höhe aufzunehmen, in der sie tatsächlich zur Krisenbewältigung benötigt werden. Zudem sei Jahr für Jahr darzulegen, dass eine Neuverschuldung wirklich pandemiebedingt ist.

Rechnungshof-Präsidentin übt Kritik an Krisenbewältigung

Aus Schäfers Sicht hätte das Land für 2021 und 2022 auch einen Zwei-Jahres-Haushalt aufstellen können, um für diesen Zeitraum einen konkreten Bezug zu einer Notlage rechtfertigen zu können. Sie stellte auch die Frage nach Konsolidierungsbemühungen des Landes, also nach der Bereitschaft, die Ausgaben den mit der Krise geschrumpften Einnahmen anzupassen.

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Mit der geplanten Rekordverschuldung hätten künftige Politiker-Generationen kaum noch Gestaltungsspielräume, sagte die Rechnungshof-Präsidentin. Es sei Aufgabe von Regierung und Landtag, Schwerpunkte zu setzen. Sie müssten kritisch an die Ausgaben herangehen, gerade auch im Blick auf das Personal. Dass bis 2030 rund 13.000 Mitarbeiter in den Ruhestand gehen werden, sei eine historische Chance. Man könne nicht durchgängig sagen, Personal könne nirgends abgebaut werden. „Wenn alles gleich wichtig ist, kommt es nicht zu den notwendigen Schwerpunktsetzungen“, sagte Schäfer.

Schleswig-Holstein: Schulden wachsen auf 38 Milliarden Euro

Der Landtag soll am Mittwoch den vierten Nachtragshaushalt für dieses Jahr beschließen. Vorgesehen ist zum einen eine Erhöhung der Kreditermächtigung um 1,2 Milliarden Euro. Außerdem ist ein Notkredit von insgesamt 4,5 Milliarden Euro geplant. Auf diesen hatte sich Jamaika mit den Oppositionsfraktionen von SPD und SSW verständigt. Hierfür ist im Parlament eine Zweidrittel-Mehrheit erforderlich. Einen Notkredit von einer Milliarde Euro hatte der Landtag schon im Frühjahr beschlossen. Der Schuldenberg des Landes wird nach den aktuellen Planungen von 29 Milliarden Euro im vorigen Jahr bis 2024 auf 38 Milliarden wachsen.  (dpa/se)

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