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Wucher-Preise: Schlüsseldienst-Abzocker vor Gericht – so schützt man sich

Hannover –

Die Haustür schlägt zu und lässt sich nicht mehr aufschließen: Wer in dieser Lage einen Schlüsseldienst googelt, kann bei der Rechnung nach dem Öffnen der Tür böse überrascht werden – so wie ein Ehepaar bei Hannover.

Verbraucherschützer warnen regelmäßig vor dubiosen Schlüsseldiensten, die überzogene Preise für das Öffnen von Türen kassieren und dabei die Notlage der Ausgesperrten ausnutzen. Wie unseriöse Anbieter vorgehen, zeigte am Donnerstag ein Prozess im Landgericht Hannover. Ein 25-Jähriger musste sich wegen strafbaren Wuchers verantworten. Er soll vor knapp zwei Jahren einem Ehepaar in Burgwedel (Region Hannover) rund 750 Euro für das Öffnen der Wohnungstür und den Austausch des Schließzylinders abgeknöpft haben.

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Der Angeklagte bestritt, überhaupt am Einsatzort gewesen zu sein. Er habe seine Handynummer seinem Cousin überlassen, der einen Schlüsseldienst in Essen betreibt, sagte der stämmige Mann mit Bart aus dem hessischen Fulda. Der Cousin sagte als Zeuge, er sei damals mit seinem Sub-Unternehmen tatsächlich im Raum Hannover unterwegs gewesen, könne sich aber nicht an den konkreten Fall erinnern. Gegen den 24-Jährigen wird nach Angaben der Verteidigerin in mehreren ähnlichen Verfahren im norddeutschen Raum ermittelt.

Gutachter im Prozess: Mehr unseriöse als seriöse Schlüsseldienste

Nach Angaben eines Gutachters im Prozess gibt es inzwischen mehr unseriöse Schlüsseldienste als seriöse. Viele der schwarzen Schafe schalteten lange Zeit Anzeigen bei Google, um bei einer Suche ganz oben zu erscheinen und den Anschein eines örtlichen Unternehmens zu erwecken.

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Seit Mai 2019 ist dies nicht mehr möglich. „Zum Schutz der Nutzer haben wir entschieden, Anzeigen für Schlüsseldienste in Deutschland bis auf weiteres zu pausieren“, sagte eine Google-Sprecherin. „Wir werden einen Zertifizierungsprozess ähnlich dem in den USA und Kanada auch in Deutschland einführen.“ Seit dieser Änderung hat sich die Situation nach Einschätzung der Verbraucherzentrale Niedersachsen etwas gebessert. Die Zahl der Beratungen zum Thema unseriöse Schlüsseldienste oder Rohrreiniger habe sich von 300 im Jahr 2018 auf 170 im Jahr 2019 verringert, hieß es. 

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Auch in dem in Hannover verhandelten Fall hatten sich die Opfer zunächst an die Verbraucherschützer gewandt, denn schon als der Monteur das Haus verließ, wurde dem Ehepaar klar, dass es übers Ohr gehauen worden war.
Die Mutter hatte die zweijährige Tochter Mitte März 2018 in der Wohnung zurückgelassen, um Wäsche in den Keller zu bringen. Als sie zurückkam, ließ sich die Tür mit ihrem Schlüssel nicht mehr öffnen. Auch der Ehemann, der von seiner Arbeitsstelle herbeigeeilt war, konnte nicht aufschließen. Er googelte einen Schlüsseldienst, landete in einem Call-Center und das Unheil nahm seinen Lauf.

Hannover: Monteur fertigte viel zu hohe Rechnung

Der Monteur habe ihn als erstes eine Rechnung in Höhe von rund 200 Euro unterschreiben lassen, diese aber im Laufe des kurzen Einsatzes immer weiter ergänzt, berichtete der Vater. Schließlich habe er ihn dazu gedrängt, die Summe von 746,96 Euro per EC-Karte zu bezahlen. Dies werde ohnehin die Versicherung zahlen, habe der stämmige Techniker mit Basecap ständig beteuert. „Ich war wie blind“, sagte der 37-Jährige. „Der Verstand war in dem Moment wie ausgeschaltet, weil man in dieser Schocksituation war.“ Als der Monteur weg war, habe er ihn sofort auf dem Handy angerufen, der Mann habe aber sinngemäß gemeint, das sei jetzt nicht mehr sein Problem.

Gericht in Hannover: Angeklagte strebt Freispruch durch Berufung an

Das Amtsgericht Burgwedel hatte den Angeklagten bereits zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen a 10 Euro verurteilt. Der 25-Jährige strebt mit der Berufung im Landgericht jedoch einen Freispruch an, auch wenn das Ehepaar ihn auch im neuen Prozess zweifelsfrei identifizierte.

Der schlaksige Cousin, der eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Angeklagten hat, komme nicht als Täter in Frage, sagten beide. Die Verteidigung will nun neue Beweisanträge stellen, nächster Verhandlungstermin ist der 21. Januar.

Schlüsseldienst-Notfall: So schützt man sich vor Betrügern

Die Mehrheit der von Schlüsseldiensten geschädigten Kunden versuche erst gar nicht, das zu viel gezahlte Geld zurückzubekommen, sagte Kai Kirchner, Leiter der Verbraucherzentrale in Hannover. Auch unter Rohrreinigungs-Unternehmen seien viele unseriöse Abzocker.

Die Verbraucherzentrale Niedersachsen rät, schon vor der Anfahrt der Monteure am Telefon einen Festpreis zu vereinbaren. Zudem sollte man nichts bezahlen, wenn einem die Rechnung überzogen erscheine. Im Fall des Ehepaares hatte die Leistung des Monteurs nach Gerichtseinschätzung maximal 200 Euro gekostet, laut dem Gutachter wahrscheinlich sogar noch weniger. (mp/dpa)

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