MOPO macht den Check: Sylt vs. Rügen – welche Insel ist schöner?
Die eine ist die größte Insel Deutschlands, die andere fühlt sich als Königin und rühmt sich der teuersten Quadratmeterpreise des Universums (naja, fast). Die eine liegt in der als „Badewanne für Warmduscher“ verspotteten Ostsee, an der anderen nagt die wilde Nordsee. Und sonst so? Was unterscheidet Rügen und Sylt? Und was verbindet sie? Die MOPO macht den Insel-Check.
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Die eine ist die größte Insel Deutschlands, die andere fühlt sich als Königin und rühmt sich der teuersten Quadratmeterpreise des Universums (naja, fast). Die eine liegt in der als „Badewanne für Warmduscher“ verspotteten Ostsee, an der anderen nagt die wilde Nordsee. Und sonst so? Was unterscheidet Rügen und Sylt? Und was verbindet sie? Die MOPO macht den Insel-Check.
Anfahrt
Sylt: Fast alle kommen über den Hindenburgdamm. Stau vor der Autoverladestation in Niebüll gehört zum echten Sylt-Sommerferienfeeling dazu. Alternative: Privatjet – oder die Fähre von Dänemark.
Rügen: Zu erreichen über den alten Rügendamm oder die 2007 eingeweihte Hochbrücke, beide an Samstagen in der Hochsaison sichere Staufallen. Immerhin: Von der Brücke aus hat man eine spektakuläre Fernsicht aus 42 Metern Höhe.
Sonnenstunden
Sylt: In List werden über das gesamte Jahr etwa 2466 Sonnenstunden gezählt. Die Tiefausläufer vom Atlantik sind schuld, dass öfter mal Drama herrscht am Himmel.
Rügen: In Binz scheint die Sonne über das gesamte Jahr statistisch 2613 Stunden.
Übernachtungen
Sylt: 6,3 Millionen (2019 vor Corona), auf schmalen 99 Quadratkilometern
Rügen: 6,4 Millionen (2019) auf gut 900 Quadratkilometern
Was gibt‘s zu entdecken?
Sylt: Wunderbare Heidedünen, Sandregenpfeifer und Küstenseeschwalbe an der Hörnummer Odde, Deutschlands nördlichster Zipfel am Ellenbogen, die alten Wälle der „Tinnumburg“, staunenswerte Immobilienanzeigen in den Schaufenstern der Maklerbüros in Kampen, überraschende Stille an der Wattseite
Rügen: Baumalleen und Sanddorn (die „Zitrone des Nordens“), Putbus mit seinen strahlend weißen Häusern um den kreisrunden „Circus“, Einsamkeit am „Palmer Ort“, die Schmalspurbahn „Rasender Roland“ (zum Beispiel bis Putbus), das „Ufo von Binz“, einen ehemaligen Rettungsturm, in dem man inzwischen heiraten kann
Souvenirs
Sylt: Irgendwas mit den gekreuzten Schwertern der Sansibar drauf und Rosen-Sirup
Rügen: Gesichtsmaske aus Kreide und Sanddorn-Sirup
Die Inseln in der Kulturgeschichte
Sylt: „Diese eine Liebe wird nie zu Ende gehen…“: Die Ärzte haben 1988 mit „Westerland“ die ewige Sylt-Hymne geschrieben.
Rügen: Mit den „Kreidefelsen von Rügen“ schuf Caspar David Friedrich 1818 das berühmteste Gemälde der deutschen Romantik. Da war Westerland noch Jahrzehnte davon entfernt, überhaupt ein Badeort zu werden.
Farbe der Steilküste
Sylt: Glutrot, 30 Meter hoch (Kliff zwischen Wenningstedt und Kampen). Die besonders bei Sonnenuntergang rot leuchtende Abbruchkante diente Seeleuten Jahrhunderte lang als Orientierung. Brach im Januar 2022 beim Orkan Nadia noch etwas mehr ab.
Rügen: Kreideweiß, 118 Meter hoch (Kreidefelsen von Jasmund). Achtung: Ende Juni 2022 wird der berühmte Königsstuhl gesperrt. Auch hier gibt‘s ein Bröckel-Problem, darum wird eine neue Plattform gebaut, die an einem Mast hängend über den weißen Felsen schweben soll.
Promi-Faktor
Sylt: Ach! Schon in den 20ern war die Insel ein Hotspot: Marlene Dietrich war hier, Tanz-Pionierin Gret Palucca tanzte nackt in den Dünen und Thomas Mann schrieb „An diesem erschütternden Meere habe ich tief gelebt“ (sein eigenes Ferienhaus baute er sich allerdings an der Ostsee). Gunter Sachs hatte ein Haus in Keitum und machte Sylt in den 70ern zum Saint Tropez des Nordens. Axel Springer und Rudolf Augstein residierten unter Reet, heute zählen Guido Maria Kretschmer, Jürgen Klopp, Günther Jauch und Johannes B. Kerner zu den prominenten Zweitwohnsitzlern. Ach ja: Finanzminister Christian Lindner (FDP) heiratet am 9. Juli in der Sansibar. Wo sonst.
Rügen: Tja. Angela Merkel soll mal hier gewesen sein, mit dem norwegischen Kronprinzenpaar. Ach ja: Klaus Störtebeker soll auf Rügen geboren worden sein. Rügen-Fans sind ausbleibende Promi-Sichtungen allerdings total wumpe.
Autoaufkleber
Sylt: Sylt. Und die gekreuzten Schwerter der Sansibar.
Rügen: „Wer Rügen kennt, kann Sylt vergessen.“
Architektur und Bausünden
Sylt: Die Insel ist Reetdach-Country, jedenfalls dort, wo das Geld urlaubt. Als Bausünde gilt das Kurzentrum in Westerland, dem 1966 mehrere kleine Hotels weichen mussten. Immerhin: Der Wolkenkratzer „Atlantis“ mit 25 Stockwerken und 750 Apartments, der nebenan errichtet werden sollte, kam dann doch nicht. Auch das neueste Superreichen-Domizil, der Lanserhof in List, gilt vielen als Sünde, weil für den Bau eine Düne abgetragen wurde. Der Sand wurde für den Küstenschutz genutzt und dabei landete – sicher versehentlich – auch Bauschutt im Watt.
Rügen: Rund 300 schneeweiße Strandvillen im Stil der Bäderarchitektur haben die DDR überlebt, mit Balkonen, Türmchen, Holzverzierungen. Aber auch das Betonmonster, der „Koloss von Prora“. Mehrere Blöcke des unvollendeten Nazi-Seebads für 20.000 Urlauber wurden inzwischen zu luxuriösen Appartements umgebaut, bei deren Vermarktung Begriffe wie „Nationalsozialismus“ und „Nationale Volksarmee“ lieber vermieden werden.
Einwohner und ihre Sorgen
Sylt: Knapp 18.000 Sylter leben auf 99 Quadratkilometern, davon fast die Hälfte in Westerland. In den anderen Orten herrscht an Wochentagen außerhalb der Saison oft Totentanz, bis wieder die dicken Autos mit Hamburger oder Berliner Kennzeichen in den Auffahrten der Zweitwohnsitze auftauchen. Die „Versyltung“ ist der Alptraum aller Urlaubsorte, denn das heißt: Nach dem Ausverkauf kann sich kein Einheimischer mehr das Wohnen vor Ort leisten. Und die Betriebe finden wegen der hohen Mieten keine Mitarbeiter mehr.
Rügen: 77.000 Einwohner auf rund 900 Quadratkilometern. Platz gibt‘s genug, aber die Immobilienpreise sind für Einheimische kaum mehr zu wuppen, Sylt lässt grüßen.
Buchtipps für den Strandkorb
Sylt: „Ozelot und Friesennerz“ und „Diese eine Liebe wird nie zuende gehen“ von Susanne Matthiessen, die in beiden Büchern mit nostalgischem Blick (und höchst amüsant) das Sylt ihrer Kindheit beschreibt – und klare Worte findet für das, worauf die Insel gerade zusteuert. Strandkorb: zwischen 15 Euro (Westerland) und 10 Euro (Hörnum).
Rügen: „Meine Inselbuchhandlung“ von Petra Dittrich, die ihre Kindheit auf Rügen beschreibt – und den Aufbau ihrer Buchhandlung in Gingst. Wer‘s klassisch mag: „Elizabeth auf Rügen“, ein Reiseroman von Elizabeth von Arnim aus dem Jahr 1904. Strandkorb: 7,50 bis 10 Euro.
Leuchttürme
Sylt: 5
Rügen: 6
Seebrücken
Sylt: Null. Im Jahr 2005 hatten Investoren die Idee, die Friedrichstraße auf einer 1,1 Kilometer langen Seebrücke in die Nordsee zu verlängern. Hat aber keine Mehrheit gefunden. Man läuft weiter am, nicht über dem Wasser.
Rügen: Vier! Sellin (394 Meter, mit Tauchkugel) Binz (370 Meter), Göhren (270 Meter), Drankse (170 Meter)
Sylt vs. Rügen: Welche Insel ist nun schöner?
Rügen und Sylt – das ist wie mit den Beatles und den Stones, oder wie mit Puma und Adidas: Wenn man sich einmal entschieden hat, gibt‘s kein Zurück. Auf beiden Inseln berichten die Wirte gerne von Stammgästen, die mal „die andere“ ausprobiert haben – und im nächsten Sommer wieder auf der Matte standen.