Verkehrsplaner, Umweltschützer, Archäologen: Der Streit um das Eiszeit-Paradies
Das Ahrensburger Tunneltal, das sich auf sieben Kilometern Länge von Rahlstedt bis nach Ahrensburg (Kreis Stormarn) erstreckt, zählt zu den prominentesten Denkmallandschaften Nordeuropas. Es ist als archäologisches Grabungs- und zugleich als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Umweltschützer befürchten allerdings seine baldige Zerstörung: Grund dafür sind die Pläne der Deutschen Bahn.
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Das Ahrensburger Tunneltal, das sich auf sieben Kilometern Länge von Rahlstedt bis nach Ahrensburg (Kreis Stormarn) erstreckt, zählt zu den prominentesten Denkmallandschaften Nordeuropas. Es ist als archäologisches Grabungs- und zugleich als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Umweltschützer befürchten allerdings seine baldige Zerstörung: Grund dafür sind die Pläne der Deutschen Bahn.
In den Schlammablagerungen eiszeitlicher Seen, die das Tal einst ausfüllten, blieben Relikte der späteiszeitlichen Welt bis heute erhalten. „Dort hatten Wildbeuter ihr Jagdrevier und haben Spuren hinterlassen“, sagt Dr. Ulf Ikkerodt, Leiter des Archäologischen Landesamt von Schleswig-Holstein. „Sie lauerten Rentieren auf, die das Tal auf ihrer jährlichen Wanderung durchquerten.“ Er vermutet, das in den Schichten noch tausende von Rentierknochen liegen. Die ältesten gefundenen Pfeile dieser Jäger stammten von dieser zwischen 9600 und 12.600 Jahren bestehenden Kultur.
Ahrensburger Tunneltal: Kritik von Umweltschützern zur S4
Durch eben dieses Tunneltal soll die neue Linie der S4 Hamburg mit Bad Oldesloe verbinden. Die bereits heute durch das Ahrensburger Tunneltal hindurchführende Regionalbahnstrecke soll dafür von zwei auf vier Gleise ausgebaut und zusätzlich für den Güterverkehr freigegeben werden. Zudem soll der Bahnübergang „Brauner Hirsch“ geschlossen und durch ein Brückenbauwerk ersetzt werden.
Ob der S4-Bau tatsächlich das Tunneltal bedroht – darüber sind sich die Archäologen und Umweltschützer uneinig. „Natürlich bedeutet das eine Verschlechterung und vor allem Zerschneidung der Landschaft“, sagt Florian Schulz, Kreisvorsitzender des BUND Stormarn. „Wir befürchten, dass das Tunneltal durch den Bahnausbau noch stärker isoliert und vom Rest der Natur abgeschnitten wird. Wenn der Gleiskörper breiter wird, trauen sich Rehe nicht mehr auf die andere Seite oder werden schneller getötet.“
Archäologen haben keine Bedenken wegen S4-Bau
Die Bahn wehrt sich gegen die Vorwürfe. „Es wird der Eindruck erweckt, wir würden mit zwei neuen Gleisen direkt dadurch fahren. Das stimmt nicht. Wir fahren am Rande des Naturschutzgebietes, das heißt, es wird nicht zerschnitten“, sagt ein Sprecher. Die geplante Brücke sei so konzipiert, dass sie nur den minimal notwendigsten Eingriff in den Boden vornehme.
Ikkerodt, der die Planungen der Deutschen Bahn begleitete, hat bezüglich des archäologischen Erbes jedenfalls keine Bedenken. „Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass durch die S4-Bauarbeiten zwar eine Beeinträchtigung entsteht – diese ist aber nicht wesentlich“, sagt er. „Grund dafür ist die bestehende Verkehrsinfrastruktur mit der bereits bestehenden Bahntrasse.“ Das geplante Brückenbauwerk bezeichnet er sogar als eine Verbesserung. „Dieses ermöglicht völlig neue Einsichten und Blicke in das Tunneltal.“
Neue S4-Linie: In Hamburg wird der erste Abschnitt gebaut
Ob die S4 auf diesem Abschnitt tatsächlich so gebaut wird, steht noch nicht fest. „Im kommenden Jahr werden die Planungen öffentlich ausgelegt“, so der Bahnsprecher. „Die Rückmeldungen werden dann bearbeitet. Wir gehen davon aus, dass wir ab 2026 anfangen können, dort zu bauen.“
Währenddessen sind die S4-Arbeiten im ersten Abschnitt von Hasselbrook bis Luetkensallee bereits in vollem Gange. Ab 2029 soll die neue Linie dann von Altona bis nach Bad Oldesloe fahren und bis zu 25.000 Menschen in Wandsbek, Marienthal, Tonndorf, Rahlstedt und im Kreis Stormarn an das Hamburger Schnellbahnnetz anschließen. Das Projekt kostet rund 1,85 Milliarden Euro, wovon der Bund 84 Prozent trägt. Den Rest teilen sich die Länder und die Bahn zu unterschiedlichen Anteilen.