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Eine historische Postkarte des Nordseeheilbads Borkum. Eine Studie deckte jetzt den Umfang von Missbrauch an sogenannten Verschickungskindern in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg in St. Peter-Ording auf.
  • Eine historische Postkarte des Nordseeheilbads Borkum. Eine Studie deckte jetzt den Umfang von Missbrauch an sogenannten Verschickungskindern in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg in St. Peter-Ording auf.
  • Foto: picture alliance/dpa/Sabine Ludwig

Studie: Das mussten Verschickungskinder im Norden alles ertragen

Eine Studie deckt die erschreckende Wahrheit hinter den sogenannten „Erholungskuren“ in St. Peter-Ording nach dem Zweiten Weltkrieg auf. Sie zeigt, wie sehr die Verschickungskinder leiden mussten.

Eine Studie der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) zeigt Umfang und Grenzen von Missbrauch an sogenannten Verschickungskindern in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg in St. Peter-Ording. So hätten ehemalige Verschickungskinder sehr häufig von physischer Gewalt wie körperlicher Züchtigung, Einsperren, Essensentzug oder Essenszwang berichtet, wie aus der am Dienstag in St. Peter-Ording vorgestellten Untersuchung hervorgeht. Sie beruht auf mehreren Tausend Seiten Archivmaterial, zehn Einzelinterviews und mehreren Hundert Fragebögen einer externen Erhebung.

Auch seelische Gewalt sei häufig bei Interviews mit Betroffenen genannt worden. Dazu gehören etwa Beschimpfungen, Nichtbeachtung, Bloßstellen, Vorführen, Herabsetzen oder Verbote. Sehr selten sei es außerdem zu sexualisierter Gewalt oder Arbeitszwang gekommen.

Gewalt als Mittel der Gesundheitsfürsorge

Nach Angaben von Helge-Fabian Hertz vom Historischen Seminar der CAU dienten die Gewaltmaßnahmen aus Sicht der damals Verantwortlichen der Gesundheitsfürsorge. So sollte mit dem Kontaktverbot zu den Eltern, das unter seelische Gewalt falle, Heimweh reduziert werden. „Damals war das so, das geht hin bis zur Körperstrafe. Das ist heutzutage natürlich undenkbar.“

Die Berichte aus St. Peter-Ording können nach Angaben der Autoren dagegen nicht belegen, dass es systematische Gewaltanwendungen aus niederen oder ideologischen Beweggründen gab, wie etwa Sadismus. Sie unterscheiden sich nach Hertz‘ Angaben auch substanziell von den Erziehungsheim-Skandalen, wo es häufig um sexuellen Missbrauch geht. Das habe auch etwas mit der Dauer des Aufenthalts zu tun. „Natürlich ist jede Gewalterfahrung eine zu viel.“

Die Kinderkuren von drei bis sechs Wochen Dauer begannen bereits kurz nach dem Krieg, um sogenannten Bunkerkindern Erholung zu verschaffen. In der Blütezeit der Verschickung in den 1950er- und 60er-Jahren gab es etwa 30 Heime in St. Peter-Ording. Die Studie geht von insgesamt etwa 325.000 Kindern aus, die in dem nordfriesischen Ort Erholungskuren verbrachten.

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Für alle Bundesländer der damaligen Bundesrepublik wird die Zahl der in Kuren verschickten Kinder von 1945 bis 1990 nach unterschiedlichen Berechnungen auf sechs bis acht Millionen oder sogar auf zwölf Millionen geschätzt. (dpa)

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