Feuerwehr-Posse bei Hamburg: Schräger Streit um Drehleiter
Das Örtchen Oering im Kreis Segeberg mit seinen rund 1500 Einwohnern ist stolz auf seine Freiwillige Feuerwehr. Seit mehr als 20 Jahren ist Maik Grell dort Wehrführer. Vor geraumer Zeit hat er eine fragwürdige Entscheidung getroffen, die inzwischen Politiker im ganzen Landkreis beschäftigt. Es geht um ein Drehleiter-Fahrzeug, das Grell im Bedarfsfall lieber von weit entfernten Feuerwehren ruft, statt von den Kameraden im benachbarten Itzstedt. Das können einige Verantwortliche nicht nachvollziehen.
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Das Örtchen Oering im Kreis Segeberg mit seinen rund 1500 Einwohnern ist stolz auf seine Freiwillige Feuerwehr. Seit mehr als 20 Jahren ist Maik Grell dort Wehrführer. Vor geraumer Zeit hat er eine fragwürdige Entscheidung getroffen, die inzwischen Politiker im ganzen Landkreis beschäftigt. Es geht um ein Drehleiter-Fahrzeug, das Grell im Bedarfsfall lieber von weit entfernten Feuerwehren ruft, statt von den Kameraden im benachbarten Itzstedt. Das können einige Verantwortliche nicht nachvollziehen.
Bislang erledigten die Freiwilligen Feuerwehren der kleineren Ortschaften im Kreis Segeberg die Brandbekämpfungen und Notfalleinsätze ohne eine solche Drehleiter. Wenn doch mal eine gebraucht wurde, forderten sie diese von der Feuerwehr aus dem rund 15 Kilometer entfernten Kaltenkirchen an. Und sollte die bereits anderweitig im Einsatz sein, fragten die Retter bei den Kameraden im 26 Kilometer entfernten Norderstedt an.
In der wachsenden Ortschaft Oering sowie ihren Nachbarorten stiegen die Einsatzzahlen jedoch stetig an. Aufwendigere Bauten und klimatische Veränderungen stellten neue Herausforderungen für die Wehren dar. Immer häufiger wurde eine Drehleiter gebraucht.
Drehleiter: Wachsende Ortschaften machen Anschaffung notwendig
Doch die Anfahrten erwiesen sich immer als langwierig. Die Kaltenkirchener Retter brauchten 17 Minuten bis nach Oering, die Norderstedter gar 26 Minuten. In Gefahrensituationen ist das kostbare Zeit. Und: Für das Anrücken des Kaltenkirchener und Norderstedter sollen zudem Gebühren angefallen sein.
All dies veranlasste die Verantwortlichen der Ortschaften Itzstedt und Nahe – rund dreiehalb Kilometer von Oering entfernt – zu kooperieren. Gemeinsam finanzierten sie im Dezember 2019 für 50.000 Euro eine gebrauchte Drehleiter: schon ein paar Jahre alt, aber sicherheitstechnisch auf dem neuesten Stand.
Nach und nach wurden Wehrmitglieder, von denen einige sogar hauptberuflich bei der Berufsfeuerwehr Hamburg und der Flughafenfeuerwehr angestellt sind, an dem technisch hochwertigen und anspruchsvollen Gerät geschult. Doch als der sichere Einsatz gewährleistet war und das Leiterfahrzeug in Dienst gestellt wurde, kam es zum Eklat: Maik Grell, der Wehrführer von Oering, weigerte sich, das Rettungsmittel im Notfall von der Freiwilligen Feuerwehr Itzstedt anzufordern. Stattdessen ließ er weiterhin die Kaltenkirchener oder die Norderstedter anrücken.
Und er ging sogar noch weiter: Grell ließ die Drehleiter aus Itzstedt nicht in die Alarmierungsschleife aufnehmen. Diese besagt, welches nächstgelegene und geeignete Rettungsmittel im Notfall an- oder nachrückt. Als im Februar drei Stürme binnen einer Woche den Norden heimsuchten, war die Itzstedter Drehleiter häufig im Einsatz, nur in Oering nicht. Auf MOPO-Nachfragen zu den Gründen für seine Entscheidung reagierte Grell nicht.
Gemeindewehrführer will Itzsteder Drehleiter nicht
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„Die Gemeinden warten lieber zehn Minuten länger auf eventuell lebensnotwendige Hilfe“, sagt Dr. Manfred Hoffmann verärgert. Der CDU-Gemeindevertreter aus Nahe ist recht ungehalten über das Verhalten von Oerings Wehrführer Grell.
Politiker wollen Wehrführer und Bürgermeister verklagen
Dessen Gründe gegen die Drehleiter aus der direkten Nachbarschaft seien „mit normalen Menschenverstand“ nicht nachvollziehbar, sagt der Politiker zur MOPO. Er kündigte an, Strafanzeige gegen den Oeringer Wehrführer sowie Oerings Bürgermeister Bodo Nagel zu stellen, sollte beispielsweise Personen zu Schaden kommen, weil bei einem Einsatz bewusst auf die Alarmierung der Itzstedter Drehleiter verzichtet wurde.
Denn Bürgermeister Nagel beruft sich bei der Entscheidung, das Rettungsmittel aus Itzstedt nicht anzufordern, auf eine Alarm- und Ausrückeordnung, die ihm Wehrführer Grell vorgelegt habe. Besonders pikant: Grell bestimmt als Gemeindewehrführer selbst die Anordnung, welche Wehr wann alarmiert wird.
„Dabei müsste doch gerade Nagel wissen, wie wichtig es ist, dass im Notfall ein geeignetes Rettungsgerät rasch am Einsatzort ist. Immerhin ist er nicht nur Bürgermeister, sondern auch ehemaliger Leiter der Kaltenkirchener Polizei“, sagt ein Feuerwehrmann, der den Zwist mit Argwohn betrachtet.
Segebergs Kreiswehrführer Nero spricht kein Machtwort
Kreiswehrführer Jörg Nero vom Kreisfeuerwehrverband Segeberg, ist ratlos. Auf MOPO-Nachfrage kann auch er sich die Haltung von Grell nicht erklären. „Grell ist Wehrführer der Gemeinde, zu der auch Itzstedt und Nahe gehören. Er legt die Ausrückefolge fest und entscheidet damit, welches Rettungsmittel alarmiert wird. Sollte in dem speziellen Fall mit der Drehleiter etwas schief laufen, würde sich Grell wegen eines Organisationsverschuldens strafrechtlich verantworten müssen.“ Damit untermauert Nero die Aussagen des CDU-Politikers.
Das Argument von Oerings Wehrführer Grell, dass die Kommune in Zukunft die neue Drehleiter in Itzstedt mitfinanzieren müsse, ist nach Auskunft von Jörg Nero und auch Dr. Hoffmann „völliger Quatsch“. Die Anschaffungskosten haben die Gemeinden Itzstedt und Nahe übernommen. Sie tragen auch die Wartungskosten. Auch eine Gebühr für den Einsatz fällt nicht an. Beide können sich die Haltung Grells nicht erklären.
Bürgermeister verteidigt Maßnahmen des Wehrführers
Oerings Bürgermeister gab sich in einem Telefonat mit der MOPO entspannt. „Sowohl die Brandschutzverordnung als auch die Alarmierungsfolgen sind geprüft, beim Brandschutzamt gegengecheckt und dann von mir für richtig befunden worden. Im Bereich der Gemeinde Oering gibt es keine Gebäude der Gefahrenklasse 2, das heißt, auch bei einem kritischen Wohnungsbrand besteht nicht das Erfordernis des Einsatzes einer Drehleiter als zweitem Rettungsweg.“ Und: „Es gibt plausible Gründe, warum weiterhin auf die Drehleitern aus Kaltenkirchen, Norderstedt und Henstedt-Ulzburg gesetzt wird“.
Nach MOPO-Informationen meint der Bürgermeister damit ein personelles Problem, welchem selbst in einer Großstadt wie Hamburg Sorge getragen wird: Um immer genügend Rettungskräfte vor Ort zu haben, werden im Einsatzfall mehrere Wehren aus der näheren Umgebung alarmiert. Die rücken dann mit jeweils mindestens einem vollbesetzten Löschfahrzeug an.
Oerings Wehrführer befürchtet, dass im Alarmfall nur die mit zwei Mann besetzte Drehleiter aus Itzstedt anrücken würde und dann nicht genügend Retter vor Ort sein könnten. Dieser Sorge widerspricht allerdings die von der MOPO recherchierte Einsatzstatistik der Freiwilligen Feuerwehr Itzstedt. Demnach ist die Drehleiter seit deren Anschaffung im Alarmfall immer in Verbindung mit einem zusätzlichen Löschfahrzeug und entsprechender Truppstärke ausgerückt.