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Aminata Touré wird die erste afrodeutsche Ministerin in Deutschland.
  • Aminata Touré ist die erste afrodeutsche Ministerin in Deutschland. Sie gilt als rhetorisch stark und hat eine große Präsenz in den sozialen Medien.
  • Foto: imago/penofoto

„Nur im Netz performen reicht eben nicht”: Harsche Kritik an Touré

Sie ist eine große Hoffnungsträgerin der Grünen und hat eine Blitzkarriere hingelegt: Gemeint ist die Kieler Sozialministerin Touré. Die 30-Jährige sorgt bundesweit für Aufsehen, hat im eigenen Regierungslager aber nicht nur Fans.

In Berlin wurde Aminata Touré zur „Aufsteigerin des Jahres” gekürt, die deutsche „Vogue” widmete ihr als erster amtierender Ministerin ein Titelbild, in sozialen Medien ist sie stark präsent und ein Buch schrieb die heute 30-Jährige auch schon. Die Grüne hat im ersten Jahr als Landesministerin für Soziales, Jugend, Familie, Senioren, Integration und Gleichstellung überregional Aufsehen erregt. Doch hält ihre Leistungsbilanz da mit? Nein, sagt die Opposition. Und auch im Regierungslager wird in „schwarzen” Reihen gemurrt, weil Touré „nicht liefert” wie gewünscht.

Was sagt die selbstbewusste und rhetorisch starke Politikerin selbst dazu, die 2017 mit 24 in den Landtag kam? „Wir haben sehr viel bei Kitas sowie im Flucht- und Migrationsbereich hinbekommen.” Eine Fachkräfte-Initiative für Kitas und finanzielle Entlastungen von Kita-Eltern nennt sie als Beispiele. „Im Fluchtbereich haben wir Vereinbarungen mit den Kommunen abgeschlossen, um sie bei der Aufnahme zu entlasten, Wohnraum zu schaffen und Integration vor Ort zu ermöglichen.” Und die Plätze in den Erstaufnahmen seien so erhöht worden, dass der Norden unter den Flächenländern weit vorne rangiere. Kritiker monieren, Touré bekomme zu Erledigendes nicht so vom Tisch, wie es sein sollte. Viele Worte bei zu wenig praktischen Taten, ist die Quintessenz von Klagen auch aus dem Regierungslager.

Ministerin Touré steht im Rampenlicht – und in der Kritik

„Ich bin wirklich froh, dass wir jemanden ihrer Persönlichkeit in der Landespolitik haben”, sagt SPD-Fraktionschef Thomas Losse-Müller einerseits. Touré könne etwas durchkämpfen, sei klug und stark. „Ich wünschte mir aber, dass sie diese Talente stärker in Politik umsetzt und nicht nur in Followerzahlen.” Touré mache mehr Politik durch Bilder als durch Konzepte und Taten. „Was ich wirklich an ihr kritisiere ist, dass sie Sozialpolitik nicht als Strukturproblem versteht, sondern eher als eine konservative Almosenpolitik.”

Man könne nur Bilder produzieren, wenn man etwas tue, sagt Touré. Sie würden die Arbeit dokumentieren und Zugänge zur Politik schaffen. „Viele Menschen sagen mir, sie wollen verstehen, wie Politik funktioniert – und dabei möchte ich ihnen helfen durch meine Transparenz.” Sie sei sehr stolz auf die Dinge, die das Ministerium auf den Weg gebracht habe.

Die erste afrodeutsche Ministerin setzte schon als Abgeordnete im Landtag selbstbewusst Akzente. In den Koalitionsverhandlungen nach der Wahl 2022 zeigte Touré an der Seite von Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) energische Präsenz. Nun muss die gebürtige Neumünsteranerin, deren Familie nach einem Putsch aus dem westafrikanischen Mali nach Deutschland geflüchtet war, ein Haus mit rund 300 Mitarbeitern führen. Das Gesundheitsressort hatte sie mit Bildung der neuen Regierung vom Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) nicht von ihren Vorgängern übernommen. Da die Grünen es nicht wollten, geriet es ins CDU-geführte Justizministerium.

Bundesweit hat sich Touré wiederholt klar zu Wort gemeldet, Nachbesserungen bei der Pflegereform gefordert, den Bund für dünne Ergebnisse beim Flüchtlingsgipfel gerügt, den EU-Asylkompromiss klar kritisiert. Im Land erleichterte sie mit einer Gesetzesänderung den Quereinstieg in Kitas, tourte durchs Land, besuchte Flüchtlingseinrichtungen. Zumindest als unglücklich erwies sich im Nachhinein der bildträchtige Besuch eines Boxclubs: Zu dessen Umfeld gehört ein als rechtsextrem eingestufter Promoter.

Touré an Kritiker: „Lasst uns gerne über Sozialpolitik reden”

„In der Sozialpolitik setzt Touré bisher zu wenig Akzente”, befindet FDP-Fraktionschef Christopher Vogt. „Ihre Präsenz in den sozialen Medien ist bundesweit beinahe einmalig, aber nur dort zu performen, reicht halt nicht.” Wünschenswert wäre deutlich mehr Kommunikation auch mit den Sozialverbänden. „Von dort hören wir zunehmend Unmut”, sagt Vogt. „In der Migrationspolitik vertritt sie das genaue Gegenteil der CDU, was noch zu einem großen Problem werden wird.”

Glamour und Leistung stünden nicht im richtigen Verhältnis zueinander, monieren Kritiker auch. Touré sei für die Bedürftigsten zuständig; Fotos in Hochglanzmagazinen und Ähnliches passten dazu nicht recht. „Das hat mir noch niemand ins Gesicht gesagt”, entgegnet sie. „Es ist ja nicht so, dass man Fotos produziert und sich deswegen nicht mehr um politische Fragen kümmert.” Wer sich an inhaltlichen Punkten mit ihr reiben wolle, könne es gern tun. „Lasst uns gern über Kita, Flucht- Sozial- oder Pflegepolitik reden.”

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Hart urteilt SSW-Fraktionschef Lars Harms: „Sie ist bisher die größte Enttäuschung unter den Neuen”, meint er. „Sie hat die Kindergarten-Beiträge nicht wirklich gesenkt und im sozialen Bereich keine deutlichen Duftmarken gesetzt.” Würde Touré dies mehr tun, wäre ihr die Unterstützung des SSW sicher. (dpa/mp)

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