Northvolt-Insolvenz erhitzt weiter die Gemüter – Streit um diese Akte
Die finanziellen Folgen der Insolvenz des schwedischen Batterieherstellers Northvolt erhitzen in Schleswig-Holstein die politischen Gemüter. Opposition und Regierung streiten über die Veröffentlichung von Akten zur Förderung einer von dem Unternehmen geplanten Batteriefabrik bei Heide. In einer gemeinsamen Sitzung des Finanz- und Wirtschaftsausschusses bemängelte die Opposition zahlreiche Schwärzungen in den veröffentlichten Akten. Einig sind sich beide Seiten nur darin, dass das Gutachten des Beratungsunternehmens PwC veröffentlicht werden sollte.
Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen (CDU) versicherte, dass alle Beteiligten, die in die Entscheidungsfindung über die Wandelanleihe für Northvolt und die direkte Förderung eingebunden waren, „die zur damaligen Zeit vorliegenden Unterlagen und Informationen gewissenhaft und kritisch überprüft haben“. Er räumte jedoch ein, dass sämtliche Vorgänge im Lichte des damaligen Informationsstandes betrachtet werden müssten.
Minister: Regierung habe Chancen und Risiken abgewogen
„Viele Umstände rund um Northvolt, die wir heute kennen, waren damals eben nicht bekannt“, sagte der Minister. Vor Abschluss der Wandelanleihe und Übernahme der Risiken durch das Land habe die Regierung intensiv Chancen und Risiken abgewogen. „Maßgeblich für die Entscheidung von Bund und Land über die Wandelanleihe waren die Ergebnisse des Ihnen bekannten PwC-Gutachtens.“

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Auch ein weiteres Gutachten hätte voraussichtlich zu keinem tieferen Erkenntnisgewinn geführt, sagte Madsen. Alle Seiten seien euphorisch gewesen, dass diese Ansiedlung für Schleswig-Holstein ein riesiger industriepolitischer Wurf werden würde. „Dass es nun anders gekommen ist, bedauern wir. Wir alle hatten uns einen erfolgreicheren Werdegang erhofft.“
Opposition fordert Veröffentlichung
Abgeordnete der Landtagsfraktionen haben bereits seit geraumer Zeit Einsicht in Akten der Landesregierung über die Förderung von Northvolt. Nach und nach hat die Regierung auch Teile dieser Akten veröffentlicht – allerdings mit vielen Schwärzungen.
„Ich bin an einer nicht-öffentlichen Erörterung des Sachverhalts nicht mehr interessiert“, sagte der frühere Wirtschaftsminister und heutige Oppositionspolitiker Bernd Buchholz (FDP) im Ausschuss. Von 150 Fragen zu einer Kabinettsvorlage seien 148 geschwärzt.
Er verwies auf Erkenntnisse aus den Akten, wonach es auf Arbeitsebene der Ministerien den zwingenden Wunsch nach mehr Informationen zu Risiken gegeben habe. „Wer hat die Entscheidung getroffen?“, fragte Buchholz. Denn diese Entscheidung pro Northvolt sei gegen das ausdrückliche Votum der Fachebene getroffen worden. Das sei die offensichtliche Realität der Akten. „Wenn das so weitergeht, dann sollten wir das vielleicht doch in einem Untersuchungsausschuss weitermachen.“
Risiken und Info-Lücken
In einer E-Mail vom 15. Mai 2023 aus dem Wirtschaftsministerium heißt es unter anderem: „(…) und das enge Zeitkorsett würde ich auch einmal näher konkretisiert wissen, wobei das für uns ja eigentlich nicht – sehr überspitzt gesprochen – bedeuten kann: „fröhlich lächeln und durchwinken“, zumal wir den Informationen eher ,hinterherlaufen‘.“
In einer anderen E-Mail vom selben Tag heißt es: „Im Zweifel bleibt nur, die ganzen Risiken und Info-Lücken, die sich momentan noch zeigen, aufzuschreiben und es bleibt dann eine Entscheidung der Hausleitungen bzw. des HHGesetzgebers (des Haushaltsgesetzgebers, Anmerkung der Redaktion). Es sei denn, die nächsten Tagen führen zu Erkenntnissen, die das Risiko überschaubar machen“.
Der Chef der Staatskanzlei, Dirk Schrödter (CDU), erklärte, die Förderung sei eine gemeinsame Entscheidung der Landesregierung gewesen. Namentlich nannte er – neben sich selbst – in Bezug auf die Entscheidung, dass es reicht, wenn Fragen zum PwC-Gutachten in einer Videokonferenz beantwortet werden, Finanzstaatssekretär Oliver Rabe und Wirtschaftsstaatssekretärin Julia Carstens.
„Empörung aus der Dose“
Das Auftreten der Opposition kritisierte er scharf. Diese kenne sämtliche Unterlagen bereits seit längerer Zeit. Ähnlich argumentierte CDU-Fraktionschef Tobias Koch. In Richtung des SPD-Wirtschaftspolitikers Kianusch Stender, der die Veröffentlichungspraxis der Regierung ebenfalls kritisierte, sagte Schrödter: „Ehrlich gesagt: Ich finde das gratismutig, was Sie hier tun.“
Von „Empörung aus der Dose“ sprach der CDU-Wirtschaftspolitiker Lukas Kilian. „Ich hätte die Entscheidung damals genauso getroffen.“ Und er sei sich sicher, dass das auch für viele andere gelte.
Noch ist unklar, wie teuer die Insolvenz für Deutschland am Ende wird. 2020 sicherte der Bund eine Finanzierungstranche kommerzieller Banken für das schwedische Unternehmen über 525 Millionen US-Dollar zu 80 Prozent ab, um die Versorgung der deutschen Autoindustrie mit Batterien sicherzustellen. Zudem hat Northvolt für den Bau der Fabrik bei Heide rund 600 Millionen Euro von der staatlichen Förderbank KfW erhalten. Hinzu kommen 20 Millionen Euro für Zinsen und Verfahrenskosten. Bund und Land bürgen je zur Hälfte. Von dieser Wandelanleihe ist nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa bereits mehr als die Hälfte verbraucht.
Hunderte Millionen Euro Fördermittel bewilligt
Außerdem genehmigte die EU-Kommission Anfang 2024 direkte Fördermittel von Bund und Land in Höhe von rund 700 Millionen Euro (137 Millionen Euro vom Land, 564 vom Bund). Dieses Geld wurde bislang aber nicht ausgezahlt.
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Unterdessen wurde parallel zur Ausschusssitzung bekannt, dass am zentralen Standort von Northvolt die Produktion vollständig eingestellt wird. Bis zuletzt habe man die Batteriezellenproduktion in Skellefteå noch mit begrenzter Personaldecke und unterstützt vom einzigen bestehenden Kunden Scania fortführen können, teilte Insolvenzverwalter Mikael Kubu mit. Die Produktion im Werk Northvolt Ett werde bis zum 30. Juni eingestellt. (dpa/mp)
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