Messerattacke in Brokstedt: Hamburgs Justizbehörde unter Druck
Nach der Messerattacke in Brokstedt sitzt der mutmaßliche Täter, Ibrahim A., in U-Haft – erneut. Nur wenige Tage vor der Tat war A. aus der Haft in Hamburg entlassen worden; ein Psychiater hatte attestiert, dass keine Gefahr von dem Mann ausgehe. Eine fatale Fehlentscheidung. Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne) gerät zunehmend unter Druck. Das sagt die Behörde über die Umstände seiner Entlassung – und das sein Anwalt.
Nach der Messer-Attacke in Brokstedt sitzt der mutmaßliche Täter, Ibrahim A., in U-Haft – erneut. Nur wenige Tage vor der Tat war A. aus der Haft in Hamburg entlassen worden; ein Psychiater hatte attestiert, dass keine Gefahr von dem Mann ausgehe. Eine fatale Fehlentscheidung. Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne) gerät zunehmend unter Druck. Das sagt die Behörde über die Umstände seiner Entlassung – und das sein Anwalt.
Ende 2014 kommt A. nach Deutschland, flüchtete vermutlich aus dem Gaza-Streifen. Offiziell gilt er als staatenlos. In Deutschland stellt er einen Asylantrag, lebt legal hier – und fängt nur wenige Monate nach seiner Ankunft damit an, verschiedene Straftaten zu begehen.
Das sagt die Hamburger Justizbehörde über Ibrahim A.
Sechsmal wird innerhalb weniger Monate gegen den Mann im Raum Nordrhein-Westfalen – dort hatte der 33-Jährige über mehrere Jahre gelebt, bevor er im Juli 2021 nach Kiel kam – ermittelt, dreimal wird er verurteilt. Es geht dabei um Diebstahl, gefährliche Körperverletzung, Drogenmissbrauch und sexuelle Nötigung.
2016 wird ihm Schutzstatus gewährt. Im selben Jahr verletzt der Mann, der als Paketbote sein Geld verdient, einen Bekannten mit einem „scharfkantigen Gegenstand“ im Gesicht. Ihm werden Geld- und Bewährungsstrafen auferlegt. In Haft muss er nie.
Erst am 21. Januar 2022 kommt er ins Gefängnis. Wenige Tage zuvor hat er einem Obdachlosen vor einer Essensausgabe in Hamburg mit einem Messer potenziell lebensgefährliche Verletzungen zugefügt. Das Gericht verurteilt ihn zu einem Jahr und einer Woche Haft. Er geht in Revision, kommt am 19. Januar diesen Jahres wieder frei, weil er beinahe das volle Strafmaß abgesessen hat.
Tatverdächtiger Ibrahim A. psychiatrisch behandelt
Während der Haft sitzt er im Sicherheitsbereich, ist in zwei körperliche Auseinandersetzungen verwickelt: Einmal greift er einen Wärter an. Er wird psychiatrisch behandelt, bekommt dosiertes Methadon wegen seiner Drogensucht.
Ein psychologisches Gutachten besagt, dass von ihm keine Gefahr ausgehe. Sechs Tage nach seiner Entlassung soll er dann die Tat in Brokstedt begangen haben.

Hätte das Blutbad verhindert werden können? Selbst wenn das Gutachten anders ausgefallen wäre, hätte man A. rein rechtlich gesehen nicht ohne Weiteres einsperren können. Selbst der Sozialpsychiatrische Dienst, der in dem Fall eingeschaltet worden wäre, hätte große Hürden für eine Zwangseinweisung bewältigen müssen.
Messerattacke in Regionalzug: Tatverdächtiger aus U-Haft entlassen
Auch, dass der Berufungsprozess noch nicht abgewickelt war, scheint kein entscheidendes Hindernis gewesen zu sein: Die Strafe des Mannes hätte sich in keinem Fall verlängert, allenfalls verkürzt. Die Krux: Er hat Rechtsmittel eingelegt, und nicht die Staatsanwaltschaft. Die befand das Urteil gegen ihn als angemessen.
Aus der Politik erntet die Hamburger Behörde heute für die Entscheidung viel Kritik. „Wie konnte das passieren, dass er trotz so vieler Vorstrafen nicht länger in einer Justizvollzugsanstalt war?“, fragte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Es müsse nun geklärt werden, wie es passieren konnte, „dass er so früh aus der U-Haft wieder entlassen wurde und warum Menschen, die so gewalttätig sind, noch hier in Deutschland sind.“

Dass A. nach seiner Entlassung alleine gelassen wurde, kritisiert nicht nur dessen Anwalt, der sagt, dass er sehr überrascht gewesen sei, dass sein Mandant so plötzlich aus der U-Haft entlassen wurde. „Mit Vorbereitung wäre es für ihn besser gewesen.“
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Auch die Justizbehörde bedauert das – rechtlich korrekte – Vorgehen: „Es bestehen keine Möglichkeiten, Auflagen oder Weisungen zu erteilen, wenn der Haftbefehl aufgehoben wurde“, sagt eine Sprecherin zur MOPO. Selbstverständlich wolle man Strafgefangenen bei der Vermittlung einer Wohnung helfen. Und: „Natürlich wünschen wir uns auch, dass wir im Hinblick auf den angespannten Hamburger Wohnungsmarkt mehr Hilfe anbieten könnten.“ Dazu käme oft das Problem, dass die Entlassung von Untersuchungsgefangenen oft sehr kurzfristig erfolgt. „So wie in diesem Fall.“
Ibrahim A. sitzt seit Donnerstag erneut in U-Haft. Der Vorwurf: zweifacher heimtückischer Mord und versuchter Totschlag in vier Fällen. Das Motiv ist unklar – A. schweigt.