Belegschaft überrumpelt: Jungheinrich will 200 Jobs in Norderstedt streichen
Das Sparprogramm des Hamburger Gabelstaplerherstellers Jungheinrich stößt bei den Beschäftigten auf Unverständnis. Zum geplanten Stellenabbau in Norderstedt gibt es neue Zahlen. Die IG Metall wirft dem Unternehmen derweil eine Gewinnsteigerung „auf dem Rücken der Beschäftigten“ vor.
Beim Hamburger Traditionsunternehmen Jungheinrich gab es zuletzt schlechte Nachrichten für die Belegschaft. Der Gabelstaplerhersteller kündigte Mitte Juli an, weltweit 1000 Stellen abzubauen. Der Norden ist dabei besonders betroffen – mehr als die Hälfte der Stellenstreichungen entfallen auf die norddeutschen Standorte des Unternehmens.
Jungheinrich Norderstedt: 200 Beschäftigte müssen gehen
Die Schocknachricht gab es für die 380 Beschäftigten im Werk in Lüneburg: Das Unternehmen will den Standort bis 2027 schließen. Auch in der Hamburger Zentrale mit mehr als 1200 Beschäftigten ist ein Abbau im zweistelligen Bereich geplant. Im Werk in Norderstedt hieß es bislang, eine dreistellige Zahl an Jobs solle wegfallen. Der Stellenabbau wird hier über ein Freiwilligenprogramm koordiniert.
Nach MOPO-Informationen werden in diesem Rahmen ungefähr 200 der 1500 Stellen in Norderstedt wegfallen – allesamt in der Produktion. Eine Mitarbeiterin im Norderstedter Werk, die nicht namentlich genannt werden möchte, sagt: „Eigentlich hieß es, dass unsere Stellen bis 2030 sicher sind. Die Nachricht vom Stellenabbau kam dann sehr überraschend für uns“. Vor allem die ältere Belegschaft würde dazu bewegt werden, das Unternehmen mit einer Abfindung zu verlassen. Das Freiwilligenprogramm richtet sich allerdings nicht ausschließlich an Ältere.
Bisher ist die Stimmung im Norderstedter Werk nach MOPO-Informationen aber noch friedlich. Die ersten Beschäftigten sollen bereits im Rahmen des Freiwilligenprogramms gegangen sein. Andere warten noch ab, in der Hoffnung, die Höhe der Abfindung zu steigern, erzählt die Mitarbeiterin.
Jungheinrich senkt Gewinnprognose zweimal hintereinander
Begründet hatte der Konzern das Sparprogramm mit einem starken Gewinneinbruch für das Jahr 2025. Vergangenen Montag senkte der Konzern zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage seine Gewinnprognose. Ursprünglich wurde für 2025 ein Gewinn vor Steuern und Zinsen (EBIT) von 430 Mio. bis 500 Mio. Euro prognostiziert. Zuletzt reduzierte die Geschäftsleitung die Gewinnerwartung allerdings drastisch – in der neuesten Prognose geht man nur noch von einem EBIT von 160 Mio. bis 230 Mio. Euro aus.
Der Verkauf der russischen Tochtergesellschaft Jungheinrich Lift Truck OOO an einen russischen Finanzinvestor verschärfte die finanzielle Situation des Konzerns zusätzlich. Wegen Auflagen der russischen Regierung lag der Preis deutlich unter Marktwert.
Gewerkschaft: Gewinnsteigerung „auf dem Rücken der Beschäftigten“
Zum Stellenabbau heißt es von offizieller Seite: „Der Vorstand der Jungheinrich AG hat mit heutiger Zustimmung des Aufsichtsrates ein Transformationsprogramm mit personal- und standortbezogenen Maßnahmen zur Sicherstellung der globalen Wettbewerbsfähigkeit beschlossen. Schwerpunkte sind Optimierungen in Produktion, Management und Verwaltung.“
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Die Gewerkschaft IG Metall reagierte vergangenen Freitag mit Unverständnis auf die Ankündigung: „Die Jungheinrich AG verfolgt ihr ehrgeiziges Ziel, den Umsatz bis 2030 nahezu zu verdoppeln, auf dem Rücken der Beschäftigten“, sagt Ole Drewes, betriebsbetreuender Sekretär der IG Metall Region Hamburg. Das Unternehmen würde sich seiner sozialen Verantwortung und seiner Verantwortung für den Industriestandort Deutschland entziehen. Die Schließung des Werks in Lüneburg bezeichnet Drewes als „Tabubruch“. (lvf)
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