Interview mit Sylter Bürgermeister: Haben Sie Angst vor Tausenden 9-Euro-Urlaubern?
„#Syltokaplypse Now!“, „#Sylt entern!“: Als der Geschäftsführer von Sylt Marketing, Moritz Luft, Anfang Mai sagte, die Insel sei „nicht optimal gerüstet für das 9-Euro-Ticket und den zu erwartenden Ansturm“, war das ein gefundenes Fressen in den sozialen Netzwerken. Die Interpretation: Sylt möchte nicht, dass der Pöbel im Sommer die Insel stürmt! Manch ein Twitter-Nutzer postete Bilder von überfüllten Bahnen, andere fühlten sich an 1995 erinnert. Damals führte die Bahn ein „Schönes-Wochenende-Ticket“ ein, daraufhin stürmten tausende Kurzurlauber die Insel. Sylts Bürgermeister Nikolas Häckel (parteilos) sprach mit der MOPO über eine mögliche „Syltokalypse“ – und wie sich die Insel darauf vorbereitet.
MOPO: Herr Häckel, haben Sie Angst, dass Sylt im Sommer von 9-Euro-Reisenden gestürmt wird?
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„#Syltokaplypse Now!“, „#Sylt entern!“: Als der Geschäftsführer von Sylt Marketing, Moritz Luft, Anfang Mai sagte, die Insel sei „nicht optimal gerüstet für das 9-Euro-Ticket und den zu erwartenden Ansturm“, war das ein gefundenes Fressen für Twitter. Die Interpretation: Sylt möchte nicht, dass der Pöbel im Sommer die Insel stürmt! Manch ein Twitter-Nutzer postete Bilder von überfüllten Bahnen, andere fühlten sich an 1995 erinnert. Damals führte die Bahn ein „Schönes-Wochenende-Ticket“ ein, daraufhin stürmten tausende Kurzurlauber die Insel. Sylts Bürgermeister Nikolas Häckel (parteilos) sprach mit der MOPO über eine mögliche „Syltokalypse“ – und wie sich die Insel darauf vorbereitet.
MOPO: Herr Häckel, haben Sie Angst, dass Sylt im Sommer von 9-Euro-Reisenden gestürmt wird?
Nikolas Häckel: Das 9-Euro-Ticket ist eine gut gemeinte Idee, für Sylt kann es aber herausfordernd sein. Bei unseren Übernachtungsgästen wissen wir, wer wann kommt und wieder abreist. Bei Tagestouristen ist das ganz anders. Da gibt es keinen Mechanismus, um das zu regeln. Wir sind aber auf keinen Fall in Panik. Wir richten uns darauf ein und schauen es uns dann an. Auf der Marschbahn wurden schon die Kapazitäten ausgeweitet, das Gleiche soll im Nahverkehr auf der Insel passieren. Ich glaube außerdem nicht, dass wirklich alle kommen, die das gerade im Internet ankündigen.
Warum nicht?
Da ICE und IC wegfallen, wirkt sich das ja ungemein auf die Fahrzeit aus. Von Frankfurt aus dauert es bis nach Sylt zum Beispiel über elf Stunden. Da ist der Tag schon vorbei, wenn Sie ankommen. Aus der unmittelbaren Region erwarten wir mehr Besucher, aber nicht einen Ansturm aus ganz Deutschland.
9-Euro-Ticket: Was Sylts Bürgermeister zum Shitstorm sagt
Der Internet-Sturm ist auf jeden Fall schon über Sylt gefegt. Haben Sie damit gerechnet?
Sylt sells – Nachrichten lassen sich immer gut verkaufen. Aber das Bild, das viele von uns haben, ist total realitätsfern. Es stammt noch aus den 70er Jahren, als Sylt zur Promi-Insel erklärt wurde. Wir sind aber keine Insel der Reichen, wir sind normale Menschen, die hier leben und arbeiten. Für Touristen gibt es Angebote für jeden Geldbeutel, von einfacher Pension bis zum Fünf-Sterne-Hotel.
Hier der Zug mit den Leuten die mit dem 9 Euro Ticket nach Sylt fahren um dort reiche zu essen. pic.twitter.com/EICWe7MJXD
— Isa (@f2k1de) May 4, 2022
Das heißt, auch für die im Netz höhnisch bezeichneten „Billigtouristen“ lässt sich etwas finden…
Auf Sylt haben wir nie von Billigtouristen gesprochen. Es gab mal den Ausdruck „Salamander“. Das waren Tagestouristen, die statt eines Rucksacks einen Schuhkarton dabei hatten. Das war aber in der frühen Nachkriegszeit. Wie gesagt, hier ist jeder herzlich willkommen.
Wir treffen uns auf #Sylt #SyltEntern pic.twitter.com/NvOfYPvmkX
— Gülliver (@Nolotow) May 5, 2022
Aber hat Sylt nicht auch mit einem Ungleichgewicht zwischen Einheimischen und Touristen zu kämpfen?
Das ist in der Tat seit Jahrzehnten so. Viele wollen hier Urlaub machen oder einen Zweitwohnsitz kaufen, den sie dann aber nur für ein paar Wochen im Jahr benutzen. Dadurch fehlt es den Syltern an Wohnraum, es fehlen Menschen, die in der Freiwilligen Feuerwehr und beim DRK sind oder sich im Ehrenamt engagieren. Unsere Gäste liegen uns sehr am Herzen, aber wir müssen die Reißleine ziehen.
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Das bedeutet?
Wir weisen Sondergebiete auf der Insel aus, in denen neben Ferienwohnungen auch zwingend Dauerwohnraum errichtet werden muss. Dauerwohnungen dürfen nicht einfach in Ferienwohnungen umgewandelt werden. Und wir wollen die Anzahl der Gästebetten nicht mehr erhöhen. Das ist notwendig, denn ein ,Weiter so‘ darf es hier nicht geben. Sonst müssen bald alle Sylter aufs Festland ziehen und die Insel wird zu Disneyland – Im Sommer eröffnet und im Herbst wieder zugeschlossen. Wir können und wollen nicht nur eine Kulisse für den Tourismus sein.