Mit Kleidern und Handtasche: Wie Felix aus Elmshorn zum absoluten Top-Model wurde
Felix Nieder ist in Elmshorn geboren – doch zu Hause ist er auf den Laufstegen dieser Welt. Er ist das meistgebuchte deutsche männliche Model. Das Besondere: Der 29-Jährige ist genderfluid. Das heißt, er wechselt das Geschlecht, trägt auch Frauenkleidung, lief im Tüllkleid über den Laufsteg auf der Berliner Fashion Week. Im MOPO-Interview erzählt er, wie er mit Mobbing in der Schule umging, was ihn an „Germanys Next Topmodel“ stört und wieso er nicht der „Quoten-Schwule“ sein will.
Felix Nieder ist in Elmshorn geboren – doch zu Hause ist er auf den Laufstegen dieser Welt. Er ist das meistgebuchte deutsche männliche Model. Das Besondere: Der 29-Jährige ist genderfluid. Das heißt, er wechselt das Geschlecht, trägt auch Frauenkleidung, lief im Tüllkleid über den Laufsteg auf der Berliner Fashion Week. Im MOPO-Interview erzählt er, wie er mit Mobbing in der Schule umging, was ihn an „Germanys Next Topmodel“ stört und wieso er nicht der „Quoten-Schwule“ sein will.
MOPO: Felix, wie wird ein Junge aus Elmshorn zum gefragtesten deutschen männlichen Model?
Felix Nieder: Angefangen hat alles 2016. Da hatte ich gerade mein Jura-Studium begonnen und wurde über Instagram von einer Modelagentur aus den USA angeschrieben. Die hatten direkt zwei Jobs für mich und ich lief bei der Berliner Fashion Week – das war aber noch alles klein und nicht glamourös. Dann hatte ich die Chance, nach Los Angeles zu gehen, weil ich da vom Typ her gefragt war.
Plötzlich eine komplett andere Welt als im beschaulichen Schleswig-Holstein.
Es ist schon ein deutlicher Unterschied, in Städten wie Berlin und Los Angeles ist man viel freier. Ich habe schon früh gemerkt, dass ich auf Männer stehe. In der weiterführenden Schule wurde ich deshalb heftig gemobbt. Ich hab‘ dann versucht, so zu tun als sei ich heterosexuell, hatte eine Freundin und äußerte mich sogar selbst negativ über Homosexuelle. Trotzdem konnte ich diesen Stempel nie los werden. Die Model-Welt für mich deshalb auch ein Stück Befreiung.

Du wurdest 2021 zum GQ-Gentleman des Jahres nominiert. Was hat das für dich bedeutet?
Das war mein Durchbruch. Ich fühlte mich geehrt. Aber ich bin da auch schnell an meine Grenzen gekommen: Auf einmal war ich mit einer großen Öffentlichkeit konfrontiert – das war ganz neu für mich. Schnell habe ich gemerkt, dass das nicht die passende Welt für mich war – das war zu standardisiert. Also bin ich auch zu Castings gegangen, bei denen eigentlich eine Frau gesucht wurde.
Was ist da anders?
Bei der weiblichen Modewelt fängt es gerade an, dass diversere Auftritte populärer werden. Wenn man sich zum Beispiel die Berliner Fashion Week anschaut, dann fällt auf: Wir haben Models, die mehr Gewicht haben; kleinere Models, ältere Models. Bei den Männern ist das überhaupt nicht der Fall! Außerdem kriegen Frauen höhere Gagen als Männer, sind viel berühmter. Es gibt in Deutschland keine männliche Heidi Klum.
„Der Mann ist in der Modewelt das langweilige Pendant zur Frau“
Wird sich das in Zukunft ändern?
Der Mann ist in der Modewelt das langweilige Pendant zur Frau, weshalb du als Männermodel gar nicht so einen großen Auftritt haben kannst. Um als Männermodel prominenter zu werden, braucht es noch eine andere Komponente. Bei mir polarisiert natürlich mein genderfluides Auftreten, insgesamt ist der Charakter der Models wichtiger geworden.
Darauf legst du besonders viel Wert.
Wenn ich gebucht werde, nur weil ich genderfluid oder nur weil ich schwul bin, dann ist das heuchlerisch. Das ist der falsche Weg. Ich will, dass Unternehmen mich buchen, weil sie finden, dass ich gut aussehe und dass ich ein schönen Charakter habe. Ich will nicht der „Quoten-Schwule“ sein. Über dieses und andere Probleme in der Modelwelt muss ganz klar gesprochen werden. Wir erleben Sexismus in der Branche. Und wir erleben auch Sexismus bei schwulen Männern. Die Leute, die Shows wie „Germanys Next Topmodel“ schauen, denken, dass die Modelwelt komplett toll ist. Das ist einfach nicht so.
Würdest du jüngeren Menschen raten, Model zu werden?
Das ist schon ein hartes Business. Es ist immer noch so, dass du einen Ernährungs-Druck hast, einen gesellschaftlichen Druck. Wenn du dich selbst gefunden hast und Selbstbewusstsein, dann kannst du dich dagegen widersetzen. Wenn nicht, dann zerbrichst du daran, dann fällst du eventuell in die Mager- oder Drogensucht. Die ganzen Süchte und Zwänge sind in der Modelszene enorm. Es geht immer um Zahlen. Wenn du nicht ablieferst, dann wirst du wie ein Produkt behandelt.
„Mode ist für mich Kunst“

Was bedeutet Mode für dich?
Es gibt einen Unterschied zwischen Mode und Kleidung. Zu Hause bin ich eher so der Basic-Typ. Da ist Kleidung für mich ein Nutzgegenstand. Mode fängt bei mir an, wenn ich mich auslebe. Mode ist für mich Kunst. Da gehe ich nach meinen Emotionen und habe keine Grenzen.
Also trägst du zu Hause keine Frauenkleidung?
Nein. Aber wenn ich das Haus verlasse, mich zurecht mache, dann schon. Dann gehe ich auch mal mit einer Handtasche durch Elmshorn.
Wie wird das dann aufgenommen?
Die Leute gucken auf jeden Fall. Aber mittlerweile habe ich auch kleine Erfolge erzielt: Menschen, die anfangs gelästert haben, sagen: „Ey, das finden wir gut.“
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Siehst du dich selber als Vorbild?
Ja. Ich hätte mir das für meine Jugend gewünscht, so ein Vorbild. Aber das hatte ich nicht.