Bei uns im Norden: Irrer Quadratmeterpreis! Das ist die teuerste Straße Deutschlands
Die meisten Häuser sind mit Reetdach gedeckt, stehen unter Denkmalschutz – und haben zum Teil einen direkten Zugang zum Wattenmeer. Leisten können sich die Luxus-Butzen nur Menschen mit richtig viel Geld: Manager, Promis, Konzernchefs ... Die Anwesen sind teils 8000 Quadratmeter groß – bewohnt aber sind die wenigsten, sie werden fast ausschließlich als Ferienhäuser genutzt. Wo aber sind sie zu finden? Bei uns im Norden! Die MOPO auf den Spuren der Superreichen.
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Die meisten Häuser sind mit Reetdach gedeckt, stehen unter Denkmalschutz – und haben zum Teil einen direkten Zugang zum Wattenmeer. Leisten können sich die Luxus-Butzen nur Menschen mit richtig viel Geld: Manager, Promis, Konzernchefs … Die Anwesen sind teils 8000 Quadratmeter groß – bewohnt aber sind die wenigsten, sie werden fast ausschließlich als Ferienhäuser genutzt. Wo aber sind sie zu finden? Bei uns im Norden! Die MOPO auf den Spuren der Superreichen.
Eine junge Familie spaziert den Hoboken-Weg entlang. Mutter, Vater, Kind, Hund. Vermutlich ahnen sie nicht einmal, an wie viel Geld sie gerade vorbeilaufen. Aber nicht etwa Gold, Edelsteine oder gar Erdöl machen den Hoboken-Weg zu Deutschlands teuerster Straße. Hier, in Kampen auf Sylt, ist das Wertvolle der Quadratmeter: Bis zu 35.000 Euro kostet einer laut dem Immobilienunternehmen „Engel & Völkers“. Denn das Angebot ist rar, die Nachfrage groß.
Tatsächlich sieht man der Straße den Luxus nicht an: Sie ist schnurgerade und so breit, dass zwei Lkws nebeneinander Platz fänden. Zwei Abzweigungen gibt es und eine Sackgasse am Ende. Das Wattenmeer, das hinter der Straße beginnt, ist nur zu erahnen.
Hoboken-Weg auf Sylt: „Die meisten wohnen sowieso nicht hier“
Dass die Anwesen um die 8000 Quadratmeter groß sind, erkennt man ebenfalls nicht: Büsche und Bäume versperren die Sicht. Die Reetdachhäuser, umgeben von perfekt gestutztem Rasen, scheinen sich hinter den Blättern zu verstecken. Ganz so, als wollten sie ihre Bewohner vor neugierigen Blicken schützen.
Wenn die denn da wären … Im Laufe des Vormittags ist nur eine einzige Anwohnerin zu sehen: Die Frau – mittleres Alter, blond, schicke Kleidung in Pastelltönen – stoppt ihren Mercedes beim Anblick der MOPO-Reporter. Der teure Wagen bleibt mitten auf der Straße stehen, sie lässt die Hand am Lenkrad.
„Die anderen Anwohner werden Sie nicht antreffen“, sagt die Frau, die ihren Namen lieber nicht nennen möchte. „Die meisten wohnen sowieso nicht hier. Die nutzen das Haus nur als Feriendomizil – wenn die Temperaturen auch in Deutschland so sind, dass es sich aushalten lässt.“ Während sie das sagt, knallt die Sonne heiß vom strahlendblauen Himmel. „Viel bekomme ich von meinen Nachbarn nicht mit“, erzählt sie weiter. „Das ist aber auch gut so. Hier will jeder für sich alleine sein.“
„Das sind doch fast alles Hamburger, denen die Häuser hier gehören“
Als hätte sie sich selbst ihr Stichwort gegeben, drückt sie aufs Gas. Eine Hand winkt zum Abschied aus dem offenen Fahrerfenster. „Tschüs“, ruft sie und der Mercedes flitzt die Straße entlang, biegt weiter hinten um eine Ecke. Was war das? Ein Abgang auf typisch kühle Hamburger Art?
Hier im Mekka der Superreichen auf Sylt? „Na klar, das sind doch fast alles Hamburger, denen die Häuser hier gehören“, sagt Maler Andreas Andresen (55), der gerade im Hoboken-Weg arbeitet – er steht mit seinem Wagen nur ein paar Meter entfernt, hat die Szene mit der feinen Dame genau beobachtet.
„Die Preise sind nicht mit den hiesigen Einkommen zu erwirtschaften“
Und tatsächlich: Es gibt kaum noch echte Sylter auf der Insel. „Die Preise sind nicht mit den hiesigen Einkommen zu erwirtschaften“, sagt Bürgermeister Nikolas Häckel zur Erklärung. Das Resultat: Auswärtige kaufen die Grundstücke. Die schönen Häuser stehen einen Großteil des Jahres leer, werden nur als Feriendomizile genutzt – wie im Hoboken-Weg. „Dauerwohnraum überwiegt hier längst nicht mehr“, so Häckel.
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Doch es sind nicht nur die Superreichen, die lediglich für Stippvisiten auf die Insel kommen. Täglich pendeln 4500 Menschen mit dem Zug nach Sylt – viele von ihnen zur Arbeit. „Die wenigsten Kollegen kommen von der Insel“, bestätigt Maler Andresen. Er sei selbst mehrmals in der Woche in der teuersten Straße Deutschlands unterwegs, sagt er, und er habe schon unzählige Häuser von innen gesehen. „Was die Leute da alles so haben, davon träumen Sie nicht mal“, sagt er mit starkem norddeutschem Akzent und winkt ab.
„Die wissen auch ganz genau, was sie wollen. Nicht, dass sie pingeliger wären als andere Auftraggeber, aber wenn man sich mal falsch versteht und etwas nicht exakt so wird, wie es geplant war, muss man es eben noch einmal machen. Und die Materialien – das Feinste vom Feinsten.“ Der Maler streicht sich mit der Hand über den Kopf, lehnt lässig an seinem Dienstfahrzeug. „Da würden Sie Augen machen.“
Millionen für den Umbau: Durch den Hoboken-Weg tönt Baustellen-Lärm
Apropos: Vielleicht kann man ja mal in eins der Reetdachhäuser reinschauen? Aber keine Chance – es ist ja keiner da, der die Tür öffnen könnte. Am Ende der Straße warten dafür andere Einblicke. Ziemlich tiefe sogar: Eine etwa 18 Meter tiefe Baugrube wurde unter dem Haus neben dem Wattenmeer ausgehoben, das Haus selbst auf Stahlpfähle gestellt – damit es während des Baus nicht absackt.
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Da das Reetdachhaus selbst denkmalgeschützt ist, darf es nicht umgebaut werden. Um es trotzdem zu vergrößern, baut der Besitzer – der Chef eines bekannten Telekommunikationsunternehmens – eben nach unten. Und durch den Hoboken-Weg tönt Baustellen-Lärm. Über die Kosten will der leitende Architekt keine Aussage machen.
Ein Handwerker einer benachbarten Baustelle weiß angeblich mehr. „Man munkelt, dass die ganze Angelegenheit wohl um die 30 Millionen kosten soll“, sagt Kai Wichmann (20). Wer am Hoboken-Weg arbeitet, sagt er, spreche eben auch mal mit den Kollegen.
„Die Besitzer der Häuser trifft man nur selten“
Sind die Reichen nicht da, wachen die Dienstleister über Haus und Hof. An jeder Ecke steht ein Firmenwagen: der Gärtner, der Monteur, der Elektriker. Auch Bastian Brinkmann schließt sich dem Auto-Korso an. Der 34-Jährige betreibt einen Hausmeisterservice. „Die Besitzer der Häuser trifft man nur selten“, erzählt er. „Unbeobachtet ist man aber trotzdem nicht. Häufig werden wir bei der Arbeit videoüberwacht. Sogar aus einem Vogelhäuschen heraus hat mich mal eine Kamera angeblinkt. Am Anfang war das sehr ungewohnt, mittlerweile habe ich mich aber daran gewöhnt. Es ist ja auch verständlich, so wertvoll wie die Anwesen hier sind.“
Brinkmann zuppelt sich seinen grauen Kapuzenpulli zurecht. Nimmt einen Schluck aus seiner Discounter-Wasserflasche. Obwohl er selbst offensichtlich nicht in solchem Luxus lebt, scheint er ihn seinen Auftraggebern zu gönnen: „Trotz der Kameras sind es aber keine kontrollsüchtigen Spießer, die hier wohnen, sondern ganz normale, liebe und nette Leute.“
Eine Sache ist auch in der teuersten Straße Deutschlands kostenlos
Brinkmann muss weiter, fährt aus dem Hoboken-Weg hinaus, vorbei an den benachbarten – ebenfalls teuren – Straßen, wieder dem „normalen“ Leben entgegen. Eine Weile passiert nichts. Am Hoboken-Weg wird es still, sogar der Baustellen-Lärm verstummt für einen Augenblick. Plötzlich hört man die Möwen kreischen, Blätter rascheln im Wind. „Das ist es, was ich hier so liebe“, durchbricht eine Stimme die Ruhe. Sie gehört Alois Huckschlag (64), einem grauhaarigen Mann. Er trägt einen hellbraunen Markenpullover, darunter ein kariertes Hemd, auf seiner Nase sitzt eine tiefschwarze Sonnenbrille. Gemeinsam mit seiner Frau bestaunt er die tiefe Baugrube.
Die Kleidung lässt vermuten, dass auch er hier wohnt. „Wir sind nicht von hier, machen aber jedes Jahr Urlaub auf Sylt“, klärt er auf. „Hier kommen wir her, weil wir die schönen Häuser bewundern“, sagt er. „Gerechtfertigt finde ich die Preise nicht, aber wer es sich leisten kann, soll das tun. Mir reicht der Spaziergang.“ Das Gute: Der ist sogar in der teuersten Straße Deutschlands kostenlos.
Disclaimer: Dieser Artikel erschien erstmals im Juni 2016. Die Straße Hobokenweg gilt noch immer als teuerste Straße Deutschlands.