Schock auf Sylt: Abriss von 370 Jahre altem Reetdachhaus – ohne Genehmigung
Die Bagger kamen am Mittag, ohne Ankündigung und ohne Genehmigung, doch weder der ehrenamtliche Bürgermeister Ronald Benck noch die Denkmalschutzbehörde konnten verhindern, dass eines der ältesten Gebäude Sylts einfach plattgemacht wurde. Ein reetgedecktes Friesenhaus, erbaut 1650. Am vorletzten Tag des Jahres wurde der „Alte Gasthof“ in List auf Sylt abgerissen. Wie ist so etwas möglich? Und was plant Benck, um weitere solcher von Geld getriebene Abrisse zu verhindern?
Ein historisches Stück Sylt: einfach abgerissen. Der Friesenhof, erbaut 1650, war 220 Jahre ununterbrochen ein Gasthof, bis er 2021 in die Hände von Investoren fiel. Jetzt hat der neue Eigentümer es ohne Genehmigung abgerissen. Der ehrenamtliche Bürgermeister Lists, Ronald Benck, über die Methode, die hinter solchen Machenschaften steckt und was er in Zukunft dagegen unternehmen will.
Es ist der Anruf eines Nachbarn, der Ronald Benck, ehrenamtlicher Bürgermeister Lists, am Freitag zur Mittagzeit erreicht. Es stünden Bagger vor dem „Alten Gasthof“ im historischen Zentrum Lists. Benck eilt hin, versucht den Baggerfahrer dazu zu bewegen, nicht anzufangen.
„Dann habe ich sofort mit jemandem in der Denkmalschutzbehörde telefoniert.“ Kein leichtes Unterfangen, am letzten Freitag des Jahres kurz nach Mittag noch jemand in einer Behörde zu erreichen. Benck bittet um eine einstweilige Verfügung, um den Abriss zu verhindern. Eine halbe Stunde später der Rückruf: Eine einstweilige Verfügung sei aussichtslos, das Gebäude stehe gar nicht unter Denkmalschutz.
Wieso steht ein mehr als 370 Jahre altes Haus nicht unter Denkmalschutz?
Wie kann das sein? Wieso ist ein historisches Gebäude wie der„Alte Gasthof“ nicht geschützt? „Es ist ein Trauerspiel“, sagt Benck zur MOPO. Über 220 Jahre, ab 1804, wurde das Friesenhaus durchgehend als Gasthof genutzt, war bei Insulanern wie bei Besuchern gleichermaßen beliebt. Ende März 2021 wurde das Restaurant geschlossen und stand seitdem leer, wie das Hamburger Abendblatt schreibt. Im April 2021 wurde es wohl an den jetzigen Eigentümer verkauft.
Wurde der Denkmalschutz einfach vergessen? „Nein“, sagt Benck, „daran liegt es nicht.“ Offenbar wurde im Inneren des Hauses der Originalzustand derart verändert, dass es „nicht mehr langte für den Denkmalschutz“. „Doch alles von Wert, vor allem die Fliesen, sind vor dem Abriss abgebaut worden. Das Haus war praktisch entkernt,“ sagt Benck.

Der Denkmalschutz ist aber fast das einzige, was den Abriss historischer Gebäude auf Sylt verhindern kann. Die Strafgebühren für einen Abriss sind es sicher nicht. „Das ist ja auch keine Sache, die nur Sylt betrifft, es geht den Nachbarinseln ja genauso, überall wird das Gleiche zelebriert.“
Benck sagt, die Strafen für den Abriss eines historischen Gebäudes müssen weh tun. „Zum Beispiel, wenn sie sich anteilig zum Grundstückswert verhalten würden, dann wäre das schon etwas anderes.“
Das könnte Sie auch interessieren: Millionen-Schaden erwartet: Nord-Ostsee-Kanal ist wieder frei
Für den „Alten Gasthof“ ist das alles zu spät. Die Gemeinde List werde das momentane Höchstmaß an Strafe von 30.000 Euro vom Eigentümer verlangen, so Benck. „Und ich habe heute bei der Polizei Strafanzeige gestellt.“
Aber all das bringt den „Alten Gasthof“ nicht zurück. „Ein Stück Geschichte des ursprünglichen Dorfkerns von List wurde unwiderruflich und mutwillig zerstört.“