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„Unfassbar und schockierend“: Heimkinder für Medikamenten-Tests missbraucht!

„Erschreckend“, „unfassbar“ und „schockierend“: Das waren die Reaktionen der Abgeordneten des Schleswig-Holsteinischen Landtags über das, was Lübecker Wissenschaftler am Donnerstag vortrugen. Wie der „NDR“ berichtet, ging es in dem Zwischenbericht um neue Erkenntnisse über Medikamentenversuche an Heimkindern in Schleswig-Holstein. 

Christof Beyer vom Institut für Medizingeschichte und Wissenschaftsforschung der Uni Lübeck brachte demnach in einem Ausschuss des Landtags neue Fakten ans Licht: Im Zeitraum der 1950er- bis 70er-Jahre sollen Experimente mit nicht zugelassenen Medikamenten in Schleswig-Holstein stattgefunden haben! Und das nicht nur in Kinder- und Jugendpsychiatrien, sondern auch in Krankenhäusern und bei niedergelassenen Ärzten. 

Schleswig-Holstein: Heimkinder für Tests mit Medikamenten missbraucht

Die Erkenntnisse gehen aus Patientenakten, Archiven von Pharmafirmen und Verwaltungsunterlagen hervor, wie Beyer dokumentierte. Aus Haushaltsnot sollen Patienten in überfüllten Häusern mit Medikamenten ruhiggestellt worden sein. Aus den Unterlagen ergibt sich auch, dass sich Patienten über Schmerzen und Atemstillstände beschwert haben – manchmal sei die Medikation dann angepasst worden.

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Beyer geht davon aus, dass die Ärzte am medizinischen Fortschritt teilhaben wollten und deshalb die nicht zugelassenen Medikamente verabreicht haben. Die Versuche wurden wohl auch nicht heimlich durchgeführt, sondern in Fachpublikationen dokumentiert.

Der Lübecker Wissenschaftler hält es auch für möglich, dass Kliniken mit Pharmaunternehmen in einem Verbund zusammengearbeitet haben. 

Politiker fordern Entschädigung für die Patienten

Sozialminister Heiner Garg hält die Tests für eine systematische Anwendung von Arzneimitteln und versprach, dass das Land Betroffene über einen Fonds entschädigen würde. Aus Sicht der Abgeordneten soll die Aufarbeitung weitergehen. Der Ausschussvorsitzende Werne Kalinka (CDU) schlug außerdem vor, ein Hilfswerk für ehemalige Heimkinder einzurichten. (mhö)

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