Fehlt seit Jahren: Wie ein Dorf bei Hamburg für einen Supermarkt kämpft
Für Moisburg ist es eine riesige Chance: Wann der letzte Lebensmittelladen aus der 2000-Seelen-Gemeinde im Landkreis Harburg verschwand, daran kann sich kaum einer erinnern, so lange ist das schon her. Jetzt könnte sich die Situation auf einen Schlag deutlich verbessern. Voraussetzung: Mindestens 300 Bürger machen mit und zeichnen für jeweils 100 Euro einen Genossenschaftsanteil. Dann, und nur dann, wird ein sogenannter „Tante Enso“-Supermarkt im Ort eröffnen. Dahinter verbirgt sich das neue Dorfladenkonzept eines Bremer Unternehmens. 14 dieser Mini-Supermärkte gibt es schon.
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Für Moisburg ist es eine riesige Chance: Wann der letzte Lebensmittelladen aus der 2000-Seelen-Gemeinde im Landkreis Harburg verschwand, daran kann sich kaum einer erinnern, so lange ist das schon her. Jetzt könnte sich die Situation auf einen Schlag deutlich verbessern. Voraussetzung: Mindestens 300 Bürger machen mit und zeichnen für jeweils 100 Euro einen Genossenschaftsanteil. Dann, und nur dann, wird ein sogenannter „Tante Enso“-Mini-Supermarkt im Ort eröffnen.
Also heißt es jetzt kämpfen. Bürger gehen von Tür zu Tür, um ihre Nachbarn zu überzeugen. Auch ein Werbevideo fürs Internet wurde gedreht. Dazu trafen sich diejenigen Einwohner, die sich schon haben überzeugen lassen, vor dem Amtshaus in der Ortsmitte, riefen im Chor „Tante Enso für Moisburg!“ und reckten siegessicher die Faust gen Himmel, während einer die Szene mit dem Handy aufnahm.
3000 Einwohner müssen einen Genossenschaftsanteil zeichnen – nur dann klappt es
Einer, der voll hinter der Idee steht, ist Bürgermeister Ronald Doll. Er hat sich in einem Schreiben an alle Mitbürger gewandt, darin Werbung für „Tante Enso“ gemacht und jeden zum Mitmachen aufgerufen: „Endlich wieder Lebensmittel direkt in unserer Nähe einkaufen, das wünschen wir uns schon seit langem. Jetzt haben wir die Chance, diesen Wunsch wahr werden zu lassen.“
Nahversorgungsprobleme – so was kennt eine Großstadt wie Hamburg nicht. In der Millionenstadt gibt es an jeder zweiten Straßenecke einen Supermarkt. Aber auf dem Land, im Speckgürtel der Hansestadt, ist die Situation ganz anders: Nicht nur in Moisburg, auch in vielen anderen Orten haben in den vergangenen Jahren Tante-Emma-Läden reihenweise dicht gemacht. Ein Moisburger muss heute entweder fünf Kilometer bis nach Hollenstedt oder sieben Kilometer bis nach Buxtehude fahren, um einkaufen zu können. Das kostet Zeit und Geld und ist ein großer Verlust an Lebensqualität. Besonders arg gebeutelt sind Senioren – wie beispielsweise die 90-jährige Helga Stoffel, die ihren Führerschein abgegeben hat und nun für die Fahrt zum Einkauf aufs Taxi angewiesen ist, was bei diesen Entfernungen sehr ins Geld geht.
2000 Einwohner, aber kein Lebensmittelladen. „Tante Enso“ kann dieses Problem lösen
Genau da setzt der Bremer Online-Supermarkt „My Enso“ mit seinem innovativen Dorfladenkonzept an. Mit den sogenannten „Tante Enso“-Mini-Supermärkten bringt die Firma Nahversorgung dorthin, wo sie gebraucht wird: zu den Menschen aufs Land. Weil aber ein solcher Supermarkt nur dann funktioniert, wenn er auch wirklich im Ort gewollt und benötigt wird, hat das Unternehmen eine Hürde gesetzt: Mindestens 300 Bürger müssen je einen Genossenschaftsanteil à 100 Euro zeichnen. Sonst passiert gar nichts.
Gelingt Moisburg das, wird schon bald ein „Tante Enso“-Laden eröffnen: Diese Mini-Supermärkte – der 14. wird am 6. Oktober in Vögelsen (Landkreis Lüneburg) eingeweiht – haben üblicherweise 150 bis 200 Quadratmeter Verkaufsfläche. Rund 2500 bis 3000 Artikel werden dort zu marktüblichen Preisen angeboten. Was nicht vorhanden ist, kann über den Online-Supermarkt „My Enso“ mit seinen 20.000 Artikeln bestellt und später im Laden abgeholt werden.
In der Regel sind „Tante Enso“-Läden vier bis sieben Stunden täglich mit Personal besetzt. Einkaufen ist aber auch in der übrigen Zeit möglich: und zwar an sieben Tagen rund um die Uhr. Dafür bekommen die Kunden eine „Tante Enso“-Karte, mit der sie sich selbst die Tür öffnen und an der Selbstbedienungskasse zahlen können.
Bürgermeister Doll: „Endlich wieder Leben in unserer Ortsmitte“
Moisburgs Bürgermeister Doll ist elektrisiert von der Idee und entschlossen, diese Chance nicht ungenutzt zu lassen. Eine geeignete Immobilie gibt es bereits, sagt er, und zwar mitten im Ort, direkt neben dem Bäcker und der Volksbank, in der Nähe des Amtshauses. „Das würde zu einer Revitalisierung unserer Ortsmitte führen“, sagt Doll. „Leben beim Amtshaus – das wünschen wir uns doch schon seit langem.“
Jetzt kommt es auf die Moisburger an. Finden sich genug, die mitmachen? Das ist die Frage.