Was für ein Knochenjob! Mein Tag auf dem Spargelfeld
Kartoffeln, Sauce Hollandaise und eine Portion Spargel – für viele ist das der Frühling auf dem Teller. Doch bis das Gemüse dort landet, braucht es viel Arbeit. MOPO-Reporterin Anna Böcker hat einen Morgen lang die Ernte begleitet und herausgefunden, wie unfassbar mühsam das ist – und dass selbst Handschuhe nicht vor Blasen schützen.
Kartoffeln, Sauce Hollandaise und eine Portion Spargel – für viele ist das der Frühling auf dem Teller. Doch bis das Gemüse dort landet, braucht es viel Arbeit. MOPO-Reporterin Anna Böcker hat einen Morgen lang die Ernte begleitet und herausgefunden, wie unfassbar mühsam das ist – und dass selbst Handschuhe nicht vor Blasen schützen.
Der Tag auf dem Spargelhof Bartels in Wenzendorf (Landkreis Harburg) beginnt um 6.30 Uhr. Gemeinsam mit den Spargelstecher:innen geht es raus aufs Feld. Obwohl der Himmel grau ist und es nieselt, ist die Stimmung gut. Auf dem Feld bekomme ich nach einer kurzen Einführung gleich ein Spargelstechmesser in die Hand gedrückt – und dann geht es los. Die Taktik: mit Zeige- und Mittelfinger die Erde um den Spargel wegschaufeln und dann die Stangen aus der Erde stechen. Klingt simpel, ist in der Praxis aber gar nicht so leicht.
Das gilt es bei der Spargelernte zu beachten
Während die Profis dafür nur zwei geübte Handgriffe brauchen, halte ich erst nach vier Anläufen den ersten Spargel in der Hand – und der wird nachgemessen. „Wenn der Spargel zu tief abgestochen wird, wird die Wurzel beschädigt und der Spargel wächst in der nächsten Saison nicht nach“, erklärt mir Heiner Bartels, Chef des Betriebs. Bleibt von dem Gemüse noch genug in der Erde, kann auf dem Feld bis zu acht Jahre lang Spargel geerntet werden.

Neben mir arbeitet Alex, er kommt seit zehn Jahren, immer von April bis Juni, zum Spargelstechen nach Deutschland. „Die Arbeit ist gut, man gewöhnt sich an die Anstrengung“, sagt er. Während der Spargelsaison arbeiten 20 Frauen und Männer aus Polen und Rumänien auf dem Hof. Heiner Bartels ist stolz auf seine Crew: „Man kann sich zu 100 Prozent auf die Saisonarbeiter verlassen, sie kommen jedes Jahr wieder“. Die Arbeiter:innen stehen täglich acht Stunden auf dem Feld – für den Mindestlohn. „Das ist weitaus mehr als das, was sie in ihren Heimatländern für die Arbeit bekommen“, so Bartels. Viele seiner Leute schicken einen Teil des Geldes an ihre Familien.
Arbeitsbedingungen werden nur bedingt besser
Aus einem Bericht der Initiative „Faire Landarbeit“ von Februar 2023 geht hervor, dass sich die Arbeitsbedingungen der Saisonarbeiter:innen im vergangenen Jahr nur bedingt verbessert haben. Zwar müssen die Arbeitgeber:innen ihre Arbeitskräfte bei der Krankenversicherung anmelden, und auch die Mindestlohnerhöhung auf zwölf Euro stellt eine Verbesserung dar, doch fraglich sei, wie viele Beschäftigte ihn überhaupt erhalten. Denn: Laut den Gewerkschaften gebe es in vielen Fällen trotzdem noch Lohndumping.

Laut dem Bericht nutzen einige Landwirt:innen dafür kreative Wege, indem sie etwa hohe Mieten für gestellte Unterkünfte nehmen, Überstunden nicht anerkennen, Arbeitszeiten nicht erfassen oder Arbeitsgeräte in Rechnung stellen. Die Einhaltung des Mindestlohns wird den Gewerkschaften zufolge außerdem viel zu selten kontrolliert. So habe der Zoll 2021 nur 1,1 Prozent der Landwirtschaftsbetriebe mit Beschäftigten überprüft, im ersten Halbjahr 2022 sei die Quote noch niedriger gewesen. Und wie läuft es derzeit? „Genaueres zu der Unterbringungssituation in diesem Jahr können wir noch nicht sagen. Die Saison hat ja gerade erst angefangen“, sagt Frank Tekkiliç, Pressesprecher der IG Bau.
Auf dem Hof Bartels in Wenzendorf sind die Arbeiter:innen jeweils zu zweit in betriebseigenen Wohnungen und Containern untergebracht. Wie viel Miete sie dafür zahlen müssen, möchte der Betriebsleiter nicht verraten. Für ihre Verpflegung sind die Beschäftigten selbst verantwortlich. „Wir haben mehrere Kochnischen in der Unterkunft, da kann sich jeder selber was machen“, sagt Heiner Bartels. Gebühren für das Arbeitsmaterial fallen nicht an. „Das wäre zwar schön, ist aber nicht der Fall“, so der Landwirt. Die Arbeitszeiterfassung auf dem Feld erfolgt handschriftlich.
Kaltes Wetter sorgt für holprigen Start in die Saison
Wer auf dem Spargelfeld arbeiten will, muss einiges aushalten können. Schon nach zwei Stunden tut mir der Rücken weh. Obwohl ich Handschuhe trage, bekomme ich Blasen an den Händen. Immerhin: Während unser Fotograf an diesem kühlen Morgen auf dem offenen Feld friert, wird mir von der Anstrengung richtig warm. Für den Job „muss man sehr robust sein“, sagt Heiner Bartels. Man müsse vor allem „Bock haben, was zu tun und sich anzustrengen“.

In ganz Deutschland werden jährlich rund 120.000 Tonnen Spargel geerntet. Allein in Norddeutschland gibt es knapp 300 Spargelbetriebe mit rund 4500 Hektar Anbaufläche. In diesem Jahr ist die Saison ziemlich holprig gestartet. „Im Moment fahren wir wegen des Wetters mit angezogener Bremse“, so Landwirt Bartels. Optimales Spargel-Wetter wären rund 20 Grad und Sonne. Durch die Kälte im April verzögere sich die Ernte deutlich. Wie viel Spargel täglich gestochen werden kann, sei immer unterschiedlich und wetterabhängig.
Spargelpreise werden nicht erhöht
Ein Kilo Spargel kostet auf dem Spargelhof Bartels – je nach Sorte – aktuell 8,90 bis 15,90 Euro. „Dieses Jahr sind die Spargelbetriebe übereingekommen, dass sie mit denselben Preisen wie im vergangenen Jahr starten und nicht teurer werden“, sagt Fred Eickhorst von der Vereinigung der Spargel- und Beerenanbauer in Sandhatten (Landkreis Oldenburg).

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Nach dreieinhalb Stunden endet meine Schicht auf dem Spargelfeld. Ich bin ziemlich geschafft. Vor Alex und den anderen, die wochenlang auf dem Feld arbeiten, habe ich großen Respekt. Etwas mehr als eine Kiste habe ich geerntet – im Vergleich zu den Profis eine magere Ausbeute. Bevor ich mich erschöpft verabschiede, hat Heiner Bartels noch einen Geheimtipp: Den Spargel nicht im Kochtopf mit Wasser zubereiten, sondern mit etwas Butter rund 40 Minuten in den Backofen geben. So bleibt mehr Geschmack erhalten.