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Ein Mann telefoniert in einem Campingstuhl vor einem Wohnmobil sitzend
  • Eine Osnabrücker Firma schickt Mitarbeiter mit dem Wohnmobil ins Homeoffice – das soll für mehr Kreativität sorgen. (Symbolbild)
  • Foto: IMAGO / Jöran Steinsiek

Homeoffice in der Natur: Dieser Chef bietet Mitarbeitern ein Wohnmobil an

Fast jeder Unternehmer klagt, wie schwer es ist, Mitarbeiter zu finden. Firmen müssen findig sein, eine gute Bezahlung reicht heute nicht mehr aus, um qualifizierte Fachkräfte an sich zu binden. Ein IT-Unternehmen aus dem Raum Osnabrück hat sich deshalb eine ganz besondere Form des Homeoffice einfallen lassen.

Markus Heger klappt seinen Laptop auf und blickt nach oben. Ein Schwarm Wildgänse fliegt über ihn hinweg. Heger, Projektleiter bei einer Wallenhorster IT-Firma, ist bei der Arbeit – und sitzt zugleich vor einem Camper auf einem Campingplatz im Kreis Osnabrück. Das Wohnmobil gehört seinem Chef. Der hat es angeschafft, um seine Firma attraktiver zu machen für Bewerber. Dazu gehört auch, Mitarbeitern mobiles Arbeiten zu ermöglichen, sogar auf dem Campingplatz.

Kann ein Homeoffice in der Natur Bewerber anlocken?

Seine Firma gebe es seit 30 Jahren, sagt Inhaber Dieter Klages. Es sei noch nie so schwer gewesen wie jetzt, Nachwuchskräfte zu finden, berichtet der 65-Jährige. „Wir bekommen gar nichts, null. Und dann überlegt man schon, ob man die Branche verlässt oder was anderes macht.“

Zudem will er auch gestandene Mitarbeiter in der Firma halten. Bei einem Spaziergang an der Nordsee sei ihm dann die Idee gekommen, mit der Möglichkeit zu werben, für kurze Zeit auch auf dem Campingplatz arbeiten zu können – in der Natur, weitab vom hektischen Büro.

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Ein befreundeter Unternehmer besorgte ihm ein Wohnmobil. Inzwischen macht Klages mit der Möglichkeit, auf dem Campingplatz zu arbeiten, Werbung für sein Unternehmen. Und hat damit Erfolg. „Wir haben auf einmal 50 Bewerber“, sagt Klages.


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Lydia Malin vom Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (KOFA) des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln erstaunt der Erfolg von Klages‘ Anwerbeaktion nicht. Grundsätzlich müssten Unternehmen heute angesichts des Fachkräftemangels kreativ sein, um Nachwuchspersonal zu bekommen. Und die IT-Branche sei in dieser Hinsicht seit langem sehr kreativ. „Die Corona-Krise hat gerade im IT-Bereich zu einer steigenden Nachfrage geführt, weil viele Unternehmen jetzt digitalisieren wollen.“

Corona befeuert Digitalisierung – auch im Büro

Die Pandemie habe gezeigt, dass Mitarbeiter nicht unbedingt in der Firma anwesend sein müssen, um ihre Arbeit zu machen. Das gelte auch für Weiterbildungsangebote, die sich auch im Homeoffice wahrnehmen lassen. Malin rechnet damit, dass es diese Angebote weiterhin gibt. „E-Learning-Angebote, die man entwickelt hat, legt man ja nicht einfach wieder in die Schublade.“

Vom Fachkräftemangel sind alle Branchen betroffen. Nach einer KOFA-Studie waren 2019 in Niedersachsen im Jahresdurchschnitt 80,5 Prozent aller Stellen für qualifizierte Fachkräfte in Engpassberufen ausgeschrieben. Mit 66,8 Prozent seien es in Bremen deutlich weniger gewesen, in Hannover waren es 71 Prozent.

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Besonders angespannt war die Lage im Arbeitsagenturbezirk Nordhorn, wo ganze 92 Prozent aller Stellen in Berufen ausgeschrieben wurden, bei denen es Fachkräftemangel gab. Nordhorn zählte damit zu den Regionen, die auch bundesweit 2019 am stärksten von Fachkräfteengpässen betroffen waren. Gesucht werden dort Fachkräfte aus der Bau-, Elektro- und Schiffbautechnik. Auch in den Bezirken Vechta und Osnabrück war der Mangel sehr groß.

Alle Branchen müssten umdenken bei der Gewinnung von Nachwuchs- und Fachkräften, alte Strategien zögen nicht mehr, sagt Malin. „In der Industrie beispielsweise wurde viel über hohe Löhne gemacht, schon in der Ausbildung.“ Gute Bezahlung allein sei aber nicht mehr das Ausschlaggebende. „Gerade bei der jungen Generation spielt die Flexibilität sowohl bei den Arbeitsstunden, also wann ich arbeite, als auch der Arbeitsort eine große Rolle“, hat die Expertin beobachtet.

Expertin: Fachkräftemangel verändert Arbeitsmarkt

Also müssen die Arbeitgeber immer kreativer werden. „Wir haben heute in einigen Berufen so starke Engpässe, dass wir da tatsächlich einen Arbeitnehmermarkt haben, das heißt, der Arbeitnehmer kann sich aussuchen, für wen er arbeitet.“ Das gehe hin bis zu sogenannten Guerilla-Recruitings, wo sich Firmen gegenseitig durch Überbietung oder luxuriöse Spezialangebote die Fachkräfte abwerben, sagt Malin.

Er möchte, dass seine Mitarbeiter im Homeoffice auf dem Campingplatz zur Ruhe und zu sich kommen – und damit kreative Ideen für die Arbeit schöpfen. Die Familie solle allerdings nicht mitkommen, das würde zu sehr ablenken, sagt Klages. Sein Mitarbeiter Heger ist zufrieden: Es sei ein ruhiger, ländlicher Campingplatz. „In der Natur ist es schön, da ist auch die Arbeitsatmosphäre eine andere.“ (dpa/fbo)

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