Hilfe, die Mähdrescher kommen! Unterwegs mit den Kitz-Rettern
Um ein Uhr nachts klingelt für Susanne Lüdtke (56) der Wecker: Zeit zum Rehkitzretten! In den kommenden acht Wochen nutzt die Tischlerin ihre Freizeit, um zusammen mit ihren Mitstreitern Reh-Kinder vor dem sicheren Tod durch Mähdrescher zu bewahren.
Am Anfang standen grauenvolle Entdeckungen beim Gassigehen in der Mähsaison: „Als ich mit unseren Hunden spazieren ging, habe ich an einem Morgen zwei tote vermähte Rehkitze gefunden“, erzählt Susanne Lüdtke der MOPO: „Die Woche drauf wieder eins. Dann sah ich, wie die Ricken, die Rehmütter, zwei Tage lang ihre toten Kitze immer wieder anstupsten, um sie zum Aufstehen zu animieren. Ich dachte mir, das reicht jetzt. Ich muss was tun.“
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Um ein Uhr nachts klingelt für Susanne Lüdtke (56) der Wecker: Zeit zum Rehkitzretten! In den kommenden acht Wochen nutzt die Tischlerin ihre Freizeit, um zusammen mit ihren Mitstreitern Reh-Kinder vor dem sicheren Tod durch Mähdrescher zu bewahren.
Am Anfang standen grauenvolle Entdeckungen beim Gassigehen in der Mähsaison: „Als ich mit unseren Hunden spazieren ging, habe ich an einem Morgen zwei tote vermähte Rehkitze gefunden“, erzählt Susanne Lüdtke der MOPO: „Die Woche drauf wieder eins. Dann sah ich, wie die Ricken, die Rehmütter, zwei Tage lang ihre toten Kitze immer wieder anstupsten, um sie zum Aufstehen zu animieren. Ich dachte mir, das reicht jetzt. Ich muss was tun.“
Das war 2018. Die Tischlerin aus Oldendorf (Landkreis Stade) gründete die Initiative „Wildtierrettung Kitz und Co“ zusammen mit ihrem Mann, Freunden und Nachbarn. „Zuerst haben wir die Landwirte gefragt, wann sie mähen, und sind dann an dem Morgen davor die Felder abgelaufen, mit Hunden. Das war sehr zeitintensiv.“
2019 schaffte die Ini die erste Drohne an, inzwischen sind es drei. Susanne Lüdtke machte einen Drohnenführerschein. „Anfangs haben uns die Landwirte mit unseren Drohnen noch belächelt.“
Aber seitdem sie durch das Tierschutzgesetz Paragraph 17 verpflichtet sind, Tierleid zu verhindern, und Geldstrafen für totgemähte Kitze drohen, melden sich immer mehr Bauern bei den ehrenamtlichen Reh-Rettern – und sind dankbar, wenn ihre Felder rechtzeitig vor der Mahd abgeflogen werden.
Mähdrescher: Tödliche Gefahr für Rehkitze
Um die neugeborenen Rehkinder noch schneller zu finden, haben die Drohnen eine Wärmebildkamera. Susanne Lüdtke: „In dem Gras sind Kitze unglaublich schwer zu finden. Sie machen sich in den ersten vier Wochen so klein. Mit den Wärmebildkameras können wir nachts ziemlich schnell die Felder abfliegen und das Bodenteam über Funk zu dem Kitz führen.“
Jedes Kitz-Retter-Team besteht aus einem Drohnenpiloten, einer Person am Monitor, und zwei weiteren, die als „Bodenteam“ gut zu Fuß sein müssen.
Ist ein Kitz gefunden, wird es zum Feldrand getragen und unter einen umgedrehten Wäschekorb gelegt. Das Team fährt sofort weiter zum nächsten Feld. Die ganze Nacht hindurch.
Mit Drohnen auf der Suche nach Rehkitzen in den Feldern
Sobald das Feld am nächsten Tag abgemäht ist, werden die Kitze sofort frei gelassen und von der Mutter abgeholt – ein berührender Moment: „Ich bekomme jedes Mal eine Gänsehaut, wenn die fiependen Kitze von ihrer Mutter angestupst werden und sie dann zusammen im Unterholz verschwinden.“ 136 kleine Leben konnten die Ini-Mitglieder im vergangenen Jahr retten.
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Meldet sich ein Landwirt kurzfristig und will noch am selben Tag mähen, kommt die Hundestaffel des Vereins zum Einsatz. Susanne Lüdtke: „Die Sonne ist der Feind der Wärmebildkamera, aber unsere Hunde machen einen super Job. Es dauert nur eben einfach länger.“
Gerade baut die Tischlerin hauptberuflich ein Haus um, kann sich ihre Zeit flexibel einteilen. „Sonst könnte ich das die nächsten acht Wochen auch nicht leisten.“
Fällt es denn gar nicht schwer, jede Nacht aufzustehen? Susanne Lüdtke zögert nur ganz kurz: „Ich kann einfach nicht liegen bleiben, weil ich weiß, dass dann Kitze sterben würden. Ich muss dann los.“
Kitz-Retter suchen dringend Helfer
Und deshalb wird sie die nächsten acht Wochen nachts um ein Uhr aufstehen, Felder absuchen und kleine Kitze retten. Wer jetzt denkt „Tolles Engagement, das will ich auch machen“, kann sich gerne melden, denn: Die Kitz-Retter brauchen weitere Helfer: „ Wir suchen händeringend nach Drohnenpiloten. Wir können ja auch nicht jede Nacht los, wir müssen ja auch mal schlafen“, so Susanne Lüdtke.
Tatsächlich ist die Aufgabe gigantisch: Ungefähr 90.000 Kitze finden laut der Deutschen Wildtier Stiftung jährlich in Deutschland den Mähtod.
Wer das Team von „Wildtierrettung Kitz und Co“ unterstützen will, kann sich hier melden: Telefon 0172 – 4309846.