Hier werden Millionen Blumen gepflückt – nur um sie dann wegzuwerfen!
Ein betörend süßer, blumiger Duft zieht über die grünen Felder in der Winsener Elbmarsch. Gebückt hocken fünf Erntehelfer zwischen den Reihen grüner Pflanzen und zupfen routiniert die hübsch blühenden Maiglöckchen am Stiel aus jeder einzelnen Pflanze. Doch statt daraus zauberhafte Blumensträuße zu binden, werfen sie die Blüten achtlos beiseite. Denn die Ernte der weißen Glöckchen dient einer ganz anderen Bestimmung, die sich erst im nächsten Jahr erfüllt.
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Ein betörend süßer, blumiger Duft zieht über die grünen Felder in der Winsener Elbmarsch. Gebückt hocken fünf Erntehelfer zwischen den Reihen grüner Pflanzen und zupfen routiniert die hübsch blühenden Maiglöckchen am Stiel aus jeder einzelnen Pflanze. Doch statt daraus zauberhafte Blumensträuße zu binden, werfen sie die Blüten achtlos beiseite. Denn die Ernte der weißen Glöckchen dient einer ganz anderen Bestimmung, die sich erst im nächsten Jahr erfüllt.
Rund zwei Millionen Maiglöckchen wachsen auf den Feldern von Bauer Meinke im kleinen Elbort Drage. Streicht der Wind ab Ende April über die blühenden Felder, so verbreitet sich der Duft in der ganzen Region und erinnert an klassische Seifen und Duftwasser, die bis in die 1970er-Jahre typisch waren, heute aber längst aus der Mode sind. Wie das Maiglöckchen selbst, das es heute nur noch in wenigen Gärten gibt.
Aber in der Winsener Elbmarsch und den Vier- und Marschlanden hält sich die lange Tradition des Maiblumen-Anbaus. „Ich habe mit fünf Jahren schon zum ersten Mal bei der Ernte geholfen“, erinnert sich Hans-Peter Meinke (70) lachend. Eine große Hilfe war er damals wohl noch nicht, aber er wurde zum Profi, ist sein Leben lang dabei geblieben und hat die Geschäfte mittlerweile an seinen Sohn Sven (44) übergeben.
Maiglöckchen: Anbau vor den Toren Hamburgs
Bis zu 30 Männer und Frauen – meist aus Polen – helfen in der Hauptsaison bei der Ernte. Immer schön mit Handschuhen – denn Maiglöckchen sind giftig! Doch die eigentliche Ernte ist eben nicht, wie der Laie denkt, im Mai. Jetzt werden nur die Blütenstiele rausgezupft, damit die Pflanze bei der Haupternte ab September kräftig ist und gute Blühkeime entwickelt hat. Denn nicht die Blüten, sondern die Blühkeime der Stauden werden exportiert. Daraus wachsen im nächsten Jahr die neuen Pflanzen.
Als Sträuße sind Maiglöckchen bei uns nicht so beliebt. Der Großteil der entfernten Blütenstiele bleibt achtlos auf den Feldern liegen. Die Blüten sind eher klein, verwelken schnell und in Räumen kann ihr Duft auch als störend empfunden werden. „Sträuße verkaufen wir höchstens zu Ostern und zum Muttertag, aber das ist nicht unser Hauptgeschäft“, so Meinke.
Frankreich: Maiglöckchen-Tag am 1. Mai
Doch wieso macht man sich dann die Mühe, sie in so großem Umfang anzubauen? „Das passiert alles nur für die Franzosen“, verrät Meinke. Denn in Frankreich ist es seit Jahrhunderten Brauch, am 1. Mai das zierliche Spargelgewächs zu verschenken. Als Strauß oder im Topf. „Dort ist das Maiglöckchen an dem Tag ebenso wichtig, wie bei uns der Tannenbaum zu Weihnachten“, so Meinke. Bei unseren Nachbarn ist die Staude mit den Glöckchen nie aus der Mode gekommen. Lancome hat noch heute mit „Tresor“ einen Duft mit Maiglöckchen-Note.
Die Maiglöckchen, die jetzt auf den Feldern der Elbmarsch blühen, werden also erst im nächsten Jahr die Fensterbänke und Tische der Franzosen schmücken. Richtung Westen geht es erst ab Februar und März. Dann holen Transporteure die Blühkeime, die in Kisten mit Torf lagern, ab und bringen sie nach Frankreich. Dort werden sie eingepflanzt, damit sie nach etwa vier Wochen frisch in den Geschäften stehen und pünktlich zum 1. Mai blühen.
Aber warum ziehen die Erntehelfer in Drage überhaupt jeden Blütenstiel einzeln heraus, wenn sie doch nicht gebraucht werden? So bleibt die Pflanze kräftig und entwickelt einen starken Blühkeim. Wenn im Herbst die Maiglöckchen-Pflanzen dann „geerntet“ werden, wird der oberirdische Teil gerodet und eine Maschine holt die Wurzeln aus der Erde. Aus ihnen werden auf dem Hof die Blühkeime herausgesucht und in mehreren Qualitäten sortiert. „Wir bündeln im Herbst so 30.000 Blumen täglich“, erzählt Meinke.
Nur Wurzel und Blühkeim gehen nach Frankreich
Die Blühkeime kommen dann in den Kühlraum und ab Dezember werden sie sogar eingefroren. Erst im Februar und März holt der Bauer sie raus und dann geht es per Lkw ab nach Frankreich. Dort werden sie als Strauß oder Topfblume für die Läden aufgezogen. Und wenn gerade in Paris ein duftender Strauß überreicht wird, blühen auf den Feldern in der Elbmarsch schon die Maiglöckchen fürs nächste Jahr.
Bis zu 30 Männer und Frauen – meist aus Polen – helfen in der Hauptsaison bei der Ernte. Immer schön mit Handschuhen – denn Maiglöckchen sind giftig!
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Doch die eigentliche Ernte ist eben nicht, wie der Laie denkt, im Mai. Jetzt werden nur die Blüten rausgezupft, damit die Pflanze bei der Haupternte ab September kräftig ist und gute Blühkeime entwickelt hat. Denn nicht die Blüten, sondern die Blühkeime der Stauden werden exportiert. daraus wachsen im nächsten Jahr die neuen Pflanzen.