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Ingrid van Bergen
  • Ingrid van Bergen beobachtet auch noch mit 90 das Fernsehen kritisch.
  • Foto: Philipp Schulze (dpa)

Grande Dame des deutschen Fernsehen: Viele Schauspieler sind schlecht ausgebildet

Viele kennen Ingrid van Bergen aus dem RTL-Dschungelcamp. Die ältere Generation erlebte ihre großen Jahre als Schauspielerin. Besonderen Spaß machte ihr das Kabarett. Auch mit 90 verfolgt sie die Kollegen kritisch und ist nicht immer einverstanden.

Das Fernsehgerät läuft laut im geräumigen Landhaus in der Lüneburger Heide. Ingrid van Bergen, gerade 90 Jahre alt geworden, guckt viele Sendungen aufmerksam, ihr Blick ist kritisch. Mit der Tonqualität und der Ausdrucksweise ihrer jungen Kolleginnen und Kollegen ist sie manches Mal unzufrieden. Ihre tiefe Stimme ist einst an der Schauspielschule geschliffen worden und so ärgert sie sich heute über genuschelte Sätze im TV: „Wir transportieren Sprache, das muss verständlich sein. Viele Schauspieler habe keine richtige Ausbildung mehr, das irritiert mich.“

„MeToo“ gab es damals nicht

Debatten wie MeToo über sexuelle Belästigung gab es zu Zeiten ihrer Karriere nicht – die blonde Charakterdarstellerin hatte dafür immer eigene Strategien im Umgang mit dem anderen Geschlecht. „Ich wusste mich verbal zu wehren, Machos gibt es überall, aber die hatten vor mir Respekt“, erinnert sie sich. Die meisten Männer seien heutzutage ein wenig femininer geworden, findet van Bergen, die mit Robert Mitchum, Kirk Douglas und William Holden drehte. Ihre Rolle in der Nachkriegssatire „Rosen für den Staatsanwalt“ von 1959 blieb ihre wohl bekannteste.

Die schönste Zeit sei das Kabarett für sie gewesen: „Das habe ich als meine Berufung empfunden. Das war die Nachkriegszeit, da waren Kabarettisten mutig“, sagt van Bergen, die zu den Berliner „Stachelschweinen“ gehörte. „Helmut Schmidt und Willy Brandt waren unsere Gäste. Politiker gingen ins politische Kabarett, da gab es ja praktisch kein Fernsehen.“

Wertvolle Erfahrungen hinter Gittern

Der Name Ingrid van Bergen ist bis heute mit Schlagzeilen aus dem Jahr 1977 verbunden. Die Schauspielerin erschoss damals ihren verheirateten Liebhaber und wurde zu sieben Jahren Haft verurteilt, kam aber bereits 1981 frei. In ihrer Zeit hinter Gittern habe sie auch wertvolle Erfahrungen gemacht, sagt sie im Rückblick. „Ich bin damit ganz positiv umgegangen, man lernt ganz viel über Toleranz und Verständnis.“ Nach ihrer Entlassung spielte sie vorwiegend in Fernsehserien einzelne Episodenrollen.

Trotz ihrer Vergangenheit sei sie im beschaulichen Eyendorf in der Nähe der A7 zwischen Hamburg und Lüneburg gut angenommen worden: „Es ist nicht so einfach, einen sogenannten Promi zu integrieren, ich bin aber ganz bodenständig.“ Der Bürgermeister der kleinen Gemeinde sei zum 90. Mitte Juni vorbeigekommen – van Bergen empfand es als große Ehre. „Für mich ist sie eine ganz normale Person, die eher zurückgezogen lebt“, sagt Bürgermeister Norbert Lühmann. Früher sei van Bergen Mitglied im Schützenverein des 1200-Seelen-Ortes gewesen, habe sich auch im Bogenschießen geübt.

Neues Leben in ländlicher Idylle

Mit drei Möpsen, drei Katzen und einer langjährigen Freundin aus München lebt van Bergen, die nach einem Oberschenkelhalsbruch auf den Gehwagen angewiesen ist, in der ländlichen Idylle. Der Swimmingpool ist inzwischen zugeschüttet, die Sauna im Garten schon lange nicht mehr in Betrieb. Das Pferd mit Namen Te Quiero hat sie verschenkt. „Ich freue mich meines Lebens und bin dankbar, mein Alter ohne Beschwernisse erreicht zu haben.“ Ihre Kindheit in Ostpreußen hat die 1931 in Danzig Geborene geprägt, sie klagt nicht.Im Rückblick gibt es einiges, was sie bereut. Wichtig sei, was man daraus mache, sagt die blonde Lady mit der rauchigen Stimme. So habe sie sich von einem Manager überreden lassen, ihren Wohnsitz auf Mallorca nach sieben Jahren aufzugeben. Ein großer Fehler, findet sie noch heute.

Ihre 64 Jahre alte Tochter lebt im Allgäu – zu weit weg, findet van Bergen. Als schmerzlichen Verlust empfindet sie immer noch den Tod der zweiten Tochter, die 1990 mit 26 Jahren an Krebs starb. Über die Jahre hat sie zum Buddhismus gefunden und ernährt sich vegetarisch. In ihrem Backsteinhaus begrüßen viele Buddha-Statuen die Besucher. Aber die sind selten geworden. Umgekehrt macht sich van Bergen auch im Fernsehen rar. Am häufigsten denken jüngere TV-Zuschauer bei ihrem Namen gewiss noch an den Sieg in der RTL-Realityshow „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“ des Jahres 2009. Weitere Auftritte im Fernsehen plant van Bergen jetzt nicht mehr. (dpa)

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