„Diskriminierung“: So knallhart räumt Amazon Betriebsräte aus dem Weg
Es brodelt bei Amazon: Der Online-Riese will in Niedersachsen schon den dritten Betriebsrat in diesem Jahr vor die Tür setzen. Die Gewerkschaft Verdi glaubt: Das Unternehmen geht gezielt gegen kritische Betriebsräte vor. Was Amazon dazu sagt und wie ein Gericht urteilte.
Es brodelt bei Amazon: Der Online-Riese will in Niedersachsen schon den dritten Betriebsrat in diesem Jahr vor die Tür setzen. Die Gewerkschaft Verdi glaubt: Das Unternehmen geht gezielt gegen kritische Betriebsräte vor. Was Amazon dazu sagt und wie ein Gericht urteilte.
Dem einen wird Betrug bei der Arbeitszeit vorgeworfen, der andere soll „Unternehmensressourcen“ missbraucht haben – und bei einem Dritten wird der Vertrag nicht verlängert: In Niedersachsen sollen gleich in drei Amazon-Zentren Betriebsräte rausfliegen.
Amazon im Norden: Gericht gibt Online-Riesen Recht
Der jüngste Fall: Detlev Börs, Betriebsratchef im Zentrum Winsen im Landkreis Harburg. Er soll bei der Arbeitszeit betrogen haben, weil er im November zum Deutschen Betriebsrätetag in Bonn reiste (Kosten übernahm Amazon), dort aber die meiste Zeit fehlte – er fuhr zu seiner Ex-Frau nach Düsseldorf.
Weil der Betriebsrat eine Kündigung nicht absegnete, landete der Fall vorm Arbeitsgericht Lüneburg. Börs gibt zwar an, zwischenzeitlich trotzdem für den Betriebsrat gearbeitet zu haben, doch der Richter glaubt ihm nicht. Er gibt Amazon Recht.

Die Gewerkschafter bei Verdi finden das unverhältnismäßig, schließlich habe Börs die Arbeitszeiten angegeben. „Wir haben den Verdacht, dass Amazon gezielt nach Fehlern sucht, um unliebsame Betriebsräte loszuwerden“, sagt Havva Öztürk der MOPO. Denn auch ein anderes Betriebsratsmitglied sei der Fortbildung zeitweise ferngeblieben, aber nicht gekündigt worden – „weil der Kollege zur arbeitgebernahen Fraktion gehört“, vermutet ihr Kollege Nonni Morisse.
Verdi: Amazon wolle unliebsame Kritiker absägen
Börs ist nicht der einzige Betriebsrat, für den Schluss sein soll: In Wunstorf bei Hannover wurde der befristete Vertrag von Samuel Onyekachi Atuegbu nicht verlängert, obwohl er gutes Feedback bekommen und keine auffälligen Fehlzeiten gehabt haben soll. Atuegbu galt als Sprachrohr für die afrikanische Community unter den Mitarbeitern.
„Von 16 Kollegen mit auslaufenden Verträgen wurden 13 verlängert, aber der von Atuegbu nicht“, kritisiert Morisse. „Wir halten das für eine Ungleichbehandlung und eine Diskriminierung wegen seines Gewerkschaftsengagements und weil er sich für Arbeitnehmerrechte eingesetzt hat. Das ist unzulässig.“ Amazon protestiert: Es werde klar kommuniziert, „dass befristete Verträge ein reguläres Enddatum haben und dass wir nicht vorhersagen können, ob sie verlängert oder umgewandelt werden können“, sagt ein Sprecher der MOPO.
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Im März wurde auch Rainer Reising, Gründungsmitglied des Betriebsrats im Zentrum Achim, fristlos entlassen. Der Grund liege ihm noch nicht vor, sagt er der MOPO. Amazon wolle wohl ein Treffen mit Arbeitsminister Hubertus Heil und Ministerpräsident Stephan Weil (beide SPD) nicht als Betriebsarbeit gelten lassen und ihm Reisekostenbetrug vorwerfen.
Amazon könne sich nicht zu Einzelfällen äußern, respektiere aber alle Mitarbeiter:innen und behandele sie fair, sagt der Sprecher dazu. „Das bedeutet auch, dass wir den Missbrauch von Unternehmensressourcen nicht tolerieren können – unabhängig von der Position des Einzelnen.“ Reising hat aber den Verdacht: Er sei Amazon ein Dorn im Auge, weil nicht nur Verdi-Mitglied ist, sondern sich auch bei den Initiativen „Amazon Workers International“ und „Make Amazon Pay“ engagiere.
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Der internationale Handelsriese stand schon häufiger wegen der Arbeitsbedingungen in der Kritik. Verdis Vorwurf, gezielt gegen kritische Betriebsräte vorzugehen, weist er zurück. „Dies ist Unsinn“, so der Sprecher. „Amazon respektiert und achtet alle geltenden Rechte der Gewerkschaft. Für Amazon sind die Betriebsräte die wichtigsten Betriebspartner.“ Die drei Betroffenen gehen nun gegen das Vorgehen vor.