Filmreifer Crash im Landkreis Stade: Auto kracht wie eine Rakete in dieses Haus
Sie erinnern sich an den James-Bond-Film „Der Morgen stirbt nie“ aus dem Jahr 1997? Besonders dramatisch ist die Szene, in er das Auto des Doppelnull-Agenten mit der Lizenz zum Töten in das Schaufenster einer (fiktiven) Avis-Filiale an der Mönckebergstraße kracht. Ziemlich genau so muss es Sonntag früh in Drochtersen (Landkreis Stade) gewesen sein, nur, dass es sich nicht um einen BMW, sondern um einen VW Beetle handelte und der auch nicht aus einem Parkhaus geflogen, sondern die Hauptstraße entlanggerast kam.
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Sie erinnern sich an den James-Bond-Film „Der Morgen stirbt nie“ aus dem Jahr 1997? Besonders dramatisch ist die Szene, in der das Auto des Doppelnull-Agenten mit der Lizenz zum Töten in das Schaufenster einer (fiktiven) Avis-Filiale an der Mönckebergstraße kracht. Ziemlich genau so muss es Sonntag früh in Drochtersen (Landkreis Stade) gewesen sein, nur, dass es sich nicht um einen BMW, sondern um einen VW Beetle handelte und der auch nicht aus einem Parkhaus geflogen, sondern die Hauptstraße entlanggerast kam. Der Schaden ist enorm.
Der Fahrer, ein 28-jähriger Mann, der die Nacht auf dem Feuerwehrball in Drochtersen durchgemacht und dabei ordentlich gezecht hatte, war wohl mit ziemlich überhöhter Geschwindigkeit unterwegs – Zeugen sprechen von Tempo 120. Statt rechts abzubiegen, fuhr der betrunkene Fahrer an der scharfen Kurve in Drochtersens Ortsmitte einfach geradeaus weiter – nur, dass da keine Straße ist.
Der Wagen krachte auf die gegenüberliegende Bordsteinkante, hob dann regelrecht ab, zerstörte Teile eines Immobilienbüros und kam dann zum Stehen. Das alles passierte morgens gegen 4.30 Uhr.
„Wäre das tagsüber passiert, hätte es Tote gegeben“
Gut fünf Stunden später treffen die MOPO-Reporter ein: Das Haus sieht aus wie nach einem Raketeneinschlag. Das gilt vor allem für das Erdgeschoss, wo sich das Immobilienbüro von Helga Lindenblatt befindet. Die 72-jährige Inhaberin steht an diesem Sonntagmorgen zwischen den Trümmern und sieht ziemlich traurig aus. Alles ist mit Glassplittern übersät. Zerstörte Computer, Drucker und Bildschirme liegen auf dem Boden herum. In der Hauswand klafft ein riesiges Loch.
„Wenn ich mir vorstelle, der Unfall wäre an einem Werktag tagsüber passiert – dann hätte es Tote gegeben“, sagt sie und zeigt auf die mit Schutt bedeckten Schreibtische. „Da sitzen normalerweise Angestellte von mir.“
Reiner Teiwes, ein 62-jähriger Metallbaumeister, ist – natürlich abgesehen vom Fahrer des Unfallwagens – der Erste, der den Crash bemerkt hat. Er musste ihn zwangsläufig bemerken, denn er wohnt direkt über dem Immobilienbüro Lindenblatt. „Mit einem Mal hat es derartig gescheppert, dass ich regelrecht im Bett gestanden bin. Ich dachte, der Dritte Weltkrieg ist ausgebrochen und Putins Truppen stehen vor der Tür. Das ganze Haus hat vibriert.“
Reiner Teiwes wohnt direkt über der Unfallstelle: „Da sind Risse in der Wand“
Man muss sich das mal vor Augen führen: Der VW Beetle durchschlug nicht etwa nur die Schaufensterscheiben des Immobilienbüros, sondern brachte auch tragende Wände zum Einsturz. Mit der Folge, dass sich in den Wänden von Reiner Teiwes‘ Wohnzimmer Risse bildeten. Schlimmeres haben dann am Sonntagmorgen Männer des Technischen Hilfswerks verhindert, indem sie das Gebäude mit Bauholz abstützten.
Der 28-jährige Unfallfahrer hatte mächtig Glück im Unglück. Ein anderer Autofahrer war sofort zur Stelle und half ihm aus dem Fahrzeug. „Als ich runterging auf die Straße, um nachzusehen, ob ich was tun kann, saß der Bettle-Fahrer schon im Krankenwagen und hatte die linke Seite seines Kopfs verbunden“, so Augenzeuge Teiwes. „Sonst wirkte er ganz okay.“
Später stellte die Polizei bei dem Fahrer einen Atemalkoholwert von fast einem Promille fest, daraufhin sei sein Führerschein sichergestellt worden, wie Rainer Bohmbach mitteilt, der Sprecher der Polizeiinspektion Stade.
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„Ich weiß gar nicht, wie es jetzt weitergeht“, sagt Helga Lindenblatt, die Chefin des Immobilienbüros. „Mein Hauptgeschäft ist die Verwaltung von Mietimmobilien und wir sind gerade mitten in den Nebenkostenabrechnungen. Jeder Tag, den ich nicht arbeiten kann, ist eine Katastrophe.“
Wie lange die erzwungenen Betriebsferien dauern werden, ist unklar, denn es ist ziemlich viel kaputtgegangen. Die Polizei schätzt den Gesamtschaden auf mehr als 100.000 Euro. „Die Stromleitungen sind zerstört, auch die Internet-Kabel sind hin – wir haben keinen Zugriff mehr auf die Server“, sagt die 72-Jährige. Sie habe am Morgen mit einer Mitarbeiterin telefoniert, die auf Gran Canaria sitzt und dort im Homeoffice arbeitet. „Die kommt auch nicht mehr ins System rein.“
„Hauptsache, dass niemand ernsthaft zu Schaden gekommen ist. Kaputte Computer lassen sich ersetzen“
„Jetzt müssen dringend Elektriker und Systemelektroniker her. Die müssen schauen, wie das alles in Ordnung gebracht werden kann“, so Helga Lindenblatt. Während sie das sagt, fängt sie schon mal mit der Arbeit an: Den ganzen Sonntag bringt sie gemeinsam mit Ehemann Michael (73) damit zu, das Ladenlokal vom Schutt zu räumen. Gleichzeitig sind Zimmerleute dabei, das Loch in der Mauer mit Holz zu verschalen, so dass die Spuren des Unfalls schon mittags kaum noch zu sehen sind.
Was aber bleibt ist der Schock: Helga Lindenblatt tröstet sich damit, dass bei diesem Unfall wie durch ein Wunder niemand ernsthaft zu Schaden gekommen ist. „Das ist die Hauptsache“, betont sie immer wieder. Und ihr Ehemann pflichtet ihr bei: „Kaputte Computer und kaputte Drucker lassen sich ersetzen.“