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Ein Leben lang im Watt: Wattführer Heino geht nun Richtung Ruhestand

Juist –

Schon als kleiner Junge war der 72-Jährige unterwegs im Watt vor Juist. Seit genau 40 Jahren teilt Wattführer Heino sein Wissen auf Wattwanderungen, für viele Urlauber gehört eine Tour mit ihm zu den Inselferien. Doch die Gelegenheiten werden nun selten.

Die Arbeitskleidung besteht aus kurzen Hosen und dem Verzicht auf Schuhe, das Werkzeug aus einem Edelstahlstock und einer Wurmgabel. Wattführer Heino Behring hat nach eigenen Schätzungen schon Hunderttausende Menschen von der Ostfriesischen Insel Juist in einen einzigartigen Naturraum gebracht – seit vier Jahrzehnten macht er das hauptberuflich.

Doch der Ruhestand naht, auch wenn der bei Juist-Urlaubern nur als Heino bekannte Wattführer immer noch mit Leidenschaft bei der Sache ist.

Wattführer Heino: „Man muss mit dem Herzen dabei sein und die Natur respektieren“

Etwa wenn es darum geht, eine Sandklaffmuschel unter dem Boden aufzuspüren. „Man darf nicht einfach nur mit dem Stock im Boden rumstochern. Man muss das mit den Händen machen, sich bücken und die Tiere aufheben. Man muss mit dem Herzen dabei sein und die Natur respektieren“, sagt der 72-Jährige.

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Das mit dem Bücken falle allerdings nicht mehr so leicht. Dieses Jahr – sein vierzigstes als Wattführer – sah Behring als einen passenden Zeitpunkt für den Ruhestand. Doch er überlegte es sich anders und tritt nun erst mal nur kürzer. „Ich werde mich spezialisieren auf bestimmte Führungen, wo man bis zu fünf Stunden in die tiefen Regionen des Wattenmeeres reingeht.“ Davon soll es nur wenige im Monat geben.

Wattwanderung

Seit vier Jahrzehnten ist Heino nun Wattführer und hat nach eigenen Schätzungen schon Hunderttausende Menschen von der Ostfriesischen Insel Juist in einen einzigartigen Naturraum gebracht.

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Ob kurze Wanderung oder lange Tour, der Einstieg ist erst mal derselbe: Treffpunkt am Deich, Schuhe aus und rein in den grauen Schlick. „Das Watt an dieser Stelle kann man vergleichen mit einer Bergspitze, wo nichts an Leben ist. Das Wasser kommt spät hin und geht früh, für die Tiere reicht das nicht aus“, erklärt Behring dabei.

Juist: 72-jähriger Wattführer Heino tritt beruflich kürzer

„Erst da hinten kommen die ersten Wurmhäufchen, da fängt das Watt ein bisschen an zu leben.“ Es sind Hinterlassenschaften des Sandpierwurms. „Das ist der wichtigste Wurm überhaupt im Wattenmeer: Der frisst den Boden und sorgt für eine gute Sauerstoffsättigung.“

Schon als kleines Kind erkundete der Wattführer die Fläche zwischen Insel und Festland, die im Takt der Gezeiten vom Meer freigelegt und überspült wird. „Das war unser Spielplatz, wo wir alles beobachtet und gelernt haben.“ Zum Beispiel wie man eine Krabbe richtig greifen und der Schwester an die Ohrläppchen heften kann. Neben bösen Kinderstreichen erzählt Behring auf seinen Touren, dass Millionen Zugvögel im Frühjahr und im Herbst im Wattenmeer Energie auftanken.

Niedersachsen: Unesco-Weltnaturerbe mit unvergleichbarem Nahrungsreichtum

Nirgendwo auf den Tausende Kilometer langen Zugstrecken zwischen den Brutgebieten im hohen Norden und den Winterquartieren in südlichen Gefilden gibt es ein Gebiet mit vergleichbarem Nahrungsreichtum wie im heutigen Unesco-Weltnaturerbe, das sich von den Niederlanden über Deutschland nach Dänemark erstreckt.

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Das kann man an der Küste und auf den Inseln mit zahlreichen Wattführern und Wattführerinnen erkunden. Allein 110 sind in der Wattführergemeinschaft Niedersächsische Nordseeküste zusammengeschlossen. Sie sind allesamt staatlich geprüft, wie der Vorsitzende Albrecht Bießmann erzählt. Sie setzten sich aktiv für den Schutz des Lebensraumes ein und wollten dessen Bedeutung und Einzigartigkeit auf den Führungen vermitteln.

Heino Behring führte bereits mit 13 Jahren Touristen durchs Watt

Heino wurde das Wissen schon weit vor seiner ersten Prüfung eingeimpft: „Mein Vater hat 1952 mit Wattführungen angefangen. Er hat sich das selbst beigebracht, hat die Natur studiert, in dem Sinne, dass er sie beobachtet hat.“

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Schon als 13-Jähriger vertritt er vorübergehend den kranken Vater, 1980 übernimmt er komplett. Es sind Jahrzehnte an Erfahrungen und Beobachtungen, die er bei jeder Wanderung mit den Gästen teilt: „Wenn diese Abläufe nicht funktionieren, würde hier gar nichts funktionieren und das ist etwas, was man den Menschen auch vorführen muss. Man muss das sehen: Wie sich Muscheln eingraben. Wie sie das Wasser filtern.“

Wattführer: Wanderungen sind auch politisch

Er erzählt dann auch, wie sie in den 1950ern schubkarrenweise Schollen an Land gebracht hätten, während heute keine mehr zu finden seien. Oder wie sich mit dem Bau des Juister Hafens seit 1982 das Watt verändere, weil sich mehr Sedimente verteilten, unter denen Leben ersticke. Bei Behring wird Wattwandern auch politisch. Mit dem Norderneyer Wattführer Willy Martens kämpfte er erfolgreich für ein Herzmuschel-Fangverbot im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer.

Wattführer Heino Behring: Jederzeit könnte Schluss sein

Behring hatte gehofft, sein Sohn Ino – ebenfalls Wattführer – könnte diese Erfahrungen weitergeben. Doch der zog dann aufs Festland. „Das wäre die dritte Generation gewesen, das gibt es an der ganzen deutschen Küste nicht, das wär schon etwas ganz Besonderes gewesen. Das tut unheimlich weh.“

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Vorerst macht Wattführer Heino also selbst weiter – allerdings mit dem Bewusstsein, dass auch jederzeit Schluss sein kann: „Mit den Füßen gibt es Probleme. Ich bin ja immer barfuß im Watt, auch im Herbst, wenn es kalt wird.“

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