Nicht Pflanze, nicht Tier: Pilze boomen – in der Nähe von Hamburg werden sie angebaut
Liegt es daran, dass die Hamburger einen Ersatz für Fleisch suchen? Jedenfalls werden immer mehr Pilze gegessen. Statistisch isst jeder zwei Kilo jährlich, vor allem Champignons. Natürlich kann diese Mengen niemand in Wald und auf Wiesen sammeln. Wo und wie bei uns Pilze kultiviert werden und wieso sie seit Corona leider nicht mehr ganz so klimafreundlich sind – die MOPO hat sich das angesehen.
Für Donnerstag plant Henrik Rüschmeyer (41) den Frühlingsbeginn. Denn der Landwirt bestimmt sein Wetter selbst, und deshalb sind bei ihm in seiner Halle in Winsen (Landkreis Harburg) dann nur noch 16 Grad Celsius bei hoher Luftfeuchtigkeit. Der Wettermacher kultiviert Champignons. Damit sie gedeihen und später im Laden perfekt aussehen, brauchen die Pilze genau auf sie abgestimmte simulierte Jahreszeiten. Allerdings im Zeitraffer.
Liegt es daran, dass die Hamburger einen Ersatz für Fleisch suchen? Jedenfalls werden immer mehr Pilze gegessen. Statistisch isst jeder zwei Kilo jährlich, vor allem Champignons. Natürlich kann diese Mengen niemand in Wald und auf Wiesen sammeln. Wo und wie bei uns Pilze kultiviert werden und wieso sie seit Corona leider nicht mehr ganz so klimafreundlich sind – die MOPO hat sich das angesehen.
Für Donnerstag plant Henrik Rüschmeyer (41) den Frühlingsbeginn. Denn der Landwirt bestimmt sein Wetter selbst, und deshalb sind bei ihm in seiner Halle in Winsen (Landkreis Harburg) dann nur noch 16 Grad Celsius bei hoher Luftfeuchtigkeit. Der Wettermacher kultiviert Champignons. Damit sie gedeihen und später im Laden perfekt aussehen, brauchen die Pilze genau auf sie abgestimmte simulierte Jahreszeiten. Allerdings im Zeitraffer.
„Kinder denken meist, dass die Pilze auf ihrem Teller im Wald gesammelt wurden“, sagt Rüschmeyer und zieht schmunzelnd eine riesige Schiebetür auf. Dahinter verbergen sich in einer viele Meter hohen Halle ebensoviele Meter lange Regale, die wie Hochbetten gestapelt sind. In jeder Etage wächst auf dem schwarzen Boden ein Pilzteppich aus Champignon-Familien mit unterschiedlich großen Hüten.
Champignon-Farm in Winsen: So züchtet Rüschmeyer Pilze
Erntehelferin Anna aus Polen dreht die größten Fruchtkörper mit einer geschickten Handbewegung präzise und trotzdem schnell heraus und packt sie direkt in Kartons. Sie werden wenige Stunden später schon bei Edeka, Famila oder auf dem Wochenmarkt in Hamburg verkauft. Bereits morgen kann sie hier erneut ernten. „Denn Champignons können ihre Größe in nur 24 Stunden verdoppeln“, so Rüschmeyer.
Die spärlichen Neonröhren in der Halle brennen nur für Anna und die anderen Erntehelfer. Die Pilze brauchen überhaupt kein Licht, denn sie betreiben keine Photosynthese und gehören deshalb nicht zu den Pflanzen – zu den Tieren übrigens auch nicht, obwohl sie mit ihnen näher verwandt sind. Wissenschaftler haben sie schon vor Jahren in ein eigenes, noch erstaunlich unerforschtes Reich eingeordnet.
Pilze gelten heute weder als Pflanzen noch als Tiere
Auch Rüschmeyer wundert sich oft über die kuriosen „Früchte“, die er anbaut. „Wenn draußen Ostwind herrscht, dann wachsen drinnen in der Halle etwa zehn Prozent weniger Pilze“, sagt er kopfschüttelnd. Dabei kennt der Pilz das Wetter draußen gar nicht. Stattdessen bekommt er computergesteuert den perfekten Frühling, Sommer und Herbst in der Halle simuliert. Und bis heute ist es nicht gelungen, Pfifferlinge zu züchten. Sie wachsen nur wild.
Drei Wochen dauert es etwa, bis die Kultur-Champignons in der Halle geerntet werden können. Dann haben sie die für den Hamburger Raum beliebte Größe. „Denn hier im Norden wollen alle schöne kleine Köpfe. Weiter südlich in Frankfurt müssen sie schon doppelt so groß sein, um dem Verbraucher zu gefallen“, schildert Rüschmeyer. Und im Süden werden gern „Riesen-Schwammerl“ zum Füllen gekauft.
In Hamburg müssen Pilze klein sein – im Süden groß
Obwohl sie täglich damit befasst ist, hat seine Familie längst nicht die Nase voll von Pilzen. „Wir essen sie roh, gebraten, auf dem Burger, gefüllt oder zu Fleisch.“ Rüschmeyers Großvater hatte die Idee zur Zucht aus der Kriegsgefangenschaft in Belgien mitgebracht. Dort wurden sie damals in Flugzeughangars angebaut und er „spionierte“ etwas. Der Familienbetrieb liefert heute 500 Kilo bis zu einer Tonne Pilze täglich aus und gehört damit zu den kleinen der 30 deutschen Pilz-Produzenten. „Pilzland“ (Wiesenhof) erntet 300 Tonnen pro Woche.
Die Corona-Zeit hat einige Anpassungen von den Produzenten gefordert. „Die Gastronomie wollte davor immer vor allem weiße Pilze, doch die Verbraucher haben dann für zu Hause meist braune gekauft.“ Sie waren zeitweise sogar nicht mehr lieferbar. Obwohl sie irgendwie nach „Bio“ aussehen – gesünder oder anders gezogen als die weißen sind die braunen nicht. Sie schmecken nur etwas intensiver. Rüschmeyer baut beide an.
Seit Corona kaufen Kunden mehr verpackte Champignons
Eine Entwicklung, die der Produzent sehr bedauert: „Aktuell werden wieder 20 Prozent der Pilze in Plastik verpackt gekauft.“ Ein Teil der Kunden sorgt sich bei loser Ware im Laden offenbar um die Hygiene von Obst, Gemüse und Pilzen. Rüschmeyer selbst bemüht sich sehr um klimaschonenden Anbau. Der Familienbetrieb produziert die ganze Energie für die Pilzzucht seit April in einer nagelneuen eigenen Anlage, in der aus Abfallholz Strom und Abwärme entstehen.
Das könnte Sie auch interessieren: Experte über Geiz-Kunden: Bald gibt’s kein regionales Obst und Gemüse mehr
Nach der Ernte folgt in den Hallen von Rüschmeyer auf den künstlichen Herbst ein ganz und gar untypischer Winter. „Ist alles geerntet, dann wird die Halle für drei Tage auf eine Temperatur von 57 Grad Celsius gebracht. Zum Abtöten aller Bakterien. Denn Pestizid-Einsatz ist im Pilzanbau nicht erlaubt.“